Missing Link: Ausverkauf der Gesundheitsdaten im Namen der Forschung

Unter die­sem Titel ist am 26.3.23 auf hei​se​.de zu lesen:

»Der Streit über die Nutzung der Gesundheitsdaten der Bürger für ver­gleichs­wei­se vage Forschungszwecke ist in vol­lem Gange. Hierzulande box­te Ex-Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) 2019 das Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) gegen den Widerstand von Ärztegruppen, Daten- und Patientenschützern, Bürgerrechtlern und IT-Experten durch. Sensible Gesundheitsdaten aller rund 73 Millionen gesetz­lich Versicherten sol­len dazu pseud­ony­mi­siert an den Spitzenverband der gesetz­li­chen Krankenversicherung (GKV) und an das Forschungsdatenzentrum (FDZ) über­mit­telt wer­den, ohne dass die Betroffenen wider­spre­chen können…

Mit dem DGV [sic] und dem Ausbau der elek­tro­ni­schen Patientenakte (ePA), den Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) plant, dürf­te das Interesse am FDZ stei­gen. Schon mit der ePA wur­den gro­ße Hoffnungen ver­bun­den, viel­fäl­ti­ge gesund­heits­be­zo­ge­ne Daten vor allem aus Behandlungskontexten zusam­men­zu­füh­ren und per­spek­ti­visch das Einwilligungsmanagement für deren Weitergabe zu Forschungszwecken zu orga­ni­sie­ren. Die Akte hat laut den TAB-Forschern ein "beson­de­res Data-Mining-Potenzial", das zusätz­lich zu den medi­zi­ni­schen Behandlungsdaten nun auch die bei den Krankenkassen gespei­cher­ten Informationen sowie künf­tig "indi­vi­du­ell erho­be­ne Vitaldaten per­so­nen­be­zo­gen" gesam­melt wer­den könnten…

Die EU-Kommission [treibt] mit ihrem Vorschlag für einen European Health Data Space (EHDS) die ePA und das FDZ-Konzept seit dem Frühjahr 2022 in XXL und für alle Mitgliedsstaaten vor­an. Nutzer sol­len in dem Europäischen Gesundheitsdatenraum zunächst vor allem per­sön­li­che Befunde, Arztberichte, Röntgenbilder, Rezepte oder Informationen über Vorsorgeuntersuchungen spei­chern kön­nen. Forscher, Erfinder, öffent­li­che Einrichtungen und die Pharmabranche erhal­ten dem Plan nach Zugang zu den gesam­mel­ten "gro­ßen Mengen an Gesundheitsdaten von hoher Qualität". Dies sei für "die Entwicklung von lebens­ret­ten­den Behandlungen, Impfstoffen oder Medizinprodukten von ent­schei­den­der Bedeutung".

Besonders umstrit­ten am EHDS ist die vor­ge­se­he­ne kom­mer­zi­el­le "Sekundärnutzung" von Gesundheitsdaten, für die die Kommission eine brei­te Infrastruktur schaf­fen will. Sie soll den pri­mä­ren Einsatz der sen­si­blen Informationen durch Ärzte und Krankenhäuser ergän­zen. Zugangsstellen in den Mitgliedsstaaten kön­nen dem Vorschlag nach die ein­schlä­gi­gen Daten von "Inhabern" wie Medizinern und Krankenkassen anfor­dern, spei­chern und berech­tig­ten Dritten mit gro­ßem Ermessensraum zur Verfügung stel­len, nach­dem die­se einen ent­spre­chen­den Antrag gestellt haben. Die Kommission gebe vor, dem Einzelnen mehr Kontrolle über die eige­nen Daten zu geben, schreibt der Verein Patientenrechte und Datenschutz in einer Stellungnahme. Tatsächlich ent­zie­he sie ihm aber das Recht, "über deren Verwendung zu ent­schei­den". Eine Beteiligung am Gewinn aus der Nutzung ihrer Gesundheitsdaten sei für die Betroffenen nicht vor­ge­se­hen. Sie wür­den nicht dar­über infor­miert, wer ihre Informationen erhält, und erhiel­ten kein Widerspruchsrecht…

Der EHDS wür­de die ärzt­li­che Schweigepflicht und die berech­tig­ten Erwartungen der EU-Bürger an den Schutz der Privatsphäre "voll­stän­dig sabo­tie­ren", rügt [die Bürgerrechtsorganisation European Digital Rights] EDRi. Versicherungsunternehmen, die Pharmaindustrie und Big-Tech-Konzerne wie Google und Apple war­te­ten nur dar­auf, die Gesundheitsdaten der Europäer in die Finger zu bekom­men. Nutzer wür­den ermu­tigt, ver­füg­ba­re Messwerte mit sen­si­blen Informationen aus ande­ren Quellen wie Wellness-Apps oder Wearables "anzu­rei­chern", also ein umfas­sen­des Profiling ohne die von der Mehrheit der Bundesbürger gefor­der­te Zustimmung durch­zu­füh­ren. Solche weit­rei­chen­den Berechtigungen sei­en für daten­in­ten­si­ve Branchen Gold wert.

Die zen­tra­len Datenpools wür­den "die raf­fi­nier­te­sten Cyberkriminellen anzie­hen", war­nen die Aktivisten. Pseudonymisierung und Anonymisierung sei­en nicht genug: "Gesundheitsdaten sind so spe­zi­fisch, dass eine Re-Identifizierung tri­vi­al sein kann." Sie müss­ten mit den "höch­sten betrieb­li­chen und tech­ni­schen Sicherheitsstandards" geschützt wer­den. Eine Opt-out-Regelung, wie sie das EU-Parlament erwägt, sei "kei­ne ange­mes­se­ne Lösung". Der Widerspruchansatz wür­de "die Last des Wissens, des Verstehens und der Entscheidung in unan­ge­mes­se­ner Weise den Patienten auf­bür­den". Jede Weitergabe von Gesundheitsdaten an ande­re als die an der Behandlung betei­lig­ten Leistungserbringer müs­se frei­wil­lig erfol­gen…«

5 Antworten auf „Missing Link: Ausverkauf der Gesundheitsdaten im Namen der Forschung“

  1. Mit dem Datenschutz ist es genau­so wie mit dem Gesundheitsschutz und Umweltschutz: Essig.

    Retten vega­nes Essen, Radfahren und Elektroautos die Welt? Natürlich nicht. Zerstören Bergsteigen, Skifahren, Wandern und Heizen die Umwelt? Wer die­se Frage bejaht könn­te gen­aus­gut behaup­ten daß es mensch­li­che Bedürfnisse sind die den Planeten kaputt­ma­chen. Die logi­sche Konsequenz dar­aus wäre dann, daß die gan­ze Menschheit weg muß um die Umwelt zu ret­ten. Was natür­lich Käse ist. 

    Genauso ist es mit der Digitalisierung. Nur sind halt die der­zeit damit ver­bun­de­nen Ziele alles Andere als menschenfreundlich.

  2. "Im Gegensatz zum gerin­gen Kostenanteil ist die moder­ne Labordiagnostik zen­tra­ler Bestandteil der evi­denz­ba­sier­ten Medizin. So basie­ren knapp zwei Drittel aller kli­ni­schen Diagnosen maß­geb­lich auf Laboruntersuchungen."

    Verband der Diagnostica-Industrie, 2018.

    Heute dürf­te der Anteil deut­lich über 70 Prozent lie­gen. Da fal­len mas­siv per­sön­li­che Daten an wie

    Name, Geschlecht, Alter, Vortestwahrscheinlichkeit, Befunddaten …

    Wann wer­den die Daten gelöscht:

    "… Ansonsten wer­den Ihre Daten wie alle Befunddaten des Labors behan­delt und unter ärzt­li­chen Schweigepflicht nach Ablauf der ärzt­li­chen Aufbewahrungspflicht nach 10 Jahren gelöscht."

    Die pri­va­ten Labore, die wah­ren Daten-Goldgruben! Wer weiss schon, auf wel­chem "Daten-Friedhof", bei wel­chem Labor, sei­ne Daten des PCR-Tests auf ihre Verwesung nach 10 Jahren war­ten. Egal ob posi­ti­ves oder nega­ti­ves Ergebnis!?

    Und wie die Daten den Besitzer wech­seln steht in der "Weltwoche" – 30.07.2021

    "Laborkette Amedes geht an drei Infrastruktur-Investoren Omers, Goldman Sachs und Axa über­neh­men die Hamburger Laborkette. Der Kaufpreis liegt mit 1,5 Milliarden Euro offen­bar deut­lich über den Erwartungen."

    "Die Laboratoriumsmedizin hat sich inner­halb der letz­ten Jahre in unse­rem Gesundheitssystem von einem ver­sor­gungs­re­le­van­ten zu einem system­re­le­van­ten Fach fort­ent­wickelt." – Roche.

    Klingelt's!?

  3. Wir erin­nern uns ganz aktu­ell, wie schnell Linda Zervakis in der anony­mi­sier­ten Liste der Journalisten iden­ti­fi­ziert war.
    Anonymisierung ist tech­ni­scher Wunschglaube.

  4. Eigentlich könn­ten die­se Daten eine Art medi­zi­ni­sche Utopie ermöglichen.

    In kür­ze­ster Zeit wür­de zum Beispiel der feh­len­de Nutzen unzäh­li­ger Medikamente deutlich.

    Vorausgesetzt die Daten wären auch Menschen außer­halb die­ses faschi­sto­iden Komplexes zugänglich.

Schreibe einen Kommentar zu isnixgut Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert