Mehr Patienten starben an Infektionen durch multiresistente Keime

Der "Tagesspiegel" berich­tet am 10.9.:

»Die Zahl der Infektionen, die sich Patienten durch Aufenthalt in Behandlung in deut­schen Kliniken zuzie­hen, hat sich trotz ver­schärf­ter Hygienevorgaben wäh­rend der Corona-Pandemie nicht ver­rin­gert. Im Gegenteil: Sie ist sogar noch wei­ter gestie­gen. Das geht aus dem neu­en Barmer-Krankenhausreport her­vor, der in Berlin vor­ge­stellt wur­de. Bis Ende des Jahres 2020 gab es dem­nach deutsch­land­weit etwa 34.000 zusätz­lich Infizierte und bis zu 1.300 wei­te­re Todesfälle auf­grund soge­nann­ter noso­ko­mia­ler Infektionen, vie­le davon her­vor­ge­ru­fen durch mul­ti­re­si­sten­te Keime.

Der Vorstandschef der Krankenkasse, Christoph Straub, hat zwei Erklärungen für die auf den ersten Blick über­ra­schen­de Entwicklung. Zum einen hät­ten gera­de wäh­rend der ersten Welle weni­ger leich­te Fälle und deut­lich mehr älte­re und schwe­rer erkrank­te Menschen auf den Stationen gele­gen, die anfäl­li­ger für Infektionen sei­en, sag­te er. Dazu kom­me die hohe Arbeitsbelastung für das Klinikpersonal, dem es zu Beginn der Pandemie mit­un­ter auch noch an Schutzausrüstung gefehlt habe…

Bei der Untersuchung habe das vier­köp­fi­ge Autorenteam sorg­sam dar­auf geach­tet, „nicht Äpfel mit Birnen zu ver­glei­chen“, beton­te Augurzky. Tatsächlich näm­lich sei die Zahl der Klinikpatienten in der ersten Phase der Pandemie um bis zu 46 Prozent zurück­ge­gan­gen. Behandelt wor­den sei­en zu die­ser Zeit vor allem schwe­re­re Fälle mit höhe­rem Infektionsrisiko. Doch selbst wenn man die ver­än­der­te Patientenstruktur durch Adjustierung geson­dert berück­sich­ti­ge, zei­ge sich ein Anstieg des Infektionsgeschehens um fast zehn Prozent in der ersten und um 17,5 Prozent in der zwei­ten Welle bis Ende 2020…«

Jährlich 10–15.000 Tote

»„Die erhöh­te Wahrscheinlichkeit, eine noso­ko­mia­le Infektion zu erlan­gen, scheint ein indi­rek­ter und uner­wünsch­ter Nebeneffekt der Pandemie zu sein“, resü­mier­te Augurzky. Allerdings erkrank­ten in Deutschland auch ohne Corona jähr­lich etwa 400.000 bis 600.000 Patient:innen an einer Krankenhausinfektion, und in 10.000 bis 15.000 Fällen ver­lie­fen die­se töd­lich. Aus Sicht der Forscher wären etwa 30 Prozent die­ser Infektionen durch geeig­ne­te Prävention vermeidbar.«

Von einem Lockdown des­halb war nie die Rede. Von einer aus­rei­chen­den Ausstattung mit Personal hin und wie­der, ohne daß Taten folg­ten. Eine Frechheit sind die Schlußfolgerungen:

»Kassenchef for­dert unan­ge­kün­dig­te Hygienekontrollen

Konkret benö­ti­ge man etwa mehr Auseinandersetzung mit Klinikhygiene in der Ausbildung von Ärzt:innen und Pflegekräften, sag­te Straub. Solches Wissen müs­se dann „im Berufsalltag ver­tieft und zur täg­li­chen Routine wer­den“. Dazu bedür­fe es ver­läss­li­cher Verfahren und geschul­ter Mitarbeiter, die das Einhalten von Hygienestandards über­wa­chen und bei Bedarf wei­ter­ent­wickeln könn­ten. 

In den Krankenhäusern wür­den zwar bereits Hygienefachkräfte ein­ge­setzt. „Akzeptanz und Arbeit die­ser Fachkräfte müs­sen aber im Arbeitsalltag gestärkt wer­den, damit in Ausnahmesituationen wie einer Pandemie höhe­re Hygieneanforderungen nicht zu Stresssituationen füh­ren.“«

Der Autor hät­te sich den Artikel vom Vortag noch ein­mal anse­hen sol­len, den er selbst mit­ver­faßt hatte:

»„Mehr Personal noch vor der Wahl“
Unbefristeter Pflegestreik in Berliner Charité und Vivantes-Kliniken hat begonnen

… Die Gewerkschaft kämpft für bes­se­re Arbeitsbedingungen und eine höhe­re Bezahlung der Beschäftigten in Tochterfirmen…

Notfälle, das hat Verdi zuge­si­chert, wer­den wie gewohnt ver­sorgt. Wenn nun, wie gro­be Schätzungen zei­gen, täg­lich bis zu 1000 Behandlungen aus­fal­len, neh­men die städ­ti­schen Krankenhäuser jeweils Hunderttausende Euro pro Tag weni­ger ein.

Selbst von Patienten kom­men Solidaritätsadressen
 
Die Gewerkschaft hat­te ihre Mitglieder in den Kliniken in einer Urabstimmung befragt: 98 Prozent der in Verdi orga­ni­sier­ten Beschäftigten von Charité und Vivantes votier­ten für den Ausstand. Wie vie­le Pflegekräfte ins­ge­samt orga­ni­siert sind, ist nicht öffent­lich bekannt: Noch vor zehn Jahren waren weni­ger als 15 Prozent der Pflegekräfte einer Gewerkschaft bei­getre­ten, inzwi­schen dürf­ten es drei­mal so vie­le sein.

Verdi hat den Tarifkampf mit einer eige­nen poli­ti­schen Kampagne gut vor­be­rei­tet – Kritik am Ausstand gibt es kaum, selbst von Patienten kom­men Solidaritätsadressen. Landeschef Michael Müller (SPD), der dem Charité-Aufsichtsrat vor­sitzt, wird täg­lich über den Verlauf des Arbeitskampfes informiert…

Die Streikenden wol­len in zwei Fragen deut­li­che Verbesserungen. Politisch bedeut­sam ist vor allem der von Verdi gefor­der­te „Entlastungstarifvertrag“. Dabei geht es um einen ein­klag­ba­ren Personalschlüssel für mehr Pflegekräfte, der zehn bis 15 Prozent mehr Mitarbeiter an den Krankenbetten erfor­der­lich machen würde.«

14 Antworten auf „Mehr Patienten starben an Infektionen durch multiresistente Keime“

  1. Nosokomiale Infektionen kom­men nicht unbe­dingt durch man­geln­de Hygiene zustande.
    Ein Grund ist, dass durch den mas­sen­haf­ten Einsatz von Antibiotika mul­ti­re­si­sten­te Keime ent­stan­den sind (Evolutionsbiologisch pas­siert das glei­che bei Viren, die vom Immunsystem ange­grif­fen wer­den). Bakterien mutie­ren eben­so, wie Viren. Dabei ent­ste­hen zufäl­lig Varianten, denen das Antibiotikum nichts anha­ben kann. Survival oft the fittest!
    Die zwei­te Ursache ist die inva­si­ve Beatmung. Über steigt die Dauer eine Woche, dann ist eine bak­te­ri­el­le Superinfektion vor­pro­gram­miert. Der Patient, der mit einer vira­len Lungenentzündung auf die Intensivstation kommt und dort inva­siv beatmet wird, bekommt dann zusätz­lich noch eine bak­te­ri­el­le Lungenentzündung. Das weiss jeder Intensivmedizin er. Dass die­se Komplikation bei alten, immun geschwäch­ten Patienten in 85% der Fälle zum Tod führt, weiss eben­falls jeder Arzt, der ein­mal auf einer Intensivstation gear­bei­tet hat. Hinzu kommt, dass die maschi­nel­le Überdruck Beatmung zusätz­lich die Lungenbläschen schädigt.
    Aus die­sem Grund und auch wegen einer Besonderheit der durch Sars‑2 her­vor­ge­ru­fe­nen Lungenentzündung hat als einer der ersten der Lunge spe­zi­al ist Voshaar aus Moers erkannt, dass die inva­si­ve Beatmung bis Covid-Patienten wenn irgend mög­lich ver­mie­den wer­den soll­te. Sein Behandlungskonzept hat sich mitt­ler­wei­le durch­ge­setzt, was sich sicher­lich auf die Sterblichkeit aus­ge­wirkt hat.

      1. Absender:
        Schweizerische Gesellschaft für Infektiologie
        Swiss Society for Infectious Diseases
        Société Suisse d'infectiologie

        Schweizerische Gesellschaft für Spitalhygiene

        swiss­nosc
        Nationales Zentrum für Infektionsprävention

        Textauszug:
        „Frankreich und die fran­zo­sisch­spra­chi­ge Schweiz
        haben im Gegensatz zu Deutschland die VRE-Verbreitung gröss­ten­teils ein­ge­dammt. Die Empfehlungen Deutschlands, wel­che dem­nächst erschei­nen, sind hin­ge­gen mini­ma­li­stisch und auf «Schadensbegrenzung» aus­ge­rich­tet, da in Deutschland VRE (ein­schliess­lich Linezolid-resi­sten­te VRE) lan­des­weit hyperen­de­misch sind. Wir raten unse­ren Kolleginnen und Kollegen in der Schweiz des­halb drin­gend davon ab, sich an die deut­schen Empfehlungen zur Kontrolle der VRE zu halten.“

        https://t.co/HCWZuVctV0?amp=1

    1. Ein Grund ist, dass durch den mas­sen­haf­ten Einsatz von Antibiotika mul­ti­re­si­sten­te Keime ent­stan­den sind (Evolutionsbiologisch pas­siert das glei­che bei Viren, die vom Immunsystem ange­grif­fen wer­den). Bakterien mutie­ren eben­so, wie Viren. Dabei ent­ste­hen zufäl­lig Varianten, denen das Antibiotikum nichts anha­ben kann. Survival oft the fittest!

      Sollte man her­vor­he­ben. Eine "Impfung", die ein Virus nicht "ver­nich­tet", son­dern nur angreift, trai­niert sei­ne evo­lu­tio­nä­ren Eigenschaften nicht zufäl­lig, son­dern gezielt: das Virus nimmt das "sport­lich" und mutiert. Ob es dabei "harm­lo­ser" wird, wie man­che sich trö­sten, bleibt offen. 

      Bei Mareks Disease wur­de ande­res festgestellt:
      https://​www​.ncbi​.nlm​.nih​.gov/​p​m​c​/​a​r​t​i​c​l​e​s​/​P​M​C​4​5​1​6​2​75/
      https://​child​rens​he​al​th​de​fen​se​.org/​d​e​f​e​n​d​e​r​/​v​a​c​c​i​n​a​t​e​d​-​c​o​v​i​d​-​m​u​t​a​t​i​o​n​s​-​i​m​m​u​n​e​-​r​e​s​p​o​n​se/

      Covid ist immer dann selbst eine noso­ko­mia­le Infektion, wenn sie im Krankenhaus erwor­ben wur­de. Dass man bei der Barmer das berück­sich­tigt hat, neh­me ich nicht an.

    2. Es wur­den sicher­lich nicht 600.000 Menschen inva­siv beatmet. Und am Ende ist es immer allei­ne eine Frage der Hygiene.

      Ob resi­stent oder nicht ist egal, wenn nicht geputzt wird, blei­ben die Bakterien wo sie sind. Und weil nicht geputzt wird und statt­des­sen lau­fend Antibiotika gege­ben wer­den, schließt sich der Kreis. 

      Es ist lei­der so banal. Jeder Schnellimbiss ist was mul­ti­re­si­sten­te Keime angeht siche­rer, als ein deut­sches Schmuddelkrankenhaus. 

      Das fängt bei Ärzten an, die immer noch behaup­ten, täg­li­ches Duschen sei schlecht und hört bei Putzkräften, die nur 2:45 Minuten zum put­zen eines Patientenzimmer haben noch lan­ge nicht auf.

  2. Italien und Spanien sind in die­ser Hinsicht übri­gens die Schmuddelkinder in Europa. Nur so als Hinweis, wenn man sich die Todeszahlen von 2020 anschaut. Die schö­ne, "sau­be­re" Schweiz liegt glaub auf dem Nievau von Rumänien oder so – hab ich mal in einem Ranking gese­hen. Grundsätzlich dürf­ten die Zahlen auch weit under­re­por­ted sein.
    Spannend sind auch die Zahlen zu Todesfällen durch fal­sche Medikamentengabe. (kann grad nicht suchen)

  3. in 10.000 bis 15.000 Fällen ver­lie­fen die­se tödlich.

    Die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) gibt deut­lich höhe­re Zahlen an. Sie schrieb im Jahr 2012 von 900.000 jähr­lich in Deutschland Infizierten und von bis zu 40.000 Todesfällen durch noso­ko­mia­le Infektionen. 2014 schätz­te die DGKH jähr­lich 900.000 noso­ko­mia­le Infektionen, die zu 30.000 Todesfällen in Deutschland führ­ten. Im fol­gen­den Jahr kor­ri­gier­te die DGKH ihre Zahlen noch­mals nach oben und gab für das Jahr 2015 ins­ge­samt 1.000.000 noso­ko­mia­le Infektionen im Rahmen der Versorgung von Patienten in deut­schen Krankenhäusern an.

    Zitiert aus: wiki­pe­dia

  4. »Aus Sicht der Forscher wären etwa 30 Prozent die­ser Infektionen durch geeig­ne­te Prävention vermeidbar.«
    Oh, da ent­steht doch ein Markt für mul­ti­va­len­te Piekspräparate!

  5. @Dr.C. hat sich das Konzept von Voshaar durch­ge­setzt? Mir sind noch aus dem Januar Artikel in Erinnerung, es wer­de immer noch zu viel Intubiert und die Intensivmediziner woll­ten wei­ter früh künst­lich beatmen. Voshaar beatmet vor allem nicht inva­siv und mein­te, dazu müs­sen Patienten auch nicht auf die Intensivstation, son­dern sie hat­ten eine eige­ne Abteilung geschaf­fen. Dadurch habe sich auch die Behandlungsdauer ver­kürzt und logi­scher­wei­se die Auslastung der Intensivstation ver­rin­gert. Die Mortalitätsrate sei durch nicht inva­si­ve Beatmung auf unter 10% der Behandelten gefal­len. Die Krankenhausprämien für den Aufbau von Intensivbetten bei Covid 2020 kann man auch als Anreiz zur inva­si­ven Beatmung und Steigerung der Covid Mortalität sehen. Würde man Voshaar fol­gen, auch die Diskussion um und Argumentation mit den Intensivkapazitäten könn­te es so nicht geben. Spahn soll sich das in Moers 2020 schon ange­se­hen haben…

  6. Das lese ich so, unter den 'an und mit Covid Toten' muss ein Anteil an Krankenhauskeimen gestor­ben sein. So oder so könn­te man – insb in Italien Anfang 2020 – auch Krankenhausbehandlung als Todesursache angeben.

  7. Es ist echt ein Skandal: Im Krankenhaus ster­ben Menschen! Das darf nicht sein, wir brau­chen Maßnahmen, sofort! Schließt alle Krankenhäuser, nie­mand darf mehr in einem Krankenhaus ster­ben! Jedes Leben zählt!

    P.S.: Kollateralschäden? Egal. Hauptsache Leben gerettet.
    P.P.S.. Werde ich jetzt bay­ri­scher Ministerpräsident?

  8. Auch hier wie­der hat sich schnell ein Arzt (Wissenschaftler oder Team) gefun­den, dass den ein­deu­ti­gen Befund (Hysterie, Panik, dys­funk­tio­na­le admi­ni­stra­ti­ve Maßnahmen und Verordnungen, künst­lich auf­ge­bau­te Hürden, zusätz­li­che Erschwernis bei der ärzt­li­chen und pfle­ge­ri­schen Arbeit, und nicht zuletzt frei­räu­men oder Abbau von Stationen, Betten, Krankenhausschließungen, Reduktion des Personalschlüssels im Verhältnis zur Bevölkerungszahl füh­ren NATÜRLICH ins­ge­samt zur Verschlechterung der medi­zi­ni­schen Leistungen) ins Gegenteil ver­kehrt und angeb­lich wis­sen­schaft­lich exakt gefun­den hät­ten, dass das alles nichts damit zu tun hät­te – son­dern es natür­lich nur an den Schlampern und Pfuschern in den Krankenhäusern läge.

    Politiker-Weißwasch-Wissenschaft ist eben die ein­zi­ge siche­re Wissenschaft mit Goldenem Boden.

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