Niedersachsen verpflichtet Pflegekräfte zu Zwölfstundenschichten

»Privatisiert, aus­ge­dünnt, radi­kal "kosten­op­ti­miert": Mit mie­sen Arbeitsbedingungen bezah­len Pflegekräfte in Kliniken und Seniorenheimen für den jahr­zehn­te­lan­gen Abbau staat­li­cher Gesundheitsfürsorge. Der poli­tisch ver­ant­wor­te­te Pflegenotstand droht mit Corona zum Gesundheitsdesaster zu wer­den. Das Sozialministerium Niedersachsens begeg­net dem Problem mit einem Angriff auf Arbeitsrechte. Per Allgemeinverfügung hat es den einst von Arbeitern hart erkämpf­ten Achtstundentag für Pflegende zum zwei­ten Mal vor­über­ge­hend abge­schafft und Zwölfstundenschichten zum Normalfall erklärt. Die Pflegekammer schlägt Alarm.

Faktisch gilt in Pflegeberufen die gesetz­li­che Höchstarbeitszeit von acht Stunden täg­lich und 48 Stunden pro Woche. Nur in Ausnahmefällen kann die Tagesarbeitszeit vor­über­ge­hend auf zehn Stunden ange­ho­ben wer­den. Vorerst bis zum 31. Mai 2021 ist das in Niedersachsen Geschichte: Pflegekräfte dür­fen dort nun bis zu zwölf Stunden pro Tag und 60 Stunden pro Woche malochen.

Die Verfügung rege­le weder Ausgleichsstunden noch eine finan­zi­el­le Entschädigung für die Mehrarbeit, kri­ti­siert die nie­der­säch­si­sche Pflegekammerpräsidentin Nadya Klarmann am Montag via Pressemitteilung. Lediglich ein Ersatzruhetag inner­halb von acht Wochen für Sonn- und Feiertagsschichten sei vor­ge­se­hen. Das Land habe es "mona­te­lang ver­schla­fen", medi­zi­ni­sche Einrichtungen auf die erwart­ba­ren Pandemiefolgen vor­zu­be­rei­ten. "Jetzt sol­len wie­der die Beschäftigten in den system­re­le­van­ten Bereichen unter Einsatz ihrer Gesundheit die Situation ret­ten", so Klarmann. Die Landesregierung habe sie dazu nicht ein­mal angehört.

Sie hält das Vorgehen für nicht akzep­ta­bel. "Schon jetzt bedeu­ten Achtstundenschichten in vol­ler Schutzausrüstung eine extre­me Belastung", erläu­ter­te sie. Auf die­se Weise sei kein neu­es Personal zu gewin­nen, im Gegenteil: Pflegende wür­den noch stär­ker aus dem Beruf getrie­ben. Sie for­dert vom Land Niedersachsen, die Verfügung "umge­hend zu wider­ru­fen". Das Gesundheitssystem wer­de nicht zusam­men­bre­chen, weil Betten und Beatmungsgeräte feh­len, "son­dern weil Fachkräfte in einer nie zuvor dage­we­se­nen Weise ver­heizt wer­den", sag­te sie.

Der nie­der­säch­si­sche Landesverband der Partei Die Linke ist eben­falls ent­rü­stet. Vorbei an Parlament und Betroffenen hebe­le die Landesregierung Arbeitsrechte aus, rüg­te deren Vorsitzender Lars Leopold am Dienstag in einer Stellungnahme. Und die Linke-Bundestagsabgeordnete Pia Zimmermann stell­te klar: Die Leidtragenden sei­en Beschäftigte, Patienten und Bewohner. Dem seit lan­gem bekann­ten Personalmangel müs­se anders begeg­net wer­den. Es sei­en "Anreize zu schaf­fen, um die bun­des­weit rund 400.000 aus­ge­bil­de­ten Fachkräfte zurück­zu­ge­win­nen, die ihren Beruf auf­grund mie­ser Arbeitsbedingungen und schlech­ter Entlohnung auf­ge­ge­ben haben", so Zimmermann.«

Das berich­tet am 4.11. die jun­ge Welt. Schön, daß die Linkspartei sich jetzt enga­giert. Dumm, daß sie den ent­spre­chen­den Vollmachten im Bundestag zuge­stimmt hat.

3 Antworten auf „Niedersachsen verpflichtet Pflegekräfte zu Zwölfstundenschichten“

  1. Die Situation im Pflegebereich wird mit ver­schie­de­nen Maßnahmen gezielt verschärft:

    - zum einen wird die eh zu knap­pe Personaldecke aus­ge­dünnt, indem gesun­de, lei­stungs­fä­hi­ge und lei­stungs­wil­li­ges Personal durch den "Wirrologen-Test" in Zwangsquarantäne geschickt wird

    - damit wird die Situation für die sowie­so schon über Gebühr bela­ste­ten, arbei­ten­den Pflegekräfte noch wei­ter zugespitzt

    - die jah­re­lan­ge Personalreduktion, Verschlechterung der Arbeitsbedingungen, Missachtung, Unterbezahlung der Pflegekräfte wird wei­ter­ge­trie­ben, kei­ner­lei Anzeichen für Änderungsabsichten

    - in der aktu­ell geschür­ten Situation wer­den Pflegekräfte kaum wagen, für ihre Rechte deut­lich auf die Straße zu gehen, gar zu strei­ken. Es ist sogar vor­stell­bar, dass gegen Streiks "wegen Corona" mili­tä­risch vor­ge­gan­gen wer­den würde

    - man mutet den zwar im Frühjahr beklatsch­ten, mit einem Nasenwasser an Einmalzahlung abge­spei­sten Personal immer mehr zu

    Ziel ist es mE, wie auch in allen ande­ren Bereichen des gesell­schaft­li­chen Lebens, die Situation uner­träg­lich zuzu­spit­zen. Die Politik zielt dar­auf ab, Chaos zu erzeu­gen, pro­vo­ziert Gewalt, über­la­stet alle Strukturen und alles Menschliche in uner­träg­li­chem Maße.

    … und die Medien beglei­ten die­se uner­träg­li­che Entwicklung mit dem Ruf nach noch mehr Zumutung, nach noch mehr Einschränkung, nach noch här­te­rern "Maßnahmen", und ver­bellt jeden ver­nünf­ti­gen Kritiker mit übel­ster Dennunziation, Beleidigungen, Häme, übler Nachrede, Vernichtung der Reputation und gesell­schaft­li­chen Anerkennung

  2. Das ist dann wohl der Masterplan, um das Gesundheitssystem zum kol­la­bie­ren zu brin­gen, nicht durch zu vie­le Coronapatienten, son­dern durch syste­ma­ti­sche Zerstörung der Pflegekräfte. Am Ende wird die Regierung recht behal­ten und ein­tre­ten, was sie ein hal­bes Jahr lang schon pro­phe­zeit haben. Aber wie man es auch dreht – eine gemach­te Katastrophe.

  3. 21.05.2021, 12:27 Uhr | dpa | t‑online.de

    Niedersachsen kas­siert Aufhebung der Maskenpflicht wie­der ein

    Niedersachsen woll­te die Maskenpflicht im Einzelhandel für Kreise mit nied­ri­ger Inzidenz auf­he­ben. Die Kritik war groß, jetzt ver­kün­det die Gesundheitsministerin: Es soll doch nicht dazu kommen. 

    Das Land Niedersachsen hat offen­bar das Ende der Maskenpflicht im Einzelhandel in Gebieten mit nied­ri­ger Inzidenz gekippt. Landesgesundheitsministerin Daniela Behrens (SPD) twit­ter­te am Mittwoch: "Es wird kei­ne Aufhebung der Pflicht zur Mund-Nasen-Bedeckung in Niedersachsen geben." (…)

    Ärztegewerkschaft warnt vor Maskenlockerungen 

    Die Ärztegewerkschaft Marburger Bund Niedersachsen hat­te vor einer vor­ei­li­gen Lockerung der Maskenpflicht gewarnt. Ein sol­cher Schritt sei denk­bar, wenn der Anteil der voll­stän­dig geimpf­ten Menschen in Niedersachsen 80 Prozent errei­che – oder alle Impfwilligen sich hät­ten imp­fen las­sen kön­nen, sag­te Hans Martin Wollenberg, der Vorsitzende des nie­der­säch­si­schen Landesverbandes des Marburger Bundes, am Freitag in Hannover. Derzeit sei­en lan­des­weit aber erst rund elf Prozent der Menschen voll­stän­dig gegen das Coronavirus geimpft. 

    "Wir dür­fen das Erreichte nicht aufs Spiel set­zen. Wer jetzt die Maskenpflicht lockert, gefähr­det die­je­ni­gen, die noch kei­ne Impfung erhal­ten haben", beton­te Wollenberg. Darunter sei­en bei­spiels­wei­se auch die Beschäftigten des Einzelhandels und Kinder. Marburger-Bund-Vize Andreas Hammerschmidt mach­te klar, Virus-Mutanten wie die indi­sche Variante lie­ßen sich nur mit einer hohen Impfrate in Schach hal­ten: "Solange wir die­se nicht erreicht haben, führt am Maske tra­gen kein Weg vorbei." 

    https://www.t‑online.de/nachrichten/deutschland/id_90075788/nach-kritik-niedersachsen-kassiert-aufhebung-der-maskenpflicht-wieder-ein.html

    21.05.2021 | der tagesspiegel 

    Die nie­der­säch­si­sche Gesundheitsministerin Daniela Behrens twit­tert, man wer­de sol­chen Überlegungen nicht fol­gen. "Es wird kei­ne Aufhebung der Pflicht zur Mund-Nasen-Bedeckung in Niedersachsen geben. Mund-Nasen-Bedeckung ret­tet Leben." 

    https://m.tagesspiegel.de/politik/lockerungen-in-laendern-niedersachsen-bleibt-doch-bei-maskenpflicht/27211694.html

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