Pflegekräfte schlagen Alarm:
"Eine Vollzeitstelle hält man nicht mehr aus"

Viel bes­ser als mit dem Artikel auf t‑online.de am 31.8. unter obi­gem Titel läßt sich das Totalversagen der Regierenden und die Hohlheit des "Solidaritäts"-Geredes kaum beschreiben:

»Die Pflegekräfte der Hamburger Krankenhäuser sind am Limit – oder schon weit dar­über hin­aus. Seit Jahren spricht man in Deutschland vom Pflegenotstand, zu Beginn der Corona-Krise applau­dier­te man auf Balkonen für die Krankenhausmitarbeiter, doch direkt gehol­fen hat das nicht. 

Professor Stefan Kluge, Direktor der Klinik für Intensivmedizin am Hamburger Universitätsklinikum Eppendorf (UKE), warn­te in der ver­gan­ge­nen Woche: "Wir erle­ben in Deutschland gera­de­zu eine Flucht aus den Pflegeberufen. Das ist ein Alarmzeichen."

So sieht es auch Daniel Gravanis. Er arbei­tet als Intensivpflegekraft im UKE. Seine Arbeitszeit hat der Hamburger mitt­ler­wei­le auf 25 Prozent redu­ziert, im zwei­ten Semester stu­diert er Jura. Er sagt: "Eigentlich woll­te ich ein pfle­ge­nahes Studium begin­nen, aber unter die­sen Arbeitsbedingungen ergibt das kei­nen Sinn."

Menschenwürdige Pflege nicht realisierbar

Die schlech­te Personalbesetzung auf den Stationen füh­re dazu, dass er die Dinge, die er in einem sol­chem Studium ler­nen wür­de, nicht umset­zen kön­ne. Ein Versorgungsschlüssel von 1:2 (ein Pfleger küm­mert sich um zwei Schwerstkranke) wer­de gefor­dert, "fak­tisch ist ein Schlüssel von 1:3 und in Ausnahmefällen auch 1:4 die Realität".

Eine men­schen­wür­di­ge Pflege sei so nicht rea­li­sier­bar. Bedürfnisse der Patienten, wie zum Beispiel Durst oder ein Toilettengang, müss­ten war­ten, bis der Pfleger Zeit hat. In der Folge lie­ge dann ein Patient schon mal in sei­nen Exkrementen. "Zu Beginn der Pandemie wur­den die Arbeitsbedingungen im Pflegebereich stär­ker the­ma­ti­siert, doch lei­der ist das Thema in den Hintergrund gera­ten", bedau­ert er…

"Eine Vollzeitstelle hält man nicht mehr aus"

Auch ein Pfleger, der in Hamburg im Bereich der Intensivmedizin arbei­tet, äußert sich. Er möch­te anonym blei­ben. "Wir erle­ben momen­tan eine Katastrophe, so etwas habe ich in den 20 Jahren, seit­dem ich in der Pflege arbei­te, noch nicht erlebt", schil­dert er. Die mei­sten Kollegen wür­den nur noch in Teilzeit arbei­ten. "Eine Vollzeitstelle hält man nicht mehr aus", sagt er. 

"Wir erle­ben auf den Intensivstationen grenz­wer­ti­ge Situationen und sind dabei immer gehetzt, wir haben kei­ne Zeit und das stän­dig", so der Pfleger. "Ich lau­fe von einem Feuer zum ande­ren. Wenn es so wei­ter geht, ist in einem Jahr die Hälfte der Intensivpfleger weg", beschreibt er sei­nen per­sön­li­chen Eindruck. "Wir machen kei­ne Pflege, wir machen Akkordarbeit."

"Pflegende haben moralischen Stress"

Etwa 20 Prozent der Pflegekräfte könn­ten aus der Pflege aus­stei­gen. Und zwar nicht nur, weil sie erschöpft sind, son­dern eben vor allem, weil sie die Rahmenbedingungen ihrer Arbeit als unbe­frie­di­gend erleben.

Das geht aus Studien von Uta Gaidys her­vor. Sie ist Professorin, Mitglied des Wissenschaftsrates der Bundesregierung und der Länder sowie Studiengangsbeauftragte des Masters "Pflege" an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW Hamburg)…

Viele hät­ten die andert­halb Jahre seit Beginn der Pandemie ertra­gen. Aufgrund der Bedingungen, die in der Pflege vor­herrsch­ten, erle­ben die Betroffenen, dass sie ihren Beruf nicht zufrie­den­stel­lend aus­üben könn­ten. "Wenn es jetzt kei­ne Änderung gibt, dann haben wir ein Problem", sagt sie.

Krankenhäuser chronisch unterbesetzt

Carsten Hermes, Pflegewissenschaftler, Fachkrankenpfleger für Anästhesie und Intensivpflege und Sektionssprecher der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN), sieht eben­falls Probleme: "Nach mei­nem Eindruck sind die Kollegen und Kolleginnen ein­fach müde."

Die ver­gan­ge­nen vier Jahre hat er an der Hamburger HAW stu­diert, er kennt die Häuser und Kollegen der Hansestadt. Schon vor der Corona-Krise sei die Arbeitsbelastung hoch gewe­sen. "Inzwischen sind die Arbeitsbedingungen oft gra­vie­rend schlech­ter gewor­den", betont er.

Häuser mit schwerst­kran­ken Patienten sei­en chro­nisch unter­be­setzt. Der psy­chi­sche Druck auf die Pfleger sei enorm. "Es wird oft als nicht selbst­ver­ständ­lich ange­se­hen, dass arbeits­freie Zeit auch wirk­lich eige­ne, freie Zeit – die man zum Erholen braucht – ist", schil­dert Hermes wei­ter. Wie selbst­ver­ständ­lich wer­de erwar­tet, dass man immer bereit sei, im Notfall für ande­re ein­zu­sprin­gen…«

6 Antworten auf „Pflegekräfte schlagen Alarm:
"Eine Vollzeitstelle hält man nicht mehr aus"“

  1. Es ist des­halb genau der rich­ti­ge Zeitpunkt für Pfleger zu strei­ken. Es ver­deut­licht näm­lich wo die eigent­li­chen Prioritäten im BGM lie­gen und wie schä­big Spahn die Leute behan­delt, die die gan­ze Drecksarbeit machen. Gegen Personalmangel hilft jedoch kei­ne Impfung, viel­mehr kann man sogar davon aus­ge­hen, dass der Impfzwang am Ende die Lücke nur noch wei­ter ver­grö­ssert. Hier fin­den sich näm­lich auch mit die schärf­sten Kritiker, die selbst­ver­ständ­lich nicht mit der pro­fit­ori­en­tier­ten Gesundheitsindustrie kom­pa­ti­bel sind, die aber dafür jede Menge über Pflege und Medizin wis­sen und deren Kompetenz für die Gesellschaft unver­zicht­bar ist. 

    Hier noch­mal der Corona-kri­ti­sche Telegramm Channel der Pflege- und Medizinberufe für alle, die ihn noch nicht ken­nen oder den Link ver­lo­ren haben:
    https://t.me/s/pflegeInDer_c_krise

    1. Ich sag ' s jetzt mal ganz böse: die Pflege hat noch nie den Ar.…h hoch gekriegt- sie wen­det sich lie­ber ab. Dabei könn­te Sie geschlos­sen so eine Macht sein!!!!!

  2. Aber dafür haben wir doch die von der Politik geför­der­ten Zuwanderung. In den Krankenhäusern wür­de ohne Migranten über­haupt nichts mehr gehen. Da trifft man schon auch mal leicht auf einen Arzt in der Notaufnahme-Station, der Deutsch gera­de mal rade­bre­chen kann. Super für die kor­rek­te Aufnahme der Anamnese, sage ich da.

    (Ganz zu schwei­gen von dem Lohndruck nach unten den frisch zuge­wan­der­te Migranten erzeu­gen, die über jeden Job bei fast jeder Bezahlung erst mal froh sind. Und von dem "Braindrain" der Herkunftsländer schweigt man auch lieber.)

    1. @Albrecht Storz: Wer sei­nen Hintern zu den Protest- und Streikaktionen von ver.di zur bes­se­ren Ausstattung der Krankenhäuser bewegt, wird fest­stel­len, daß vie­le dort durch­aus elo­quen­te "zuge­wan­der­te Migranten" sind.

      1. AA, ich habe kei­ne Idee inwie­fern Ihre Antwort irgend etwas mit mei­nem Kommentar zu tun hätte …

        … und der deutsch rade­bre­chen­de Notaufnahme-Arzt ist mei­ne per­sön­li­che Erfahrung und hat über­haupt nichts mit ver­die oder so zu tun.

        Finden Sie es allen ern­stes kor­rekt, dass Menschen in ihrem Herkunftsland sozia­li­siert und aus­ge­bil­det wer­den – um dann ihren Beruf als Ergebnis die­ser Ausbildung in einem ande­ren Land auszuüben?

        Ist ihnen eigent­lich der Begriff "bra­in­drain" völ­lig fremd? Oder fin­den Sie es gut, wenn Länder nicht nur wirt­schaft­lich son­dern dazu auch noch per­so­nell aus­ge­blu­tet werden?

        Sie sind mir ein Linker …

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