Auf heise.de (Telepolis) heißt es am 24.9.:
»Unbemerkt von der Öffentlichkeit hat der Bundestag die vorsorgliche Aufhebung der politischen Immunität seiner Mitglieder bis zum 31. Dezember 2020 verlängert
Der Tagesordnungspunkt dauerte knapp fünf Minuten. Dann hatte der Bundestag am 17. September 2020 ohne großes Aufsehen eine Maßnahme verlängert, die eigentlich am 30. September auslaufen sollte: die vorsorgliche Aussetzung der politischen Immunität seiner Mitglieder nach dem Infektionsschutzgesetz.«
Tatsächlich wurde der § 126a der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages geändert. Dieser"§ 126a Besondere Anwendung der Geschäftsordnung auf Grund der allgemeinen Beeinträchtigung durch COVID-19" sieht vor:
»Der Deutsche Bundestag ist abweichend von § 45 Absatz 1 beschlussfähig, wenn mehr als ein Viertel der Mitglieder im Sitzungssaal anwesend ist.«
Von Immunität der ParlamentarierInnen ist dort keine Rede. Vermutlich beruht das Missverständnis darauf, daß Grundlage für die Abstimmung eine Empfehlung des "Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung“ war.
Im Telepolis-Artikel ist auch die folgende überschwänglich-falsche Behauptung zu finden:
»Das Corona-Sonderrecht, eingeführt am 25. März 2020, ermächtigt beispielsweise den Bundesgesundheitsminister zum Oberkommandierenden des Infektionsschutzes, der selber Gesetze erlassen kann.«
Ehrlich fragt man sich, was denn nun Immunität für eine(n) Buntestagsabgeordete(n) bedeutet. Sind die denn gegen Karantähne auch immun? Wegen der Immunität? Und wenn jetzt doch ein(e) Abgerodete® in Quaranthäne muss, dann muss das doch illegal sein, weil man Immunität geniesst. Und kann er dann klagen? Weil, wenn sie immun ist, muss sie doch sowieso nich nach Quarantanamo. Aber wenn er da schon is, hilft ihm klagen dann noch? Ist Immunität human? Oder Humanismus immun?
Zuviele Fragen, zuviele Unbekannte, traurig, traurig.
Aus der „Empfehlung“ wurde Realität. Man muß nur im entsprechenden Bereich auf der Homepage des BT nachlesen, dort wird man fündig, gut versteckt unter den Anhängen. Deshalb sehe ich das ähnlich wie T. Moser, denn in die GO § 126a des BT wurde nachträglich eingefügt: Anlage 6 – Beschluß des Deutschen Bundestages betr. Aufhebung der Immunität von Mitgliedern des Bundestages“, Punkt 6a beginnt mit dem Satz: „Der Deutsche Bundestag genehmigt die Anordnungen von freiheitsbeschränkenden Maßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz gegen Mitglieder des Bundestages.ff“
Unter Punkt 15. „Schutzmaßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz
Schutzmaßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz haben notstandsähnlichen Charakter. Maßnahmen nach §§ 29 ff. des Infektionsschutzgesetzes bedürfen daher, gleichgültig, ob sie zum Schutz gegen das Mitglied des Bundestages oder zum Schutz des Mitgliedes des Bundestages gegen andere notwendig werden, nicht der Aufhebung der Immunität.
Die zuständigen Behörden sind jedoch verpflichtet, den Präsidenten des Deutschen Bundestages unverzüglich über die gegen ein Mitglied des Bundestages angeordneten Maßnahmen zu unterrichten. Der Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ist berechtigt, zu prüfen oder prüfen zu lassen, ob es sich um nach dem Infektionsschutzgesetz gerechtfertigte Maßnahmen handelt.“
Das ist alles sehr widersprüchlich.Es handelt sich zumindest um eine windelweiche Formulierung von Beschlüssen, mit deren Rechtscharakter willkürlich in die Rechte – und letztlich auch Immunität – von BT-Abgeordneten eingegriffen werden kann. Die Immunität der Abgeordneten könnte nur mittels einer GG-Änderung durch 2/3 Mehrheit aufgehoben werden. So offen wollten sie wohl nicht agieren. Dazu stellt sich auch die Frage, ob dann auch eine solche Mehrheit bei einem Viertel +1 der anwesenden BT-Abgeordneten rechtens ist unter derzeitigen Bedingungen. Das wäre wohl ein Witz.
Auch über den Eingangssatz zu Anlage 6 muß ich grübeln. Ist das üblich?
„1. Der Deutsche Bundestag genehmigt bis zum Ablauf dieser Wahlperiode die Durchführung von Ermittlungsverfahren gegen Mitglieder des Bundestages wegen Straftaten, es sei denn, dass es sich um Beleidigungen (§§ 185, 186, 187a Abs. 1, § 188 Abs. 1 StGB) politischen Charakters handelt.“
Fragen über Fragen. Ich finde, das müßten sich unbedingt mal ein paar Verfassungsjuristen anschauen.
https://www.bundestag.de/parlament/aufgaben/rechtsgrundlagen/go_btg/anlage6-245194
Oder in der Eingangsseite des BT zur Geschäftsordnung runter scrollen bis zu den Anlagen
https://www.bundestag.de/parlament/aufgaben/rechtsgrundlagen/go_btg
Zum letzten zitierten Abschnitt stimmt die Kritik zwar formal, aber faktisch kann der BM ür Gesundheit Gesetze zumindest ändern oder aussetzen qua seiner Vollmacht durch den BT. Darauf und auf die verfassungsrechtlichen Bedenken dazu weist selbst der Wissenschaftliche Dienst des BT hin:
https://www.bundestag.de/resource/blob/690262/cb718005e6d37ecce82c99191efbec49/WD‑3–080-20-pdf-data.pdf