Spiegel rätselt – und ahnt die Antwort

Das Blatt kommt mit die­ser Entwicklung nicht klar. Es ist für den Autoren "Das deut­sche Corona-Paradox".

»Die Situation erscheint para­dox: Seit Wochen berich­tet das Robert Koch-Institut über lang­sam stei­gen­de Infiziertenzahlen in Deutschland. Mit ein, zwei Wochen Verzögerung soll­te die­ser Trend eigent­lich auch bei der Zahl der Covid-19-Patienten in Krankenhäusern und der Corona-Toten erkenn­bar sein.

Doch in bei­den Fällen tut sich aktu­ell kaum etwas. Etwa 230 Covid-19-Patienten wer­den der­zeit auf Intensivstationen in deut­schen Krankenhäusern behan­delt. Und die­se Zahl ist in den ver­gan­ge­nen Wochen kon­ti­nu­ier­lich gesun­ken, wenn man sich den Sieben-Tage-Durchschnitt anschaut.

Die Gesamtzahl der Todesfälle erhöht sich der­zeit pro Tag um durch­schnitt­lich 5,7. Im Juli lag die Zahl für eini­ge Tage bei 3,0 Toten pro Tag, Anfang August auch mal bei 7,0. Bei so klei­nen Fallzahlen sind sol­che Schwankungen nor­mal. Einen Anstieg ver­gleich­bar mit dem bei den Infektionszahlen gibt es nicht. Und auch kei­ne wie­der­hol­ten Ausbrüche in Seniorenheimen mit vie­len Toten wie zu Beginn der Pandemie…

Wer mehr testet, fin­det auch mehr Infektionen – und zwar auch sol­che, die frü­her uner­kannt geblie­ben sind, die es aber damals auch schon gab. In Wahrheit könn­te sich dem­nach am Infektionsgeschehen kaum etwas geän­dert haben.

Das Gegenargument dazu lau­tet: Ja, es wur­de zwar mehr gete­stet, aber auch die Positivrate der Tests ist leicht gestie­gen. Der Anstieg unter den posi­tiv Getesteten war dem­nach stär­ker als der Anstieg bei der Zahl der Tests. Was dafür spricht, dass die Infektionen tat­säch­lich zuge­nom­men haben – wenn auch nicht ganz so stark, wie die abso­lu­ten Zahlen suggerieren.

Plausibler ist daher eine ande­re Erklärung: Die Altersverteilung der Infizierten hat sich ver­än­dert. Anteilig tau­chen neu­er­dings viel mehr jün­ge­re Menschen in den Statistiken auf. Bei die­sen ver­läuft die Infektion meist harm­los, sodass sich die Krankenhaus- und Todesstatistik bis­lang kaum ver­än­dert hat…

Die Menschen ab 60 schei­nen also der­zeit etwas abge­kop­pelt zu sein von der all­ge­mei­nen Entwicklung bei den Infektionen, wes­halb es bei den schwe­ren Verläufen und den Todeszahlen noch kei­nen star­ken Anstieg gibt.«

Doch stirbt des Spiegels Hoffnung zuletzt:

»Dies könn­te sich aber in den kom­men­den Wochen ändern, wie das Beispiel Florida zeigt. Dort waren im Juni zunächst vor allem die Infektionen bei jun­gen Menschen stark ange­stie­gen. Im Juli schnell­ten dann aber auch die Fälle bei Älteren nach oben – und mit ihnen die Todeszahlen.«

Haben "Corona-Leugner" etwa Recht?

»Tatsächlich könn­ten falsch posi­ti­ve Testergebnisse ein fal­sches Bild vom Infektionsgeschehen ver­mit­teln, wenn die Infektionszahlen, so wie der­zeit in Deutschland, rela­tiv nied­rig sind.

Ein klei­nes Rechenbeispiel: Ein Test lie­fert bei Nichtinfizierten in 99 Prozent der Fälle das zutref­fen­de Ergebnis "nega­tiv". Doch für ein Prozent der Betroffenen ein falsch posi­ti­ves Ergebnis. Diese Menschen wür­den als infi­ziert gel­ten, obwohl sie es gar nicht sind.

Hätten die in Deutschland ver­wen­de­ten PCR-Tests eine Falsch-Positiven-Quote von einem Prozent, müss­ten min­de­stens ein Prozent aller Tests posi­tiv sein, auch wenn die tat­säch­li­che Infektionsrate viel nied­ri­ger wäre. Ein Prozent ent­spricht übri­gens ziem­lich genau der aktu­el­len Positivrate hier­zu­lan­de. Mehr Tests wür­den auto­ma­tisch mehr Infizierte bedeu­ten, obwohl dies mit dem eigent­li­chen Infektions­geschehen gar nichts zu tun hätte.

Laut einer im Juni ver­öf­fent­lich­ten Studie liegt die Falsch-Positiven-Rate bei PCR-Tests für das neu­ar­ti­ge Coronavirus zwi­schen 1,4 und 2,2 Prozent.«

Abhilfe gegen zu hohe Falsch-Positiven-Raten könn­te dem Bericht zufol­ge "eine Validierung mit einem Testkit eines ande­ren Herstellers" brin­gen. Doch weder ist er vor­ge­schrie­ben noch ver­fü­gen die mei­sten Labors über ent­spre­chen­de Möglichkeiten.

»Dass die Rate der falsch Positiven in Deutschland auf jeden Fall deut­lich unter einem Prozent liegt, zeigt der Blick in die wöchent­li­che Teststatistik des RKI. Demnach waren in der 28. Kalenderwoche, also vom 6. bis 12. Juli, nur 0,59 Prozent von immer­hin 510.000 Tests posi­tiv. Mit einer Falsch-Positivrate über 0,59 Prozent ist ein sol­ches Ergebnis mathe­ma­tisch unmöglich.

Doch die Rate ist offen­bar viel nied­ri­ger, wenn man den inter­nen Statistiken des Labors Centogene glaubt. Das Unternehmen testet eige­nen Angaben zufol­ge alle sei­ne 500 Mitarbeiter seit Beginn der Pandemie zwei­mal pro Woche. Unter den etwa 20.000 Tests habe es nur drei posi­ti­ve gege­ben, sagt Peter Bauer. In allen drei Fällen sei­en die Betroffenen ganz offen­sicht­lich tat­säch­lich infi­ziert gewe­sen – sie hät­ten die typi­schen Covid-19-Symptome wie Verlust des Schmeckens gezeigt. "Wir hat­ten also bei inzwi­schen gut 20.000 haus­in­ter­nen Tests kei­nen ein­zi­gen falsch positiven."

Dies bedeu­tet frei­lich nicht, dass es kein ein­zi­ges falsch posi­ti­ves Testergebnis in Deutschland gibt. Verunreinigungen oder ver­tausch­te Proben im Labor pas­sie­ren. Dies hat­te sich auch bei der PCR-Test-Studie gezeigt. Auch beim Abstrich ist eine Kontaminierung der Probe denk­bar – durch Viren etwa, die in der Luft schwe­ben und von einer ande­ren Person stam­men.«

2 Antworten auf „Spiegel rätselt – und ahnt die Antwort“

  1. Die Grafik ist ja wohl trotz der beru­hi­gen­den Aussage hoch­gra­dig gelo­gen. Offensichtlich wer­den die Werte "mit Beatmung" auf die Werte "ohne Beatmung" drauf­ge­setzt, also im Koordinatensystem auf­ad­diert anstatt sie, wie die ande­ren Werte auch, und wie es in Koordinatensysteme nun mal üblich ist, von "Null" aus abzutragen.

    Denn so wie die Grafik gege­ben ist wird damit aus­ge­sagt: es gibt mehr in den KKHs mehr Covid-19-Kranke "mit Beatmung" als Kranke "ohne Beatmung" – was ja wohl ganz bestimmt nicht rich­tig ist.

    Also: obwohl die­se Grafik eigent­lich aus­sagt, dass die Situation unkri­tisch ist, wird trotz­dem noch eine Lüge eingebaut.

    Die Vernunft (oder die Moral, der Drang zu Ehrlichkeit) hat sich in die­sem Land bei dem, was sich für "Elite" hält, völ­lig verflüchtigt.

  2. Nein, Herr Storz. Sie lie­gen falsch.
    Der Tagesspiegel hat den Grafen kor­rekt dar­ge­stellt. Leider miss­ver­ständ­lich gefärbt und markiert.

    Bitte auch sel­ber genau blei­ben und nicht über­all Krümel suchen. Freuen wir uns lie­ber, dass die Dinge bemer­ken, wofür ande­re vor 2 Monaten noch auf dem Scheiterhaufen landeten.

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