Novalis-Experte: Romantiker sind nicht schuld an Impflücke

Diese wich­ti­ge Richtigstellung ist am 26.4. auf stern​.de zu lesen.:

»Der Literaturwissenschaftler Herbert Uerlings hat davor gewarnt, die rela­tiv nied­ri­ge Impfquote in Deutschland auf die Tradition der Romantik zurückzuführen…

Der Literaturkritiker Volker Weidermann hat­te Ende Dezember in der «Zeit» geschrie­ben, Novalis sei «schuld an der deut­schen Impflücke» und an der «deut­schen Liebe zum Irrationalismus». Der bei Anthroposophen beson­ders belieb­te Dichter galt lan­ge Zeit als todes­süch­ti­ger Schwärmer und mystisch ent­rück­ter Poet der Liebe, der die Aufklärung wie­der ver­ab­schie­det habe…«

Andererseits…

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14 Antworten auf „Novalis-Experte: Romantiker sind nicht schuld an Impflücke“

  1. Andererseits hat der Zeitgenosse Hölderlin die Deutschen damals schon tref­fend cha­rak­te­ri­siert. Vgl. den Rubikon-Artikel "Tatenarm und gedan­ken­voll: Friedrich Hölderlins Charakterisierung der Deutschen ver­blüfft mit ihrer Präzision bis in die Gegenwart" vom 12. April 2022.

    "Barbaren von alters her, durch Fleiß und Wissenschaft und selbst durch Religion bar­ba­ri­scher gewor­den, tief­un­fä­hig jedes gött­li­chen Gefühls, ver­dor­ben bis ins Mark der hei­li­gen Grazien, in jedem Grad der Übertreibung und der Ärmlichkeit belei­di­gend für jede gut­ge­ar­te­te Seele, dumpf und har­mo­nie­los, wie die Scherben eines weg­ge­wor­fe­nen Gefäßes (…)"

    1. Nichts da, "Die Deutschen". Hölderlin sprach vom deut­schen Mann.

      Gottseidank waren Frauen damals noch nicht mitgemeint.

      Das Patriarchat hat manch­mal auch schö­ne Seiten.

  2. Hohles Gefasel wie das über "die rela­tiv nied­ri­ge Impfquote in Deutschland auf die Tradition der Romantik zurück­zu­füh­ren", könn­te aller­dings zutref­fen, vor­aus­ge­setzt natür­lich das ver­brei­te­te Bild der Romantik wäre zutreffend.

    Wirklich: Worüber reden die­se anti-empi­risch ver­an­lag­ten und evi­denz-resi­sten­ten Schwachköpfe eigentlich?

    Zum Vergleich die "Impf"-Quote Deutschland mit Ländern in mit­tel­ba­rer und unmit­tel­ba­rer Nachbarschaft (zwei-/ dreifach):

    Polen: 59,3%/ 31,4%

    Tschechien: 64,0%/ 38,7%

    Ungarn: 64,3%/ 43,0%

    Schweiz: 68,8%/ 42,6%

    Niederlande: 72,2%/ 54,0%

    Deutschland: 76,1%/ 59,2%

    Finnland: 77,8%/ 52,4%

    Frankreich: 77,9%/ 55,2%

    Irland: 80,7%/ 59,8%

    Dänemark: 82,6%/ 62,4%

    Alles nach: corona-in-zahlen.

  3. wären alle auf­ge­klärt, ver­lie­ßen sich also nicht auf Experten, die für sie Verstand haben, und Ärzte, die für sie den Impfstoff beur­tei­len, wäre kei­ner geimpft. Es gäbe also wirk­lich kei­ne Impflücke: Ohne Impfung kei­ne Lücke. Aber bei die­ser Liebe zum Irrationalismus…

  4. @Bürstchen: Vielen Dank für den Link – dort habe ich auch noch ein sehr schö­nes Gedicht gefunden:

    Wer Schmetterlinge lachen hört von Carlo Karges, Rockband Novalis

    Wer Schmetterlinge lachen hört,
    der weiß, wie Wolken schmecken
    der wird im Mondschein, ungestört
    von Furcht die Nacht entdecken.

    Der wird zur Pflanze, wenn er will,
    zum Tier, zum Narr, zum Weisen,
    und kann in einer Stunde
    durchs gan­ze Weltall reisen.

    Er weiß, dass er nichts weiß,
    wie alle andern auch nichts wissen,
    nur weiß er, was die anderen
    und er noch ler­nen müssen.

    Wer in sich frem­de Ufer spürt,
    und Mut hat sich zu recken,
    der wird all­mäh­lich ungestört
    von Furcht sich selbst entdecken.

    Abwärts zu den Gipfeln
    sei­ner selbst blickt er hinauf,
    den Kampf mit sei­ner Unterwelt
    nimmt er gelas­sen auf.

    Wer Schmetterlinge lachen hört,
    der weiß, wie Wolken schmecken,
    der wird im Mondschein, ungestört
    Von Furcht die Nacht entdecken.

    Wer mit sich selbst in Frieden lebt,
    der wird genau­so sterben
    und ist selbst dann lebendiger
    als alle sei­ne Erben.

  5. Darüber muss­te ich eine Nacht schla­fen, um reagie­ren zu kön­nen. Denn einer­seits ist was dran, dass die Impfskepsis auf die Romantik zurück­geht (etwa bei den Anthroposophen), ande­rer­seits sind es gera­de die Aufgeklärten und gut Informierten, die die Spritze ableh­nen. Romantik und Aufklärung, eigent­lich Gegensätze, weil Rationalität und Irrationalität, kon­ver­gie­ren hier also. Wie kann das sein? 

    Die Lösung bie­ten Adorno und Horkheimer mit ihrer Dialektik der Aufklärung. Zu unter­schei­den sind die ein­fa­che, nai­ve Aufklärung eines Professor Lauterbach, nach der "die Wahrheit in sehr vie­len Fällen zum poli­ti­schen Tod" führt. Professor Lauterbach zieht also das Leben mit der Lüge dem poli­ti­schen Tod vor. 

    Dagegen steht Novalis' roman­ti­sche Liebe zur Wahrheit: "Wer die Wahrheit ver­rät, ver­rät sich selbst".

    Die Aufklärung fin­det zu die­ser Wahrheit, indem sie sich über sich selbst auf­klärt: Sie bleibt ein­sei­tig und wird falsch, solan­ge sie sich gegen die Romantik und das Irrationale stellt. Sie wird wahr, indem sie die­se ihre Einseitigkeit erkennt und sich ein­ge­steht, dass sie selbst aus der Liebe zur Wahrheit her­vor­ge­gan­gen ist und somit im Irrationalen wurzelt. 

    Es ist die­se aus der Liebe zur Wahrheit gebo­re­ne Aufklärung, die sich für das freie Denken, die freie Rede und etwa auch die freie Impfentscheidung einsetzt. 

    Die ein­sei­ti­ge, zwang­haf­te Aufklärung hängt dage­gen an Meinungen und Dogmen, die sie für wis­sen­schaft­lich hält und die des­halb nicht hin­ter­fragt wer­de dür­fen. Sie ver­engt die Wissenschaft auf Schulwissen, auf ein star­res Lehrgebäude, auf hal­be Wahrheiten und blen­det alles ande­re und damit auch die ande­re Hälfte der Wahrheit aus. Die Vertreter die­ser ande­ren Hälfte der Wahrheit gel­ten ihr dann als Wissenschafts- und Wahrheitsfeinde, was die­se gera­de nicht sind. Und so wird dem ein­sei­tig Aufgeklärten Freiheit zu Zwang, Wahrheit zu Lüge und Liebe zu Hass. 

    Und wehe, sie kom­men an die Macht. Dann strahlt erneut die voll­ends auf­ge­klär­te Erde im Zeichen tri­um­pha­len Unheils.

  6. Die Rhein Necker Zeitung fügt hin­zu: ganz im Gegenteil, Novalis war schon damals pro Impfung!

    https://​www​.rnz​.de/​k​u​l​t​u​r​-​t​i​p​p​s​/​k​u​l​t​u​r​_​a​r​t​i​k​e​l​,​-​d​i​c​h​t​e​r​-​n​o​v​a​l​i​s​-​b​e​g​a​n​n​-​v​o​r​-​2​5​0​-​j​a​h​r​e​n​-​d​i​e​-​a​n​t​i​-​m​o​d​e​r​n​e​-​_​a​r​i​d​,​8​7​8​8​3​0​.​h​tml

    "Novalis wuss­te, wie gefähr­lich Pockenviren sind, denn zwei Familienmitglieder star­ben dar­an. Die Grundidee der Impfung ent­spricht genau sei­nem Denkansatz, den er "Ordo inver­sus" nann­te: Man muss die Reflexion durch Reflexion auf­he­ben, Krankheit mit Krankheit aus­rot­ten. Nach Impfskepsis sieht das nicht aus."

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