Mit dem Wissen von heute…

… wür­de man dabei eine Mas­ke tragen:

»Umstrit­te­ner Nervenarzt
Der Mann mit dem Eispickel
In Minu­ten­schnel­le woll­te der US-Medi­zi­ner Wal­ter Free­man sei­ne Pati­en­ten von Depres­sio­nen, Schi­zo­phre­nie und ande­ren Erkran­kun­gen hei­len. Sei­ne Instru­men­te: ein Eis­pi­ckel und ein Ham­mer. Tau­sen­den Pati­en­ten ramm­te er sein Werk­zeug in die Augen­höh­le – und ent­las­te­te damit die Staats­kas­se.«

spie​gel​.de (28.2.14)

aerz​te​blatt​.de hat sei­ne Erkennt­nis­se von 2008 ver­ges­sen. Damals war zu lesen:

»Der Auf­stieg des „Lobo­to­mis­ten“ Wal­ter J. Free­man ist eine Para­bel des Miss­brauchs von Wis­sen­schaft, der Hybris eines Arz­tes und vor allem der Kri­tik­lo­sig­keit von Öffent­lich­keit und Fachkollegen.

Der Heil­kun­di­ge setz­te unter den erwar­tungs­vol­len Bli­cken sei­ner Kol­le­gen das Instru­ment an. Der Pati­ent war nur ober­fläch­lich betäubt, doch er reg­te sich kaum, aus Angst oder aus sei­ner Grund­dis­po­si­ti­on her­aus, die von den sich um ihn grup­pie­ren­den Ärz­ten mit Begrif­fen wie „beses­sen“ oder „stumpf­sin­nig“ beschrie­ben wur­de. Mit einem geschick­ten Griff trieb der Mann, an des­sen Bewe­gun­gen die ande­ren Ver­tre­ter sei­ner Kunst mit atem­lo­ser Span­nung hin­gen, das schlan­ke Stück Metall knapp ober­halb des Bul­bus durch die Orbi­ta. Als die Spit­ze der knapp fin­ger­di­cken Son­de an das Orbi­ta­dach stieß, griff der Heil­kun­di­ge zu einem klei­nen Holz­ham­mer. Zwei‑, drei­mal schlug er zu, dann über­wand das Instru­ment den Kno­chen und fuhr, sicht­lich von jedem Wider­stand befreit, ins Gehirn des Pati­en­ten ein. Mit ein paar schnel­len Bewe­gun­gen rotier­te der Heil­kun­di­ge den Metall­stab in die­sem Ziel­or­gan sei­ner Bemü­hun­gen, dann zog er das Stück Metall wie­der zurück, aus dem Zere­brum, aus der Orbi­ta und ver­kün­de­te mit einer kur­zen Bemer­kung zu sei­nem Publi­kum hin sei­ne Über­zeu­gung, dass der ent­schei­den­de Schritt zur Hei­lung des Pati­en­ten von sei­ner geis­ti­gen Umnach­tung getan sei…

Für rund ein Jahr­zehnt, von den frü­hen 40er- bis in die Mit­te der 50er-Jah­re hin­ein kün­de­ten die Schlag­zei­len der Zei­tun­gen von den Wun­der­hei­lun­gen des Dr. Wal­ter J. Free­man, saßen Psych­ia­ter, Neu­ro­lo­gen und Ärz­te ande­rer Fach­rich­tun­gen atem­los bei sei­nen Demons­tra­tio­nen, vie­le von ihnen begeis­tert. Die­je­ni­gen, die Free­man und sei­ne Metho­de ablehn­ten, pfif­fen ihn gele­gent­lich auf Kon­gres­sen aus; ihn in der Öffent­lich­keit anzu­grei­fen, wag­te nie­mand, vie­le Jah­re nicht. Denn Wal­ter J. Free­man war der Hoff­nungs­trä­ger für unzäh­li­ge Fami­li­en mit psy­chisch kran­ken Ange­hö­ri­gen und der Lieb­ling der Pres­se. Wal­ter J. Free­man war der Lobotomist.

Die Saga Free­mans und sei­ner Metho­de, die er nicht erfand, doch mit der sein Name für immer ver­knüpft bleibt, erzählt nicht nur von einer der dra­ma­tischs­ten Irrun­gen in der jün­ge­ren Medi­zin­ge­schich­te. Sie ist auch eine Para­bel des Miss­brauchs von Wis­sen­schaft, der Hybris eines die Medi­en per­fekt für sei­ne Zwe­cke ein­set­zen­den Arz­tes und vor allem einer erschüt­tern­den Kri­tik­lo­sig­keit der Öffent­lich­keit und vor allem der Fachkollegen…

Aus der Nach­schau her­aus wirkt es gera­de­zu unglaub­lich, wie lan­ge Free­man sei­ne tran­s­or­bi­ta­le Lobo­to­mie pro­pa­gie­ren konn­te – und dass die medi­zi­ni­schen Fach­ge­sell­schaf­ten jah­re­lang kei­ne Anstren­gun­gen unter­nah­men, ihn an sei­nem oft jed­we­den chir­ur­gi­schen und hygie­ni­schen Grund­sät­zen Hohn spre­chen­den Trei­ben zu hindern…

Auch Pro­mi­nen­te mit „Pro­blem­fäl­len“ in der Fami­lie gehör­ten bald zu jenen, die von der Lobo­to­mie wenn nicht Hei­lung, so doch Sedie­rung erwar­te­ten. Der berühm­tes­te Fall war die Toch­ter eines schwer­rei­chen Geschäfts­manns und Sozi­al­auf­stei­gers, der kurz­fris­tig Bot­schaf­ter der USA in Groß­bri­tan­ni­en war: Joseph P. Ken­ne­dy. Rose­ma­ry Ken­ne­dy war das Ant­litz, das in der Gale­rie stets sie­ges­ge­wiss lächeln­der Ken­ne­dys fehl­te. In der gro­ßen Zeit von Ame­ri­kas qua­si­roya­ler Fami­lie, wäh­rend des Auf­stiegs des Sena­tors John F. Ken­ne­dy und schließ­lich in den tau­send Tagen sei­ner Prä­si­dent­schaft waren die Fami­li­en­mit­glie­der der Öffent­lich­keit wohl­be­kannt – bis auf Rose­ma­ry Ken­ne­dy. Für Bio­gra­fen der Fami­lie steht indes nicht ein­deu­tig fest, ob die 1918 gebo­re­ne Rose­ma­ry wirk­lich als geis­tig behin­der­tes Kind zur Welt kam oder ob sie nur ein non­kon­for­mis­ti­sches Mäd­chen war, das die Lebens­ma­xi­me der Ken­ne­dys, immer kom­pe­ti­tiv sein, immer sie­gen zu müs­sen, für sich ablehn­te. Wahr­schein­lich hat sie an Dys­le­xie gelit­ten und mög­li­cher­wei­se Pro­ble­me mit ihrer Sexua­li­tät gehabt, ein The­ma, das für ihre streng­gläu­bi­ge Mut­ter Rose ein Tabu war. Joseph Ken­ne­dy ver­an­lass­te 1941 die damals noch prä­fron­tal durch­ge­führ­te Lobo­to­mie bei Free­man. Die Ope­ra­ti­on ende­te in einer Kata­stro­phe und ließ Rose­ma­ry mit dem Intel­lekt eines Klein­kinds zurück. Mit dem poli­ti­schen Auf­stieg der Fami­lie wur­de ihre Exis­tenz negiert oder mit Fehl­in­for­ma­tio­nen beschö­nigt. Als sich die Prä­si­dent­schafts­kan­di­da­tur John F. Ken­ne­dys andeu­te­te, wur­de einem Bio­gra­fen des Kan­di­da­ten in Inter­views der Ein­druck ver­mit­telt, als sei Rose­ma­ry in einen Orden ein­ge­tre­ten und „wid­me ihr Leben den Kran­ken und Lei­den­den“. Rose­ma­ry Ken­ne­dy, eine Frau abseits des Glan­zes der Fami­lie, doch Teil ihrer Tra­gö­di­en, starb im Janu­ar 2005 im Alter von 86 Jah­ren…«
aerz​te​blatt​.de (2008)

16 Antworten auf „Mit dem Wissen von heute…“

  1. Na, und durch wel­chen Namen erset­zen wir Free­man im Jahr 2023? Ich den­ke da an eini­ge Rit­ter­kreuz, nein Bun­des­ver­dienst­kreuz­trä­ger der letz­ten Jahre.

  2. In «häm­mern­der Trance»:

    «Wie kommt es zu Ver­bre­chen in der Medizin?

    [Beschrei­bung des obi­gen Bil­des von Dr. med. Hel­mut Jäger:]

    Da häm­mert jemand mit einem pri­mi­ti­ven Küchen­ge­rät in die kom­ple­xes­te Struk­tur eines Men­schen hinein. 

    Sieht nie­mand der Betei­lig­ten? War­um erschau­ern sie nicht oder gru­seln sich? Viel­leicht des­halb, weil nie­mand das Über­deut­li­che (ein „Ele­fant im Raum“) anzu­spre­chen wagt?

    Die Ärz­te, Pfle­ger und Schwes­tern wir­ken nicht abge­stumpft, son­dern auf­merk­sam und inter­es­siert an die­sem Hei­lungs­ri­tu­al bei, das auf aktu­ells­ter Exper­ten­mei­nung beruht. Sie strah­len Bewun­de­rung, Ehr­furcht und Glau­ben aus, und sind fas­zi­niert, wie etwas Hoch-Kom­ple­xes (die glit­schi­ge Hirn­mas­se im Schä­del) so kon­se­quent ein­fach und geni­al repa­riert wer­den kann.

    Free­man selbst kann den von ihm ver­ur­sach­ten Blöd­sinn natür­lich nicht erken­nen, weil er sich „häm­mernd“ in Trance befin­det. Und gera­de die­se abso­lut erschei­nen­de Selbst­ge­wiss­heit wahn­haf­ten Han­delns zieht die Umste­hen­den in den Bann sei­nes pseu­do-wis­sen­schaft­li­chen Glaubensmodells.

    Mit­ge­fühl mit dem Opfer hat, ange­sichts der ratio­na­len Auto­ri­tät der „Emi­nence based medi­ci­ne“, nur noch sei­nen Platz in der Ges­te der hel­fen­den Hän­de, die dem Opfer ver­mit­teln sol­len, dass jetzt „sicher alles gut werde“.»

    https://​www​.medi​zi​ni​sches​-coa​ching​.net/​m​e​d​i​z​i​n​/​u​r​s​p​r​u​n​g​-​d​e​r​-​h​e​i​l​k​u​n​s​t​/​m​e​d​i​z​i​n​_​k​a​t​a​s​t​r​o​p​h​e​n​.​h​tml

  3. Wer macht den Anfang, und zieht die Par­al­le­len zum gro­ßen Viro­lo­gen Dros­ten, dem welt­be­rühm­ten Epi­de­mio­lo­gen Lau­ter­bach und dem Hüh­ner­dok­tor mit der Fönfrisur?

    1. @ King Nothing:

      Oder auch Haarp. Haarp kann das auch mit elek­tro­ni­schen Wel­len. Haarp ELF kann alles Mög­li­che aus­lö­sen. Man­che behaup­ten, Haarp kön­ne sogar Erd­be­ben oder Pipe­line-Spren­gun­gen auslösen.

      Die Fra­ge ist, war­um hat man dann den umständ­li­chen Weg über gif­ti­ge mRNA-Sprit­zen gewählt, wenn doch phy­si­ka­lisch-prä­pa­rier­te seis­mo­lo­gi­sche Waf­fen das­sel­be in viel kür­ze­rer Zeit schaf­fen? Der Nach­teil von Haarp ist aller­dings, es wird zu viel Bau­sub­stanz in Schutt und Asche gelegt. Bei "Imp­fun­gen" und deren Schä­den braucht es nur ein paar mehr Sär­ge. Die Opfer ster­ben geräusch­lo­ser, unauf­fäl­li­ger und lei­ser und vor allen Din­gen zeit­lich versetzt.

      So kommt die Pro­duk­ti­on von Sär­gen annä­hernd noch hinterher.

  4. Die Rekord­hal­ter in Sachen Lobo­to­mie, in rela­ti­ven Zah­len, waren übri­gens nicht die die USA, son­dern … Schweden (!)

    Bereits 1950 wur­de Lobo­to­mie in einem Staat als "den Prin­zi­pi­en der Huma­ni­tät wider­spre­chend" ver­bo­ten (*), und auch in West­deutsch­land mei­nes Wis­sens nie praktiziert.

    (*: Es war aus­ge­rech­net das "Reich des Bösen" (R. Rea­gan) – die UdSSR)

  5. Mit dem Wis­sen von heute…

    …wür­de jemand eine wirk­sa­me wie auch siche­re mRNA-Imp­fung gegen Depres­sio­nen und Schi­zo­phre­nie entwickeln.

    P.S.: Ugur, falls Du hier mit­liest: ver­giss es ganz schnell wieder!

  6. Wäre es in diesen 3 Jahren um die Rettung von Menschenleben gegangen, würden seit Wochen abendlich #ARD-Brennpunkte laufen und ein Heer von Wissenschaftlern würde nach Ursachen suchen sagt:
    1. @Wäre es…: Ich bin gegen vor­ei­li­ges Ver­men­gen von Kor­re­la­ti­on und Kau­sa­li­tät. Die­je­ni­gen, die die "Imp­fung" als Grund für die Über­sterb­lich­keit anse­hen, müs­sen den rapi­den Rück­gang im Früh­jahr 2021 erklä­ren. Ich hal­te das Gesche­hen immer noch für kom­plex und nicht mono­kau­sal erklär­bar. Wie kommt es zu dem Peak Ende 2022, als die "Impf­kam­pa­gne" bis auf den vier­ten Stich schon lan­ge zum Erlie­gen gekom­men war?

  7. spass­kul­tur, sys­te­me­le­fant. Retweeted
    Mar­cus Franz
    @M_T_Franz
    Prof Weiss: immer schon einer der kom­pe­ten­tes­ten Kol­le­gen in den Fra­gen der #Pan­de­mie gewe­sen. (Sei­ne und mei­ne med. Mei­nung haben sich btw die meis­te Zeit gedeckt )
    Trans­la­te Tweet
    https://​pbs​.twimg​.com/​m​e​d​i​a​/​F​p​l​W​-​c​c​W​I​A​E​9​C​Z​z​?​f​o​r​m​a​t​=​j​p​g​&​n​a​m​e​=​m​e​d​ium
    4:15 PM · Feb 22, 2023
    https://​twit​ter​.com/​M​_​T​_​F​r​a​n​z​/​s​t​a​t​u​s​/​1​6​2​8​4​2​8​3​8​0​3​9​8​9​1​9​6​8​1​?​c​x​t​=​H​H​w​W​g​o​C​9​v​f​6​-​q​5​k​t​A​AAA

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