Dies ist der Titel eines Beitrags, der (noch?) im Community-Forum der Plattform freitag.de zu lesen ist. Er ist eine Antwort auf einen Artikel mit der Überschrift "Die Maske ist links." In der Replik heißt es:
»Gerade politisch links Denkende hätten die Regierung hinterfragen müssen, denn sie verstehen sich traditionell als herrschaftskritisch. Doch nichts dergleichen geschah. Mit einer nie gekannten Einigkeit unterstützten die Parteien im Bundestag den Kurs der Regierung. Angefeuert wurden sie dabei von nahezu allen mehr oder weniger links orientierten Medien, Bloggern, Prominenten.
Die einzigen, die von linker Seite kritisiert wurden, waren die Gegner des Regierungskurses. Und auch, wenn die Beteiligung von Rechten selbstverständlich kritisiert werden muss, so wurden bei den Demos genau die Fragen gestellt, die eigentlich von den Linken hätten kommen müssen. Warum gelten in der Krise keine Grundrechte mehr? Wieso gibt es immer noch Maßnahmen, obwohl die Sterbezahlen und schweren Verläufe so gering sind?
Doch die Linken stellen keine Fragen mehr. Sie scheinen gefangen zu sein in ihrer Überzeugung, jeder Zweifel an den drakonischen politischen Maßnahmen sei ein Verrat an Schwächeren.
Besonders deutlich wird das bei der Diskussion um die Maske als Symbol für diesen Kurs. In ihr konzentriert sich der gesamte medizinische Irrsinn, gepaart mit dramatischen gesellschaftlichen Folgen und geradezu mythisch verklärten Ideen dazu.
Die Pflicht, sich das Gesicht zu maskieren, ist ein massiver Eingriff in die Persönlichkeitsrechte. Die Regierungen der Länder, orchestriert von der Bundesregierung, erließen diese Regelung, ohne belegen zu können, dass die Maßnahme einen medizinischen Sinn ergäbe…
Die Linken haben mit ihren Angriffen auf Maskengegnerin den letzten Monaten erheblich dazu beigetragen, dass die gesellschaftliche Stimmung so aggressiv geworden ist. Gerade linke Politiker, Journalisten und Blogger haben Schaum vor dem Mund, wenn sie auf Maskengegner schimpfen und benutzen verleumderische und persönlichkeitsverletzende Begriffe wie "Idiot".
Hier wird es brenzlig. Masken haben nicht nur eine medizinische, sondern auch eine psychische Dimension. Sie signalisieren ständig eine gegenseitige Gefahr und verursachen dadurch eine Stresssituation. Begründet werden die Masken mit vermeintlicher Verantwortung. Das erhöht den Stress und den Druck. Alle müssen mitmachen. Niemand darf sich entziehen. Dass das Ganze keinen medizinischen Sinn hat und auch von der Regierung nicht damit begründet wird, spielt keine Rolle mehr. Sondern es geht darum, öffentlich und sichtbar Gehorsam zu zeigen. Dieser Logik müssen sich alle unterwerfen, abweichende Meinungen sind nicht erlaubt. Es gibt ein Richtig und ein Falsch. Das spaltet die Gesellschaft in Gruppen, die sich feindselig gegenüber stehen. Wenn du nicht für uns bist, bist du gegen uns…
Das sind autoritäre, wenn nicht sogar totalitäre Verhaltensmuster. Deshalb sind Masken als Symbol dieser Coronapolitik nicht links, sondern totalitär…
Und ein Ende ist nicht in Sicht. Die Zahlen zeigen seit April (!) eine sinkende Anzahl an Corona-Toten. Seit Wochen werden in den berichtenden Hausarztpraxen keine neuen COVID-19 Erkrankungen mehr berichtet . Bundesweit sind etwa zweihundertzwanzig Menschen wegen Corona im Krankenhaus. Zweihundert Menschen von über achtzig Millionen.
Doch die Bundeskanzlerin setzt ihren Kurs fort. Sie kündigt an, die Zügel enger ziehen zu müssen, als seien die Menschen dressierte Pferde. Die Maßnahmen im Herbst würden noch heftiger werden als im Sommer…
Der gesellschaftliche Stress wird absehbar nicht weniger werden. Die Proteste dagegen vermutlich auch nicht. Das ist das Ergebnis der hysterischen, maßlos überzogenen Coronapolitik, die eine gesellschaftliche Spaltung gezielt angefacht hat. Die politisch links Denkenden haben es verpasst, diese Dynamik aufzuhalten. Den entscheidenden Kurswechsel in der Coronapolitik, weg von einer halbwegs begründbaren Gesundheitspolitik und hin zu angsterzeugenden, autoritären Maßnahmen haben sie versäumt. Sie haben all die manipulierten Zahlen, völlig überzogenen Prognosen, die kassierten Grundrechte, die einseitige Berichterstattung, die angefeindeten Wissenschaftler, die willkürlichen Regelungen, die Sprache der Regierung, die Traumatisierung der Kinder und die geforderten Unterwerfungsgesten geschehen lassen ohne jede Kritik. Durch ihr Schweigen haben sie ein Vakuum in der kritischen Debatte geschaffen, das die Rechten gefüllt haben.
Dadurch haben die linken Parteien, Organisationen, Zeitungen und Prominenten massiv dazu beigetragen, dass die Gesellschaft jetzt so gespalten ist. Hätten sie sich für einen offenen Diskurs, für Kritik, für abweichende wissenschaftliche Meinungen (da muss man nicht auf "Verschwörungstheoretiker" zurückgreifen, da kann auch Nobelpreisträger und diverse renommierte Profs nehmen) stark gemacht, dann wäre es nie zu dieser aggressiven Stimmung gekommen. Hätte sie wenigstens für einen besonnenen Umgang, für Abwägung und Verhältnismäßigkeit geworben, wären die letzten Monate auch anders verlaufen. Hätte sie sich für die Kinder, für die isolierten Alten in den Pflegeheimen, für die in ihrer Existenz gefährdeten und von Armut bedrohten Leute stark gemacht, wäre nicht so ein Zorn entstanden.
Linke Werte wie Humanität, Pluralität, Toleranz und soziales Miteinander musste man in den letzten Monaten mit der Lupe suchen. Diese Leerstelle lässt sich nicht füllen, indem man der Maske irgendeinen solidarischen Charakter andichtet. Sie bleibt ein verkeimter Stofflappen, mit dem öffentlich sichtbar Gehorsam gezeigt werden soll.«
Die Maske ist links.
So ist der kritisierte Beitrag überschrieben. Dort ist u.a. zu lesen:
»Jahrzehntelang war es Sache der radikalen Linken, außerparlamentarischen Protest in dieser Form zuzuspitzen, durch symbolträchtige Aktionen auch inhaltlich zu radikalisieren. Etwa bei Blockadeaktionen der Gleise von Atommülltransporten. Oder bei Baggerbesetzungen. Oder dem Sturm auf die rote Zone bei G8- und WTO-Gipfeln in Seattle oder Genua. Das Zusammenspiel aus heterogener Masse auf Großdemonstrationen und kleineren Aktionen des zivilen Ungehorsams verstärkte die Brisanz der Debatte – über Kapitalismuskritik, über Grundrechte, über den Atomausstieg, den Kohleausstieg. Nun sind es Neonazis und Verschwörungstheoretiker, die diese Radikalisierung in die Debatte über die Corona-Maßnahmen bringen: Es wird über Demokratie als solche diskutiert…
[Es ist] nicht nur die räumliche Nähe von Neonazis, Reichsbürgern, Verschwörungstheoretikern und politisch gemäßigten Menschen, die der Linken Sorgen bereiten muss, sondern das Anliegen der Demonstration als solches: Es ist politisch rechts.
Denn das Tragen der Maske ist ein Akt der Solidarität. Man schränkt sich ein, um Schwächere zu schützen: Solidarprinzip. Dieses abzulehnen, ist ein neoliberaler Akt: einer, der die Schwachen sich selbst überlässt und den Starken alle Freiheit einräumt. Ohne Maske ist die Corona-Gesellschaft eine, in der sich der gesundheitlich Überlegene durchsetzt…
Linke Politik muss den Zusammenhalt der Gesellschaft im Blick haben, den Kitt zwischen den Einzelnen. So, wie die Linke nach den Gelbwesten die Infrastruktur in ländlichen Gebieten in den Blick nehmen muss, ist es also ihre Aufgabe in der Pandemie, für die soziale Infrastruktur während der Krise zu sorgen. Dies passiert bereits. Am 9. September rufen Veranstalter zu einer Demonstration auf, wieder in Berlin. Im Aufruf heißt es: "Wir protestieren NICHT gegen die Maßnahmen der Regierung zur Eindämmung des Infektionsgeschehens. Wir demonstrieren FÜR echte Hilfen für die Veranstaltungswirtschaft".
Die Rechte hat am 29. August ein Zeichen der Stärke gesetzt. Was sie wieder schwächen kann, wird schon lange diskutiert. Vermutlich vermag das nur eine Erstarkung linker Kräfte. Sie hängt davon ab, ob es gelingt, das Vertrauen in eine solidarisch funktionierende Gesellschaft wieder aufzubauen. Wenn jedoch jeder nur an sich denkt, sind die Schwächsten in größter Gefahr.«
Treffender hätte die Autorin das Elend des vermeintlich linken Journalismus nicht illustrieren können. Links ist für sie nicht die Analyse und Kritik von Regierungsmaßnahmen, sondern deren soziale Begleitung, hier in Form der Milderung der drastischen Folgen für die "Veranstaltungswirtschaft".
(Hervorhebungen nicht in den Originalen.)
Ich erinnere mich daran, wie die BILD-Zeitung versucht hat, die G8-Proteste auf die hinterlassenen Müllberge zu reduzieren.
Mit diesen Augen sehe ich heute die von meinen solidarischen Mitbürgern überall auf der Straße entsorgten Masken.