» Psychologisch lassen sich Verschwörungstheorien als Paranoia deuten, wenngleich die Mehrzahl der Forscher den Anhängern von Verschwörungstheorien keine psychische Störung unterstellt… Verschwörungstheorien dienen dem überlasteten Menschen in überfordernden Situationen zur Komplexitätsreduktion und zur Aufrechterhaltung des Glaubens an die Durchschaubarkeit der Realität und die Selbstwirksamkeit des Subjekts.« (Wikipedia)
Immer deutlicher wird, daß die Themen Infektionsgeschehen, Erkrankungen, Sterberaten, Lockdown, "Kollateralschäden" sehr viel komplexer sind, als daß sie auf einen Kampf gegen das Virus reduziert werden können. Während klügere JournalistInnen diese Einsicht langsam für ihr Wirken zulassen, suchen andere verzweifelt ihr Heil im Nachbeten neuer Religionen. Aktuell ist das der von C. Drosten erfundene Perkolationismus. Hier ein Beispiel aus dem "Stern":
»Perkolation – ein Phänomen aus der Physik erklärt, wie Corona außer Kontrolle geraten könnte
In Frankreich und Spanien steigen die Fallzahlen mit dem Coronavirus rasant. In Deutschland scheinen sie dagegen auf leicht erhöhtem Niveau zu stagnieren. Das könnte sich schlagartig ändern, zeigt ein Modell aus der Physik.
Anfang August meldeten die Gesundheitsämter in Deutschland wieder mehr als 1000 Neuinfektionen mit dem Coronavirus an einem Tag. In den Wochen zuvor hatten die Zahlen im mittleren dreistelligen Bereich gelegen. Die Sorge vor dem Beginn einer möglichen zweiten Welle war groß. Doch es tat sich: zunächst kaum etwas. Die Zahl der Neuinfektionen stieg zwar weiter leicht an, doch seitdem scheint sie auf einem Niveau von etwa 1500 Fällen pro Tag zu stagnieren und wieder leicht zu sinken. Die Frage ist: Wie lange noch?
Der Blick in Nachbarländer wie Frankreich und Spanien lässt erahnen, was womöglich auch hierzulande passieren könnte: Dort war die Situation nach den Lockdowns im Frühjahr mit der in Deutschland vergleichbar. Die Behörden zählten pro Tag über längere Zeit einige Hundert Neuinfektionen – das Virus schien unter Kontrolle. Nun steigen die Zahlen wieder rasant an.«
Die Autorin erklärt nicht, inwiefern sie die Zahl der Toten für vergleichbar hält, die so gut wie alle in das Frühjahr fallen und heute für Frankreich 30.636 beträgt, für Spanien 29.628, für Deutschland 9.341, wie fragwürdig die Zahlen der WHO auch sein mögen. Auch die Zahl der "Fälle" ist nicht "vergleichbar".
Der Kaffee-Trick
Nun kommt die Wunderlehre ins Spiel, die Christian Drosten aus einer Publikation verstanden haben will, "die ich gestern Abend noch einmal rausgefischt habe".
»Ist die Schwelle überschritten, gibt es kein Halten mehr
Warum scheint das Virus in den Nachbarländern außer Kontrolle, während die Fallzahlen hierzulande im Moment eher stagnieren? Eine mögliche Erklärung liefert das physikalische Modell der Perkolation. Das Wort leitet sich vom Lateinischen "percolare" ab und bedeutet so viel wie "durchsickern". Epidemiologen nutzen es beispielsweise auch, um ein Infektionsgeschehen in einer Population zu untersuchen.
Das Modell basiert im Wesentlichen auf der Vorstellung eines Schwellenwertes, ab dem beispielsweise ein Infektionsgeschehen außer Kontrolle geraten könnte. Der Berliner Virologe Christian Drosten erklärte das Modell jüngst mithilfe eines Kaffeefilters: Man möge sich vorstellen, Kaffeepulver in einem Filter werde beständig mit einzelnen Wassertropfen benetzt. Die ersten Tropfen versickern im Pulver, füllen die Hohlräume und befeuchten das Pulver. Doch unten tropft zunächst kein Kaffee heraus. Erst mit der Zeit bahnt sich das beständig tropfende Wasser einen Weg durch die Hohlräume im Pulver – bis schließlich eine Verbindung entsteht. Ab diesem Zeitpunkt fällt für jeden Tropfen, der oben in den Kaffeesatz gegeben wird, einer unten in die Kanne. Eine Schwelle wurde überschritten – es gibt kein Halten mehr.«
So weit, so klar, zumindest für die Menschen, die sich nicht auf coffee-to-go beschränken. Die Autorin referiert dann, was sie bei Herrn Drosten verstanden hat, was zugegebenermaßen eine Herausforderung darstellt:
»Epidemiologen wissen mittlerweile, dass sich das Coronavirus vor allem in Cluster-Situationen verbreitet. Ein Cluster kann etwa eine Klassengemeinschaft, eine Studenten-WG oder ein Volkshochschulkurs sein. Werden diese Situationen schnell erkannt und gehen die Mitglieder des Clusters in Quarantäne, ehe sie weitere Menschen außerhalb des Clusters anstecken, kann sich das Virus nur begrenzt ausbreiten. Dasselbe gilt, wenn die Mitglieder eines Clusters weitgehend unter sich bleiben. Das Infektionsgeschehen kann zwar aufflammen und wieder abebben, bleibt aber eher moderat und lokal auf Cluster begrenzt.«
Das ist die alte Idee von Drosten, ganze Klassen, WGs oder Volkshochschulkurse in Quarantäne zu sperren, sobald sich auch nur ein Clan-Mitglied, sorry Cluster-Mitglied, gemäß seines fragwürdigen Tests als positiv herausgestellt hat.
»Ändert sich nun die Situation, etwa weil Menschen damit beginnen, sich wieder in größeren Clustern zu treffen oder wieder verstärkt reisen und sich durchmischen, kann das Virus leichter von Cluster zu Cluster springen. Ein Effekt würde sich nicht sofort bemerkbar machen. Doch schließlich entstehen zwischen den Clustern Verbindungen, und ab einem gewissen Punkt gerät das Infektionsgeschehen schlagartig außer Kontrolle. Infektionen würden dann vielerorts auftreten, die Fallzahlen schnell und stark steigen. Bezogen auf den Kaffeefilter wäre dies der Moment, in dem der Kaffeesatz durchlässig wird.«
Wer Kaffee will, also einen, bei dem auch was "raustropft", muß logischerweise die Verbindungen zwischen Klassen, WGs oder Volkshochschulkurse unterbinden, um "das Virus zu besiegen".
Drosten hat ein Gefühl und einen hinreichenden Grund
»"Es gibt sicherlich diesen Schwelleneffekt. Wir sollten davor nicht unsere Augen verschließen", erklärte Christian Drosten jüngst in dem Podcast "Das Coronavirus-Update". Dieser Effekt sei wahrscheinlich auch der Grund dafür, dass die Welle im Moment in Deutschland an- und abschwelle. Irgendwann könne sie aber außer Kontrolle geraten. "Und wir wissen nicht, wann", so Drosten. Er habe das Gefühl, das sei das, was gerade in Frankreich passiert.«
Die gläubige Journalisten plappert nach, ohne eine Sekunde nachzudenken:
»[Drosten] glaube nicht, dass in Frankreich irgendjemand etwas falsch gemacht habe. "Ein wahrscheinlich hinreichender Grund ist, dass in Frankreich einfach viel mehr Infektionstätigkeit war während der ersten Welle. Der französische Lockdown war aggressiver als unserer, aber möglicherweise ist da im Hintergrund mehr an Restinfektionsmasse übriggeblieben als bei uns", so der Virologe.«
Sie schließt mit D.'s weisen Worten:
»"Aber ich will nur sagen, es gibt die Möglichkeit, dass wir uns da auch was vormachen, wenn wir uns sagen: 'Das läuft ja im Moment ganz gut, dann machen wir mal so weiter wie bisher.'"«
Es ist überaus schade, daß die Autorin nur das Kaffee-Beispiel von Drosten erwähnt. Wer die noch amüsanteren Exempel zu "Vier gewinnt" oder die kasachische Wüstenmaus lesen möchte, dem sei der Beitrag Wenn die Zahlen sinken, braucht es Perkolation. Neues aus dem Tollhaus empfohlen. Eine schöne Ergänzung ist Der Perkolations-Jünger. Galoppierender Wahnsinn in der "Zeit"
(Hervorhebungen nicht im Original.)
Mit dem Kaffeesatzbeispiel entlarvt sich die Drostologie endgültig als das, was sie von Anfang an war: Kaffeesatzleserei.
Gibt es selbst mit rasant ansteigender Testanzahl immer noch keine zweite Welle, muss die stets drohende Perkolationsgefahr beschworen werden. Dass Angela Merkel als Physikerin nicht weiß, was er da erzählt, ist schwer zu glauben.
"Eine Schwelle wurde überschritten – es gibt kein Halten mehr."
Aha. Also wenn man dann in einen so tropfenweise vorbereiteten Filter über dem Schwellenwert dann auf eine Schwupps eine ganzen Liter Wasser reinschüttet – kommt unten sofort auch ein ganzer Liter raus – es gibt ja kein Halten mehr – oder wie?
Wie können solche idiotisch falschen Beispiele dafür herhalten, idiotisch falsche Prognosen immer weiter zu verbreiten? Es sieht doch jeder Depp, dass das Beispiel das nicht hergibt, was man uns da einreden will. Egal? Alle Grenzen sind gefallen. Die totale Verblödung ermöglicht schamloses Agieren so lange man nur auf der Seite der Meinungshoheit ist.
Nicht jeder ist fähig, Torheit zu erkennen. Deren sichtbare Merkmale wie Narrenkappen tragen die Menschen aktuell vor dem Mund… manch einen könnte man auch als 'Coronarren' bezeichnen.
Die Zeit ist m.E. reif, sich wieder an die weisen Worte Platons und die von ihm favorisierte Staatsform der Sophokratie (von griech. σοφία (sophía) "Weisheit" und κρατία) zu erinnern:
"Wenn nicht entweder die Philosophen Könige werden in den Städten, oder die Könige Philosophen werden, und wenn dies nicht in eins fällt: die Macht in der Stadt und die Philosophie, die Macht und das Wissen, so wird es mit dem Elend kein Ende haben, nicht für die Städte und nicht für das menschliche Geschlecht."
Das Problem an der ganzen Argumentation von "Prof. Dr." Drosten ist doch, daß es total veraltet ist.
Laut offiziellen Angaben gab es eine Zeit, wo sich das Infektionsgeschehen clusterhaft ausbreitete und die Infektionsketten gut verfolgbar waren. Jetzt jedoch spricht man von nicht mehr clusterhaft (und verfolgbarem), sondern sporadischem Infektionsgeschehen, ein anderes Wort für zufällig. Eben so zufällig, wie der PCR-Test zufällig false-positive Ergebnisse produziert.
Aber vermutlich wird der gleiche Reporter versuchen, Perkolationscluster zu erklären, unmittelbar nachdem er vorher die RKI-Meldung zum sporadischen Infektionsgeschehen vermeldet hat. Einfach Hirn abschalten, frei nach Dr. vet. Wieler: nicht nachdenken, nicht nachfragen!