Schrappe-Papier kann nicht ignoriert werden

In „Es gesche­hen bei den Intensivstationen selt­sa­me, unver­ständ­li­che Dinge“ wur­de über die aktu­el­le Stellungnahme von Prof. Schrappe et al. berich­tet. Neben einer unter­ir­di­schen Besprechung der "Volksverpetzer" hat sie eine recht gro­ße Aufmerksamkeit in den Medien erfahren.

Bei allen Bemühungen, Fehler oder Widersprüche in der Arbeit zu fin­den, gelingt es dabei nicht, die Grundaussagen in Frage zu stel­len. Zumindest wird die Kritik der AutorInnen rela­tiv aus­führ­lich dar­ge­stellt. Die Erfahrungen mit der Panikmache der Spitzenfunktionäre des DIVI-Zentralregisters hat offen­sicht­lich Spuren hin­ter­las­sen. Ein Beispiel vom 18.5. auf WDR 5:

Der Bonner "General-Anzeiger" fragt am 18.5. "Sind die Zahlen zur Intensivkapazität wirk­lich mani­pu­liert?".

Zwar legt man hier so los:

»Nun sorgt eine Ad-Hoc-Stellungnahme, über die die Tageszeitung „Die Welt“ zuerst berich­te­te, im Netz für Aufmerksamkeit. Was auf­fällt: Die Thesen der Autoren wer­den beson­ders stark von Corona-Leugnern und Verschwörungstheoretikern wei­ter­ver­brei­tet. Verfasst hat die Stellungnahme eine zehn­köp­fi­ge Autorengruppe – unter ihnen: Mediziner, Juristen, Versorgungsforscher und ande­re Gesundheitsexperten.«

Doch dann wer­den die Aussagen aus dem Papier immer­hin referiert:

»Es soll kei­ne Engpässe auf den Intensivstationen gege­ben haben
Zu kei­nem Zeitpunkt sei es jedoch zu Engpässen an Intensivbetten gekom­men, so die Behauptung der Autoren. Im Jahr 2020 sei­en wegen der Behandlung Covid-19-Erkrankter ledig­lich zwei Prozent der sta­tio­nä­ren und nur vier Prozent der inten­siv­me­di­zi­ni­schen Kapazitäten genutzt wor­den. Dennoch sei­en vom Staat Ausgleichszahlungen an Krankenhäuser in Höhe von 10,2 Milliarden Euro und Prämienzahlungen für die Bereitstellung zusätz­li­cher Intensivbetten in Höhe von 530 Millionen Euro gezahlt worden.
 
Im Interview mit „Der Welt“ äußert Schrappe in die­sem Zusammenhang den Verdacht, es han­de­le sich um „Subventionsbetrug und zwei­fel­haf­te Verwendung von Fördermitteln“. Dazu sei­en, so Schrappe, offi­zi­el­le Statistiken mani­pu­liert worden.

Dabei bezie­hen sich die Autoren unter ande­rem auf das Intensivregister der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI). Das Register erfasst tages­ak­tu­ell freie wie beleg­te Behandlungskapazitäten in Deutschland und auch, wie vie­le davon von Covid-19-Patienten belegt sind.«

Man stürzt sich nun auf die­ses Phänomen:

»Was den Autoren auf­fällt: In Bezug auf die­ses Register habe das Robert-Koch-Institut am 30.7.2020 noch 33.367 Intensivbetten gemel­det. Jetzt hin­ge­gen sei­en es für die­ses Datum nur noch 30.340. Diese Diskrepanz, so heißt es in der Stellungnahme, sei nicht mit einer ver­än­der­ten Dokumentationsweise zu erklären.

Für die ver­schwun­de­nen Betten gibt es eine Erklärung
Richtig ist: Aus dem Intensivregister sind annä­hernd 3000 Betten ver­schwun­den. Falsch aller­dings ist die Aussage, es gäbe dafür kei­ne Erklärung. Die Zahlenabweichung lässt sich durch­aus durch eine ver­än­der­te Dokumentationsweise erklä­ren, auf die das DIVI sogar sel­ber auf­merk­sam macht: Seit dem 4. März 2021 wer­den die Kinder-Intensivbetten näm­lich in der Statistik nicht mehr mit­ge­zählt, wie Malte Kreutzfeldt von der „taz“ twittert.

Das DIVI pass­te aus die­sem Grund sei­ne Übersicht rück­wir­kend an. In sei­nen Anmerkungen weist das Intensivregister aus­drück­lich dar­auf hin, dass sich die Reduktion der Betten aus einer ver­än­der­ten Zählweise erge­be. „Die Kapazitäten für Erwachsene ste­hen in der gegen­wär­ti­gen Sars-CoV-2-Pandemie im Fokus, da schwe­re Verläufe vor­der­grün­dig bei Erwachsenen auf­tre­ten“, heißt es in der Begründung dafür. Die Summe der Kinderkapazitäten wird in den Grafiken seit­dem geson­dert ausgewiesen.«

Interessant ist, daß die­se "Anpassung" von Anfang März in den Medien nie ein Thema war (wäh­rend hier am 10.4. dar­über berich­tet wur­de in Je gerin­ger der Rückhalt, desto grö­ßer die Lüge). Die Begründung für die Korrektur klingt zudem wenig plau­si­bel. Auch die im August letz­ten Jahres vor­ge­nom­me­ne Reduzierung der Zahl der Intensivbetten (weil dafür kein Personal vor­han­den sei), wur­de in den Themen nicht behandelt:

https://​www​.inten​siv​re​gi​ster​.de/​#​/​a​k​t​u​e​l​l​e​-​l​a​g​e​/​z​e​i​t​r​e​i​hen

Weiter heißt es im "General-Anzeiger":

»Ein wei­te­rer Punkt aus dem kri­tisch beäug­ten Thesenpapier: Die Autoren unter­stel­len in Bezug auf die Zahl der Pflegekräfte das Fehlen objek­ti­ver Daten. "Eine Abnahme der aktiv täti­gen Pflegekräfte lässt sich sta­ti­stisch nicht nach­wei­sen", heißt es in der abschlie­ßen­den Bewertung des Papiers. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft tei­le jüngst in Bezug auf eine Sonderauswertung der Bundesagentur für Arbeit mit, dass die Zahl der Pflegekräfte in deut­schen Kliniken gestie­gen sei. Innerhalb eines Jahres sei deren Zahl von Oktober 2019 bis zum Oktober 2020 um 18.500 Pflegerinnen und Pfleger auf­ge­stockt wor­den. Allerdings erfüll­ten nicht alle Pflegekräfte nach „Insiderinformationen“, wie es im Thesenpapier heißt, die erfor­der­li­che Qualifikation…

„Jedes Krankenhaus in Deutschland wür­de Pflegekräfte ein­stel­len, aber der Markt ist wirk­lich kom­plett leer“, so [DIVI-Präsident] Karagiannidis wörtlich.

Die Autoren des Thesenpapiers kri­ti­sie­ren fer­ner, dass die Zahl der Corona-Patienten trotz hoher Melderate nur maxi­mal ein Viertel aller Intensivbetten mit Covid-19-Patienten aus­ma­che. Allein die Covid-19-Patienten für die Überlastung der Intensivstationen ver­ant­wort­lich zu machen, erschei­ne vor die­sem Hintergrund nur bedingt glaub­wür­dig. Es habe laut Schrappe in den Krankenhäusern die Tendenz gege­ben, Covid-19-Patienten ohne Not auf die Intensivstation zu verlegen.«

Nett, wie die­ses Argument wider­legt wer­den soll:

»Unter dem Hashtag #divi­ga­te mel­den sich indes­sen zahl­rei­che Mediziner und Pflegekräfte zu Wort, die sich durch das Thesenpapier attackiert füh­len. So äußert sich unter ande­rem Intensivkrankenpfleger Ricardo Lange, der zuletzt auch auf einer Pressekonferenz mit Gesundheitsminister Jens Spahn zu Wort kam: Er müs­se lesen, dass auf Intensivstationen offen­bar Patienten lagen, die dort nicht hät­ten lie­gen müs­sen. „Bei uns lag nie­mand, der es nicht muss­te“, twit­tert er.
Die Aussagen der Autoren wer­den im Netz hef­tig dis­ku­tiert. Ein mehr­fach genann­tes Argument: Die zugrun­de geleg­ten Zahlen im Thesenpapier sei­en falsch inter­pre­tiert oder grund­sätz­lich nicht richtig…«


Daß die benann­ten Probleme kei­ne Versäumnisse, son­dern eine bewußt her­bei­ge­führ­te Situation dar­stel­len, ist nach­zu­le­sen u.a. in Was ModelliererInnen schon 2013 wuß­ten.

Auch die Daten des BKK-Dachverbands stüt­zen die Aussagen der Schrappe-Gruppe (s. Gehen denn die gan­zen jun­gen Covid-Kranken nicht zum Arzt?).

16 Antworten auf „Schrappe-Papier kann nicht ignoriert werden“

  1. Natürlich lie­gen auf deut­schen Intensivstationen Patienten, die dort in ande­ren Ländern nicht lie­gen müß­ten, zum einen sind die Intensivstationen wohl der Bereich eines Krankenhauses, des­sen Belegung sich am besten steu­ern läßt und auch am inten­siv­sten gesteu­ert wird und zum ande­ren läßt sich wohl kaum erklä­ren, wie sonst ein Land mit offen­bar durch­aus lei­stungs­fä­hi­gem (sh. Lebenserwartung) Gesundheitswesen wie Schweden (aber auch die ande­ren Skandinavier) mit einem Bruchteil der Intensivbetten aus­kä­men (und es offen­sicht­lich auch nicht scha­det, selbst, wenn man sich ein­mal die Sterbefallzahlen des letz­ten Jahres, also die Gesamtsterblichkeit ansieht). Hr. Lange soll­te sich da viel­leicht auch nicht all­zu weit aus dem Fenster leh­nen, da kann man recht leicht her­aus­fal­len! Im Übrigen ist es gut, wenn sich die Pfleger und Mediziner attackiert füh­len, man soll­te es ihnen um die Ohren hau­en, die haben, soweit sie in öffent­li­chen Häusern beschäf­tigt sind, ihren Arbeitgeber, uns alle, in mas­siv­ster und unge­heu­er­li­cher Weise geschä­digt, allein das müß­te schon har­te Konsequenzen haben! Dafür, daß die ihren ver­damm­ten Job tun, für den sie, eben­falls auf Steuerzahlerkosten, sehr teu­er aus­ge­bil­det wur­den, muß nie­mand dan­ke sagen, dafür wer­den die bezahlt und das, durch­aus auch im Pflegebereich, nicht schlecht, ver­gli­chen mit ande­ren Berufsgruppen, die im letz­ten Jahr schwer gelit­ten haben, von den Ärzten brau­chen wir da gar nicht reden, die haben sichs finan­zi­ell immer noch gerich­tet! Auf die emo­tio­na­le Tour müs­sen mir die­se Berufsgruppen gera­de nicht kom­men, da hät­ten eini­ge ande­re ganz erheb­lich mehr Grund dazu.…

  2. Das Narrativ bröckelt, und es wird bald ganz ein­stür­zen. Und dann wer­den die Schuldigen der ver­ant­wor­tungs­lo­sen, kri­mi­nel­len Panikmache, die uns seit über ein Jahr mit irr­sin­ni­gen Maßnahmen das Leben schwer machen, nackt daste­hen. Wie ich schon schrieb: Es ist eine Achterbande, die am Pranger ste­hen wird. Merkel, Spahn, Seehofer, Söder, Altmaier, Lauterbach, Drosten und Wieler sind die Hauptschuldigen. Viele ande­re haben sich schul­dig gemacht, die Medien und der Bundestag sind in die Irre gegan­gen, aber die acht Genannten sind die Drahtzieher und Haupttäter.

    1. Da fal­len mir noch ein paar ande­re ein, vor­ran­gig die unsäg­li­che EU-Kommissionspräsidentin mit der Helmfrisur, oder die Armada von Hofschranzen in den öffent­lich-recht­li­chen Anstalten.

    2. Für mich sit­zen die Hauptschuldigen in Redaktionen. 

      Nach mei­nen Eindrücken war es 2020 nicht die Regierung, die die Propaganda lenk­te, son­dern umge­kehrt. "Ministerium für Propaganda" war frü­her – heu­te lenkt der ungreif­ba­re Zeitgeist, bei dem es sich um einen aus­ge­präg­ten Zwangsneurotiker han­deln muss. Der kein Bewusstsein über die eige­ne Störung hat – Spinner sind immer die Anderen.

      Der Tweet des BMfG vom 14.3. "Achtung Fake News" war, so mei­ne ich, ehr­lich gemeint – aber gegen die pro­pa­gier­te Panik und Söders popu­li­sti­schen Schwenk vom 16. nicht zu halten.
      https://​www​.zdf​.de/​n​a​c​h​r​i​c​h​t​e​n​/​p​o​l​i​t​i​k​/​c​o​r​o​n​a​-​g​e​s​u​n​d​h​e​i​t​s​m​i​n​i​s​t​e​r​i​u​m​-​f​a​k​e​-​t​w​i​t​t​e​r​-​1​0​0​.​h​tml

      Spahn dazu:
      "Wir wuss­ten, dass wir zu die­sen Maßnahmen mal kom­men müs­sen. Wir wuss­ten aber nicht wie schnell"
      DAS war gelo­gen. Und ab da fast alles. Niemand möch­te zugeben:
      ICH BIN EIN GESCHEUCHTES HUHN.

    3. Solche Wunschträume lese ich seit einem Jahr. Es bröckelt nichts und es wird auch nichts ein­stür­zen. Die haben sich ALLE schul­dig gemacht. Und kön­nen nicht mehr zurück. Also wer­den sie sich und uns alle ins Verderben stür­zen. Die, die du hier nennst, sind nur die Marionetten.

    4. .…träum wei­ter 🙁 Die Behauptung, "wenn wir anders gehan­delt hät­ten, wären X Menschen tot", wird mit der glei­chen Dreistigkeit wei­ter kom­mu­ni­ziert UND GEGLAUBT.

  3. Der Volksverpetzer soll­te Aktienanalysen anbie­ten. Ich mache dann immer das Gegenteil, was der Volksverpetzer emp­fiehlt und wer­de reich.

  4. Schon wie­der – habt ihr das gehört bei dem WDR-Beitrag bei Minute 2:50? "Man hät­te im ver­gan­ge­nen Jahr wirk­lich die Kliniken vor Überlastung bewah­ren wol­len und sei des­halb mit so Nachrichten an die Öffentlichkeit gegan­gen". Don ´t panic, oder noch bes­ser: Völker die­ser Welt, relaxt!

  5. "Neben einer unter­ir­di­schen Besprechung der "Volksverpetzer" …"

    Die tap­fe­ren Volksverpetzer müs­sen jetzt end­lich ein Bundesverdienstkreuz oder einen Grimme-Preis bekom­men, bevor jemand auf die Idee kommt, die Seite für unse­ri­ös zu halten.

  6. "Merkel droht mit aus­brei­ten­dem Unruheherd"

    Ich hab kürz­lich einen Ausschnitt ihrer Solo-Sendung mit … (Will? / Illner? / …?) gese­hen. Geschminkt wie eine ägyp­ti­sche Pharaonenleiche, mit iko­no­gra­fi­schen Tiefmundwinkeln, saß sie regungs­los da, und ver­kün­de­te mit leb­lo­ser Totenmaske ihre nekro­phi­len Eingebungen. Die Frau ist nur noch zum Gruseln.

  7. Und immer wei­ter wird die­se Lügengrafik des DIVI gestreut, die bei unin­for­mier­ten Menschen den Eindruck erzeu­gen muss, dass nach Beginn der Corona-Pandemie-Ausrufung die Intensivbetten voll­ge­lau­fen wären.

    Dass die Grafik erst ab Mitte Mai über­haupt auch nur halb­wegs ver­gleich­ba­re Daten zeigt wird REGELMÄßIG unterschlagen.

    Warum wird die­ser Kurvenverlauf vor Mitte Mai über­haupt ange­zeigt? Der hat Null Relevanz. Warum wird der Verlauf des AUFBAUS des Registers gezeigt, und zwar auf eine Art, die dem unbe­darf­ten Beobachter die Interpretation nahe legt, die­ser Verlauf sei auf Krankheitsgeschehen zurück zu führen?

    Und war­um wird die­se Grafik über­all ver­brei­tet – sogar in kri­ti­schen Medien – ohne auf die­sen skan­da­lö­sen Sachverhalt hinzuweisen?

    Fällt denn gar kei­nem mehr auf, dass die­se Grafik so eine mas­si­ve Falschdarstellung ent­hält die zu Fehlinterpretationen einläd?

  8. 'Die Corona Pandemie und der demo­kra­ti­sche Rechtsstaat' // 29.04.2021
    699 Aufrufe
    •05.05.2021
    Kooperationsveranstaltung der Demokratie-Stiftung der Universität zu Köln mit der Rechtsanwaltskammer Köln und dem Institut für Anwaltsrecht an der Universität zu Köln.

    https://​www​.you​tube​.com/​w​a​t​c​h​?​v​=​5​n​r​s​f​g​z​5​Ol4

    Ausgangspunkt:
    29.04.2021 Diskussionsrunde in der Tagung “Die Corona-Pandemie und der Demokratische Rechtsstaat” der Demokratie-Stiftung der Universität zu Köln mit der Rechtsanwaltskammer Köln und dem Institut für Anwaltsrecht an der Universität zu Köln, zusam­men mit L. Stuckert, MPI für Gesellschaftsforschung Univ. Köln, P. Gaidzik, Universität Witten/Herdecke, M. Gabriel, Univ. Bonn; hier zur Aufzeichnung der Veranstaltung, zu den Downloads
    http://​www​.mat​thi​as​.schrap​pe​.com/

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