Menschen, die in der Drosten-Blase nicht vorkommen

»Es geht um vie­le klei­ne Alltagsentscheidungen. Wenn man zum Beispiel essen geht und die Frage auf­kommt: Sollen wir uns noch rein­set­zen, obwohl es drin­nen recht voll ist? Geht man rein oder sagt man: "Ja, es ist kalt, aber lasst uns doch noch eine Viertelstunde drau­ßen sit­zen und dann nach Hause gehen."«

Es soll hier nicht um die ver­schwur­bel­te Sprache von Christian Drosten gehen (mehr aus die­sem Kontext in "Ich bin abso­lut ersetz­bar."). Sondern dar­um, daß es in der Vorstellungswelt eines Bestverdienenden offen­bar kei­ne Menschen gibt, die sich noch nicht ein­mal eine sol­che däm­li­che Frage stel­len kön­nen. "Im Laufe des Jahres 2018 waren ca. 678.000 Menschen (Jahresgesamtzahl) in Deutschland ohne Wohnung." stellt die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e.V.  fest.

Ein Sozialarbeiter des Hamburger Stadtmagazins "Hinz&Kunzt" berich­tet:

»Wir erle­ben eine Verelendung von Menschen wie nie zuvor… Gäbe es Corona nicht, könn­ten die Menschen in den Tagesaufenthaltsstätten essen, sich waschen, sau­be­re Kleidung bekom­men und – ganz wich­tig – sich vom Straßenleben aus­ru­hen. Das geht in die­sen Zeiten so gut wie gar nicht. 

Unsere Arbeit als Sozialarbeiter*innen ist so schwie­rig wie nie zuvor. Das Hilfesystem ist mit Corona zusam­men­ge­bro­chen – und bis heu­te nur ein­ge­schränkt wie­der in Betrieb.

Und es ist augen­fäl­lig: Immer mehr Menschen auf der Straße flüchten in Alkohol und Drogen, weil sie für sich kei­ne Perspektiven erken­nen kön­nen. Immer häu­fi­ger wird, auch bei uns, der Krankenwagen geru­fen, in der Hoffnung, die Sanitäter*innen neh­men den Menschen zumin­dest erst mal mit und ver­sor­gen ihn rich­tig. Dass danach der Krankenwagen des­in­fi­ziert wer­den muss, bedeu­tet für die Helfer*innen zusätz­li­chen Stress und Zeitdruck. Auch die Polizei soll immer mehr das aus­ba­den, was bis­her ver­säumt wur­de und beson­ders in der Coronazeit sicht­bar wird: Sie ver­teilt Platzverweise und muss Schlafplatten auflösen.

Das Schlimme: Herbst und Winter ste­hen vor der Tür, und es gibt noch kei­ne Konzepte, wie es in der Obdachlosenhilfe wei­ter­ge­hen soll, um eine wei­te­re Verelendung zu verhindern…

Liebe Hamburgerinnen und Hamburger, gewöhnt euch nicht an die Verelendung von Menschen auf der Straße! Gewöhnt euch nicht dar­an, dass Menschen auf der Straße ster­ben. Gewöhnt euch nicht dar­an, dass Wohnungslose im Durchschnitt nur 49 Jahre alt wer­den. Glaubt nicht, dass sie ger­ne drau­ßen schla­fen, weil sie frei­heits­lie­bend sei­en. Alle suchen ein Zuhause – alle brau­chen ein Zuhause.«

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