Eine gewisse sympathische Häme ist bei dem Artikel der FAZ vom 12.8. schon zu verspüren. Unter der Überschrift "Das Wumms-Papier aus der Berliner Corona-Zentrale" ist zu lesen:
»Impfung im Herbst – das Schicksal meint es wirklich gut mit den Deutschen, so musste man das neue Positionspapier des Robert-Koch-Instituts zur Corona-Strategie deuten. Bis der Traum ganz schnell zerplatzte.«
Bis vor kurzem war auf der Seite des RKI danach von einer "Verfügbarkeit eines Impfstoffs (ggf. mehrerer) bis Herbst 2020" zu lesen. „Vorläufige Prognosen“, heißt es in dem RKI-Papier genau, „lassen das möglich erscheinen“.
»Ob dies russische Prognosen waren, ließ sich im ersten Moment nicht feststellen. Jedenfalls widersprach die hyperoptimistische RKI-Ankündigung bis zur endgültigen Auflösung des Rätsels jeder gängigen Prognose. Selbst Donald Trump, dessen mehrmaliges Versprechen, die ersten amerikanischen Covid-19-Impfstoffe bis Anfang November verteilen zu wollen, von allen als Aufforderung zu seiner Wiederwahl im November verstanden wurde, ist längst von seinem wichtigsten Corona-Berater, dem Immunexperten Anthony Fauci, vorsichtig korrigiert worden.
Anfang 2021 bis Mitte 2021 gilt für ihn als realistisch, letzteres Datum wurde vor wenigen Tagen unter anderem auch von der der deutschen Forschungsministerin Anja Karliczek annonciert. Die Experten der Weltgesundheitsorganisation und des in Deutschland für die Impfstoff-Zulassung zuständige Paul-Ehrlich-Instituts haben sich inzwischen ebenfalls fast durchgängig auf die Formel "Impfstoff-Zulassung im Idealfall ab Frühjahr 2021" verständigt.
Es hätte also eine spannende Geschichte werden können, wenn dem RKI wirklich nennenswerte Impfstoff-Entwicklungen vorlägen, die auf eine wesentlich frühere Impfung gegen Sars-CoV‑2 hindeuteten. Leider entpuppte sich das als ein "Versehen". Das Positionspapier mit den vorläufigen Prognosen Herbst 2020 war wohl in einer viele Monate alten frühen Version des Positionspapiers online gestellt worden – versehentlich, wie gesagt, so teilte es eine Sprecherin des RKI am Mittwochabend mit. Das in den letzten Monaten mehrfach überarbeitete Dokument soll in der gültigen neuesten Version jedenfalls die überraschende Herbst-Prognose schon lange nicht mehr enthalten. Dennoch wurde die ältere Version mit dem fragwürdigen Absatz von den zuständigen RKI-Stellen freigegeben – und von der Kommunikationsabteilung deshalb auch veröffentlicht.
"Wir rechnen natürlich derzeit nicht damit, dass schon in diesem Herbst einer der derzeit geprüften Impfstoffe zugelassen wird", sagte die RKI-Sprecherin. Die für das Positionspapier verantwortlich zeichnenden Fachleute im Institut würden sich das Dokument jetzt noch einmal vornehmen und dann aktualisiert wieder veröffentlichen. Wie viele der sechs Impfstoffe bis dahin zugelassen sind, die sich mittlerweile in der dritten und entscheidenden Testphase mit mehreren tausenden Freiwilligen befinden, lässt sich schwer prognostizieren.
Unter anderem der von dem Mainzer Biotech-Unternehmen BioNTech entwickelte und mit zusammen Pfizer in Studien getestete RNA-Impfstoff liegt dabei ganz vorne mit dabei. Er kann als Referenzpunkt für weitere vorläufige Impfprognosen angenommen werden. In der international hochrenommierten Zeitschrift "Nature" ist an diesem Tag eins nach der russischen Pseudozulassung das Ergebnis der ersten beiden Testphasen ihres Impfstoffs mit den Daten von 45 Probanden veröffentlicht worden. Fazit: Vielversprechende Antikörper-Produktion (deutlich höher als bei Patienten, die die Sars-CoV‑2 durchgemacht haben), aber auch systemische, unerwünschte Nebenwirkungen bei sehr hohen Impfstoff-Konzentrationen. Die für einen Immunschutz nötige Antikörpermenge konnte in diesen ersten beiden Testphasen noch nicht genau ermittelt werden. Mehr als zwei Wochen Beobachtungsdaten wurden noch nicht publiziert. Und leider gibt es auch noch keine Daten zur Effektivität und Sicherheit bei Menschen, die älter als 65 Jahre sind, der entscheidenden Risikogruppe.«
corona-transition.org wertet:
»Ein "Versehen"? Das ist wenig glaubwürdig. Denn das RKI beschäftigt (Stand 2016) rund 1100 Mitarbeiter, davon rund 450 Wissenschaftler, einschließlich Doktoranden und Trainees. Auch verfügt das RKI über ausreichende finanzielle Mittel (jährlich rund 100 Millionen Euro), um eine seriöse Berichterstattung zu leisten.«