Linke pflegen in Widersprüchen zu denken. Dabei sehen sie unauflösbare wie den Klassengegensatz zwischen Besitzern von Produktionsmitteln und denjenigen, die nur vom Verkauf ihrer Arbeitskraft leben können. Oder zwischen denen, die Menschen in höher- und minderwertigere Rassen oder Völker aufteilen, und jenen, die sich an universellen Menschenrechten orientieren. Andere Gegensätze wirken sich milder aus: Ob jemand mit dem Verbrenner-Auto fährt oder dem Fahrrad, an Götter glaubt oder nicht und viele mehr.
Oftmals werden Gegensätze medial überhöht, um von wesentlichen Fragen abzulenken. In der frühen Friedensbewegung sollten die "bösen" Sitzblockierer vor Raketenstützpunkten von den "guten" Demonstrierenden geschieden werden. "Gewalttäter", die Braunkohlebagger besetzen, werden heute den "friedlich" Protest Ausdrückenden gegenübergestellt. Gerne werden Menschen auch in einen Topf gesteckt wie beim "Reichstagstreppen-Sturm".
Welche Rolle spielt da das Maskentragen?
Nach dem herrschenden Diskurs stehen Maskierte für das Verantwortliche, Solidarische, Wissenschaftliche. Wer sich dem verweigert, ist egoistisch, nur auf Party aus, esoterisch. Der Reflex der MaskengegnerInnen ist spiegelbildlich. Wer die Maske ablehnt, tritt für individuelle Freiheit ein und gegen staatliche Gängelei. Wer sie trägt, offenbart Obrigkeitshörigkeit und verzichtet auf eigenes Denken.
Daß diese Widersprüche zwar vorhanden, aber nicht unauflösbar sind und womöglich wesentlichere Gegensätze überlagern, wird an den Demonstrationen der letzten Wochen erkennbar. Zehntausende haben in den letzten Tagen durchaus widerständig gegen "Regierungsmaßnahmen" der Umweltpolitik demonstriert. Tausende leisteten zivilen Widerstand gegen den Abriß von fünf Dörfern im rheinischen Tagebau, die der Profitlogik von RWE und Regierungen weichen sollen.
Die allermeisten von ihnen trugen Masken und hielten Abstände ein. KritikerInnen der "Corona-Maßnahmen" können das erbärmlich finden und entsetzt sein darüber, daß man den Menschen aus Hamm wegen absurder "Riskogebiets"-Definitionen abriet, teilzunehmen. War deshalb der Widerstand gegen die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen nichts wert? Sollte dieser Widerspruch nicht produktiv zu verarbeiten sein?
Auf der anderen Seite gab es Demonstrationen gegen die" Corona-Maßnahmen", auf denen Gesichter nicht verhüllt wurden und man nur widerwillig Abstände einhielt. Nicht wenige der Teilnehmenden der eben genannten Demos standen da am Rande und beschimpften die Maskenverweigerer. Vor lauter Nazis, die zweifellos dabei waren und beschämenderweise oftmals geduldet wurden, ignorierten sie die Vielen, die ähnlich wie sie nicht mehr einsehen, jegliches Regierungshandeln zu akzeptieren.
Nutzen davon hat keine Seite. Den tragen die Regierenden davon. Wenn beide Seiten sich von ihren Fixierungen lösen könnten, gäbe es eine Chance zu untersuchen, ob vielleicht die jeweiligen Bewegungen ähnliche Gegner ausmachen können (Energie- und Pharmakonzerne, ihnen dienstbare Regierungen und Parteien, Medien, die beide kleinreden möchten).
Siehe dazu auch Mit Maske "für Flüchtend" ‑ohne Maske "für Freiheit"
"Hat Martin Luther King in den 60er Jahren die Regeln zur Rassentrennung eingehalten, als er Demonstrationen gegen die Rassentrennung organisierte?"
https://www.prof-mueller.net/
Die Spaltung begann meines Erachtens bei Sara Palin, unter Trump hat sich das Lagerdenken verschärft. Das Virus wurde mit einer false flag (neuartiges Virus) inthronisiert, die eigentlich wissenschaftliche Frage des Maskentragens wurde zum linken Erkennungssymbol in den USA und ist bis zu uns rüber geschwappt. Nun ist Trump bekennender Wissenschaftsfeind, daher bringt seine Haltung in dieser Frage keinerlei Erkenntnisgewinn. Die vorhandene Spaltung haben sich Regierungsorgane zunutze gemacht und gefördert. Waren früher Hausbesetzer und Kommunisten Staatsfeind Nr. 1 sind es heute die Rechten, es werden auch gezielt linke Gruppierungen unterwandert und mit vereinfachenden Parolen gefüttert (so mein Eindruck). Und so kommt es dass Geisel plötzlich Schulter an Schulter mit Söder gegen die "neue Rechte" kämpft und sich für Demonstrationsverbote stark macht, absurder geht es nicht. Mal davon abgesehen, dass auch Sarah Wagenknecht in der Vergangenheit rechtspopulistische Tendenzen unterstellt wurden. Man kann in dieser speziellen Situation den "rechten" Anteil an der Regierungsopposition nicht leugnen, aber ich sehe durchaus Chancen, wenn Afd Wähler sich plötzlich für Grundrechte und Meinungsvielfalt interessieren. Ein Lernprozess den ich bei unseren linken Parteien derzeit vermisse.