Pandemie-Meldewesen: Deutschland im Corona-Blindflug

Prof. Dr. Bertram Häussler ist Vorsitzender der Geschäftsführung des IGES Instituts. Dieses beschreibt sich als "unab­hän­gi­ges, pri­vat­wirt­schaft­li­ches Forschungs- und Beratungsinstitut für Infrastrukturfragen" und als "Wissensunternehmen". Es wird somit nicht inter­es­se­los das Thema erör­tert. Prof. Häussler schreibt unter obi­gem Titel am 15.1 auf aerz​te​zei​tung​.de:

»Berlin. Im neu­en Jahr scheint alles noch viel schlim­mer: So berich­tet etwa die „FAZ“ am 14. Januar: „Abermals neu­er Höchststand an Corona-Todesfällen. Binnen 24 Stunden wur­den 1244 wei­te­re Todesfälle gezählt, wie das Robert Koch-Institut unter Berufung auf die Gesundheitsämter mit­teil­te.“ Was aber, wenn sich die zitier­ten 1244 Todesfälle gar nicht in den ver­gan­ge­nen 24 Stunden ereig­net haben? Was aber, wenn die­se Zahlen rund vier Wochen alt sind und jetzt erst beim RKI „akten­kun­dig“ werden?

Leider ist es genau so: Zwischen dem Zeitpunkt, an dem sich die Todesfälle ereig­nen, und dem Meldetag ver­ge­hen etwa vier Wochen. Das zeigt eine Analyse des IGES Pandemie Monitors. Danach sind zwi­schen dem 1. November und dem 14. Dezember die täg­li­chen Meldungen des Robert Koch-Instituts (RKI) deut­lich hin­ter den tat­säch­lich ein­ge­tre­te­nen Todesfällen zurück­ge­blie­ben. Der Meldeverzug erreich­te damals eine Größe von über 7000 Todesfällen. Dieser Stau wur­de dann im neu­en Jahr qua­si auf­ge­ar­bei­tet, was zwi­schen dem 7. und dem 8. Januar dann geschafft war.

Wir bekom­men also durch die Meldungen des RKI nicht das gezeigt, was heu­te der Fall ist, son­dern das, was vor Weihnachten der Fall war: also die Zeit, in der die Verantwortlichen von Bund und Ländern den drit­ten Lock-down ange­ord­net hatten.

Bankrotterklärung der Berichtssysteme

Und was ist heu­te los? Geht die Zunahme der Sterbefälle ein­fach so wei­ter oder wirkt der Lockdown nicht wenig­stens ein bisschen?

Die ehr­li­che Antwort ist: Wir wis­sen es schlicht­weg nicht, weil uns unse­re offi­zi­el­len Berichtssysteme weit­ge­hend im Stich las­sen. Die Sterbezahlen wer­den immer noch mit einem gro­ßen Verzug gemel­det. Hinzu kommt, dass sich das deut­sche Gesundheitswesen in Bezug auf die Meldung der Corona-Zahlen seit dem 24. Dezember eine wirk­lich lan­ge Pause gegönnt hat. Sogar noch am 8. Januar muss­te das RKI dar­auf hin­wei­sen, dass sei­nen tages­be­zo­ge­nen Angaben nicht zu trau­en ist. Dadurch sind schät­zungs­wei­se 60.000 Fälle nicht gemel­det worden.

Diese haben aber dann zu wei­te­ren Infektionen geführt, die nun ent­deckt wer­den. Die Fälle stei­gen. Aber sie neh­men auch zu, weil Urlaubsrückkehrer im sechs­stel­li­gen Bereich neue Fälle gene­rie­ren und irgend­wo uner­kannt die Mutation aus Großbritannien Fuß fasst. Wie vie­le Corona-Infektionen der Lockdown ver­hin­dert hat, wis­sen wir nicht! Das ein­zi­ge, was wir rela­tiv sicher erken­nen kön­nen, ist der leich­te Rückgang der Belegung der Intensivstationen. Ein gutes Zeichen.

Dieses Meldesystem hät­te am Ende des ver­gan­ge­nen Jahres sei­nen Bankrott erklä­ren müs­sen. Es hat zu kei­ner Phase der Pandemie die Hinweise gelie­fert, die für geziel­te Maßnahmen erfor­der­lich gewe­sen wären. „Diffuses Geschehen“ war mehr oder weni­ger das ein­zi­ge, was aus ihm her­aus­ge­drun­gen ist, obwohl es in der Lage wäre, die Schlüsselinformationen zu liefern.

Modell-Gesundheitsämter als Korrektiv

Nun ist das Kind in den Brunnen gefal­len: Das öffent­li­che Meldesystem ist für die­se Pandemie nicht mehr flä­chen­deckend refor­mier­bar. Daher ist die ein­zi­ge Lösung, dass vier oder fünf Gesundheitsämter modell­haft in kür­ze­ster Zeit die maxi­ma­le Ausstattung in tech­ni­scher, per­so­nel­ler und metho­di­scher Hinsicht bekom­men. Diese kön­nen dann als Seismographen für das gan­ze Land die­nen und als Korrektiv für die ver­wir­ren­den Meldungen, denen Bürger und Entscheidungsträger aus­ge­setzt sind. Aber viel­leicht ent­schei­det es sich ohne Daten ein­fa­cher.«

Der Beitrag wirbt für den unter­neh­mens­ei­ge­nen "IGES Pandemie Monitor"

11 Antworten auf „Pandemie-Meldewesen: Deutschland im Corona-Blindflug“

  1. […]Diese kön­nen dann als Seismographen für das gan­ze Land dienen[…]

    Ja, ne – is kla!
    Seismographen!11!!11
    Boah ey, das klingt ja so rich­tig gefähr­lich nach Naturkatastrophe hoch 100!
    Am besten noch nach der, nach oben offe­nen Drosten-Skala!

    Ich schmeiß mich weg 

  2. Das fol­gen­de Zitat bzw den dar­in postu­lier­ten Zusammenhang ver­ste­he ich nicht rich­tig und bit­te um Erläuterung:
    ==Dieses beschreibt sich als "unab­hän­gi­ges, pri­vat­wirt­schaft­li­ches Forschungs- und Beratungsinstitut für Infrastrukturfragen" und als "Wissensunternehmen". Es wird somit nicht inter­es­se­los das Thema erörtert.==
    Wenn ein Institut sich als "unab­hän­gig" dar­stellt, müss­te man doch den­ken, es arbei­te eher inter­es­se­los als "nicht inter­es­se­los" !? Wie ist das gemeint, aa ? Danke

  3. Wenn ein­fach mal auf­ge­hört wür­de, mas­sen­haft zu testen und nur noch die mit schwe­rer Grippe Erkrankten per Differentialdiagnostik unter­sucht wür­den, dann käme der gan­ze Schwindel end­lich raus!
    Plötzlich wäre es ein Jahr, wie vie­le ande­re zuvor: Ohne unnö­ti­ge Panik, ohne not­wen­di­ge Maßnahmen; ein Leben, das sich wie­der "Leben" nen­nen kann.

    1. Wie wahr! Ohne die­se irre Testerei wären die Gesundheitsämter, Alten- und Pflegeheime auch schwupp­di­wupp nicht mehr über­la­stet und könn­ten end­lich wie­der ihrer wirk­li­chen Arbeit nachgehen.
      Aber das ist wohl nicht gewollt, dann gäbe es ja kei­nen Grund mehr für den tota­len Krieg – ups – Lockdown natürlich.

  4. Es erscheint doch, dass Verwirrung und Blindflug ein Ziel sind. Nur so kön­nen immer extre­me­re Maßnahmen mit ent­spre­chen­der Propaganda durch­ge­setzt wer­den, um die Bürgerinnen und Bürger davon zu über­zeu­gen, dass dies alles zwin­gend not­wen­dig ist. Bei sorg­fäl­ti­ger Abwägung der Verhältnismäßigkeit. Man hat kein kla­res Bild? Besser Vorsicht wal­ten lassen.

    @D.D.: Nach die­sem Lockdown wer­den die wirt­schaft­li­chen Schäden extrem hoch sein. Ich befürch­te, dass es ein nor­ma­les Jahr wohl so schnell nicht mehr geben wird. Daneben wird die Spaltung der Gesellschaft bei uns, aber auch in ande­ren Ländern, lei­der eben­falls sehr aus­ge­prägt sein.

  5. Sehe ich rich­tig: Wir sind gera­de in der Hochphase einer tod­brin­gen­den Seuche und die Wächter über alle die Maßnahmen legi­ti­mie­ren­den Zahlen gehen IN DEN URLAUB???
    So rich­tig ernst neh­men die ihre Seuche offen­sicht­lich auch nicht.

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