Saar-OVG setzt 2G-Regel für Einzelhandel im Saarland aus

»Das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes hat mit Beschluss vom heu­ti­gen Tag – 2 B 295/21 – einem Eilantrag meh­re­rer saar­län­di­scher Fachmärkte für Elektronikartikel auf vor­läu­fi­ge Außervollzugsetzung der Zutrittsbeschränkung zu Einzelhandels-geschäf­ten nach der 2G-Regelung statt­ge­ge­ben. Nach der bean­stan­de­ten Bestimmung ist nicht-immu­ni­sier­ten Personen der Zutritt unter ande­rem zu den Elektronikmärkten ver­wehrt (sog. 2G-Konzept). Die Entscheidung bedeu­tet, dass im Saarland bis auf Weiteres die 2G-Regelung im Einzelhandel gene­rell nicht mehr anzu­wen­den ist.

Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts ver­stößt die ange­grif­fe­ne Regelung gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip abge­lei­te­te Gebot der Bestimmtheit von Normen. Nach der bean­stan­de­ten Vorschrift sind von der Zugangsbeschränkung Ladenlokale aus­ge­nom­men, deren Waren- oder Dienstleistungsangebot der Deckung des täg­li­chen Bedarfes dient. Diese Formulierung wird durch eine nicht abschlie­ßen­de bei­spiel­haf­te Aufzählung von Ladengeschäften und Einrichtungen konkretisiert.

Die ein­zel­nen im Ausnahmekatalog genann­ten Ladenlokale und die amt­li­chen Ausführungen in der Begründung der Regelung las­sen, so das OVG, den Schluss zu, dass der Begriff der Deckung des täg­li­chen Bedarfs nicht allei­ni­ges Abgrenzungsmerkmal für die Befreiung von der Zutrittsbeschränkung ist. Nach wel­chen kon­kre­ten Kriterien son­sti­ge Einzelhandelsbetriebe, die eben­falls nicht grund­be­darfs­deckend sind, von der Ausnahmeregelung erfasst wer­den sol­len, blei­be unklar. Denn weder aus dem Ausnahmekatalog noch aus der amt­li­chen Begründung ergä­ben sich ein­heit­li­che, objek­ti­vier­ba­re Kriterien für den erwei­ter­ten Geltungsbereich der Regelung. Es sei aber nicht Aufgabe der Gerichte, anstel­le des Verordnungsgebers eige­ne Vorgaben fest­zu­le­gen, die in der ange­grif­fe­nen Regelung selbst kei­nen Ursprung hätten.

Abgesehen davon erge­ben sich nach Auffassung des zustän­di­gen Senats wei­te­re durch­grei­fen­de Bedenken im Hinblick auf die ange­grif­fe­ne Regelung, weil der Verordnungstext selbst kei­ne Regelung ent­hal­te, wie soge­nann­te Mischbetriebe ein­zu­ord­nen sei­en. Lediglich in der amt­li­chen Begründung sei­en hier­zu Ausführungen erfolgt. Demzufolge kom­me es letzt­lich auf den Gesamteindruck des Betriebes anhand einer ganz­heit­li­chen Betrachtung indi­vi­du­el­ler Natur an. Die kon­kre­te Einordnung oblie­ge dabei den zustän­di­gen Behörden vor Ort. Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts füh­re dies letzt­lich zu einer unein­heit­li­chen Vollzugspraxis.

Schließlich betont der zustän­di­ge Senat, dass unge­ach­tet der vor­läu­fi­gen Außervollzugsetzung der Zutrittsbeschränkungen nach der 2 G‑Regelung im Einzelhandel gene­rell die vom Verordnungsgeber bezie­hungs­wei­se in ein­schlä­gi­gen Hygienekonzepten über­grei­fend vor­ge­ge­be­nen all­ge­mei­nen Maßnahmen und Vorkehrungen der Kontaktvermeidung zur Verhinderung einer wei­te­ren Ausbreitung der Infektion mit dem SARS-CoV2-Virus immer ein­ge­hal­ten wer­den müssen.

Die Entscheidung ist unan­fecht­bar.«
blau​licht​re​port​-saar​land​.de (21.1.)

6 Antworten auf „Saar-OVG setzt 2G-Regel für Einzelhandel im Saarland aus“

  1. Letztendlich stört sich das Gericht auch hier wie­der nur dar­an, dass nicht genug prä­zi­siert wur­de, was zum täg­li­chen Bedarf gehört und was nicht.

    Die 2G Regelung selbst wird vom Gericht aber nicht ange­grif­fen, obwohl sie zur Verhinderung von Infektionen völ­lig unge­eig­net ist, da eben Geimpfte wei­ter­hin infek­ti­ös sein kön­nen. Es gibt also kei­ne Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung von Menschen auf­grund des Impfstatus.

    Also lei­der wie­der mal ein zahn­lo­ses Urteil, das die Regierungspolitik kein biss­chen in Frage stellt.

    1. @ King Nothing: Exakt dies ist das Problem. Jedes die­ser Urteile wird als Sieg gefei­ert. Pyrrhussiege sind es, nicht mehr. Die Gerichte geben viel­mehr den Gesetzgebern noch Ratschläge, wie sie "ver­bes­sern" müs­sen, um ein rechts­si­che­res Ergebnis zu erzielen. 

      Die zen­tra­le Frage nach Menschenrechten wür­de von der Logik her beim BVG als Beschwerde gegen das Infektionsschutzgesetz ange­sie­delt sein. Nur mit der der­zei­ti­gen Besetzung des BVG dürf­te dies nicht zu irgend­wel­chen Abweichungen von der jet­zi­gen Regierungslinie füh­ren. Es braucht eine poli­ti­sche Lösung. Abschaffung des Infektionsschutzgesetzes und aller damit zusam­men­hän­gen­den Regelungen bzw. deren Verbot (die übri­gen Überwachungs- und Sicherheitsgesetze sind eben­falls ein gewich­ti­ges Thema).

      Die Judikative ist wich­tig, aber kein Ersatz für eine funk­tio­nie­ren­de Legislative. Und an die­ser man­gelt es ekla­tant. Funktionsuntüchtig.

      1. "beim BVG"
        BVG sind die Berliner Verkehrsbetriebe. Falls Sie das Bundesverfassungsgericht mei­nen = BVerfG
        Falls Sie das Bundesverwaltungsgericht mei­nen = BVerwG
        Ist lei­der etwas ver­wir­rend, weil man nicht weiß, ob Sie VerfG oder VerwG meinen.

  2. Qualityland erfor­dert eben zum per KI ent­schie­de­nen und uner­bitt­lich undis­ku­tier­ba­ren Erwerb eines rosa­far­be­nen Delphindildos einen 2G Nachweis. O tem­po­ra o mores, wie schon bei Asterix beschrie­ben. Bewerten Sie ihren Einkauf. OK.

  3. Zur Erläuterung: Sowohl in Bayern, als nun auch im Saarland hat das Gericht die 2G-Regelung des­we­gen gekippt, weil im jewei­li­gen Gesetz oder Verordnung nicht jeder ein­zel­ne Betrieb auf­ge­zählt ist, der von der 2G-Regelung aus­ge­nom­men ist, son­dern all­ge­mein und schwam­mig von "Geschäften des täg­li­chen Bedarfs" die Rede ist. Mich wun­dert aller­dings, dass dies der Justiz nun zu unkon­kret ist, zumal es doch noch ande­re Gesetze und Verordnungen geben dürf­te, in denen aus­le­gungs­be­dürf­ti­ge Rechtsbegriffe zu fin­den sind. Und dass erst jetzt nach meh­re­ren Monaten Anwälter und Juristen dar­auf kom­men, genau das zu monieren. 

    Es könn­te ein schlei­chen­der Rückzug des Staates sein, könn­te aber auch eben­so, wie hier ver­mu­tet, ein fal­sches Signal sein, dass den Eindruck erwecken soll, dass es bald vor­bei ist mit die­sem Schmarrn, tat­säch­lich aber bereits im Hintergrund vom Gesetzgeber (bzw. mitt­ler­wei­le der Regierung) nach den Hinweisen des Gerichts eine neue Verordnung gestrickt wird, die eben nicht mehr zu schwam­mig ist, son­dern jeden Betriebszweig kon­kret auf­li­stet, für den 2G nicht gilt. An der eigent­li­chen Regelung, dass die 2G-Regeln men­schen­ver­ach­tend sind, wäre damit nichts geändert.

    Dennoch ist auf­fäl­lig, dass die Gerichte wie­der Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit in den Mund neh­men, und von "Bestimmtheit" reden. Die "Verhältnismäßigkeit" haben sie ja auch jah­re­lang unter den Tisch fal­len las­sen. Vielleicht fällt auch bald ein Urteil, dass die­se Regelungen nicht ver­hält­nis­mä­ßig sind? Vielleicht ist es aber auch alles nur Augenwischerei um uns bei der Stange zu halten.

    In Niedersachen wur­de die 2G-Regelung mei­nes Wissens nach aus ande­ren Gründen gekippt. Dort gab es kei­nen unbe­stimm­ten und schwam­mi­gen Begriff wie 'Geschäfte des täg­li­chen Bedarfs', son­dern das Gericht hat geur­teilt, dass es bereits an der Verhältnismäßigkeit der Regelung man­ge­le. Der ent­spre­chen­de Senat wur­de ja sei­ner­zeit auf­ge­löst, die 2G-Regelung ist in Niedersachsen wei­ter­hin nicht mehr in Kraft. Zumindest in Niedersachsen war es eine inhalt­li­che Schlappe für die Regierung.

    Unabhängig von allen inhalt­li­chen Fragen ist die Menschheit ja ein­fach gestrickt und für die mei­sten wird nur ankom­men "2G in Saarland gekippt" (Hintergründe ver­steht ein juri­stisch Unkundiger ver­mut­lich eh nicht). Sowas macht schon Eindruck und könn­te dazu füh­ren, dass die Stimmung wei­ter dreht und nun auch wie­der mehr Richter der künf­ti­gen Mehrheitsmeinung hin­ter­her­ren­nen werden. 

    Dieser Staat ist für mich unbe­re­chen­bar gewor­den – ich rech­ne tat­säch­lich mit allem. Nachts träu­me ich mitt­ler­wei­le davon, wie Ungeimpfte in bestimm­te Lager gebracht wer­den und lie­ge vor­her bis 2 oder 3 Uhr wach und kann nicht ein­schla­fen vor Sorgen. Dennoch baue ich dar­auf, dass die­se Urteile Außenwirkung haben und dazu bei­tra­gen, dass die Stimmung end­lich kippt und wie­der Menschlichkeit und Liebe in die­ses Land ein­kehrt. Die Hetze, Spaltung, der Dilletantismus, die Lügen und die­se Bösartigkeit gegen Andersdenkende müs­sen end­lich aufhören!!!

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