Wer sitzt in der "Ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut"?

Im Beitrag Maske fore­ver, weil beim Impfen "Erfahrungshorizont über­schau­bar" ist wur­de berich­tet, wel­che Pläne die "Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut" mit uns hat. Was ist das für ein Gremium?

Die Stiko ist im Infektionsschutzgesetz ver­an­kert, eine ihrer Hauptaufgaben ist die Formulierung von Impfempfehlungen. Wer sich denen wider­setzt, bekommt kei­nen Ersatz für einen Verdienstausfall durch Quarantäne, ab dem 1.1.2021 auch nicht bei Schul- oder Kitaschließungen (s. Spahns "frei­wil­li­ge Impfungen" sind ein Hohn).

Wer sind ihre Mitglieder und wer steckt hin­ter ihnen? Nach Wikipedia wer­den sie vom Bundesminister für Gesundheit beru­fen. (Das ist offen­bar ein wesent­lich demo­kra­ti­sche­res Verfahren als die Besetzung von Richterstellen durch Trump.)

»12 von 16 Mitgliedern der STIKO wur­den… Nebentätigkeiten für Pharmaunternehmen oder von die­sen unter­stütz­ten Organisationen vor­ge­hal­ten

»So hat­te auch die Organisation Transparency International für März 2009 bei der Schweingrippeimpfung fest­ge­stellt, "dass die Mehrzahl der der­zeit 16 Mitglieder mehr oder min­der inten­si­ve Kontakte, dar­un­ter auch bezahl­te Tätigkeiten, zu den wich­tig­sten Herstellern von Impfstoffen haben."

Auftrieb erhielt die­se Debatte, als im Herbst 2007 Heinz-Josef Schmitt sei­nen Vorsitz der STIKO nie­der­leg­te und einen Posten in der phar­ma­zeu­ti­schen Industrie bei Novartis Vaccines and Diagnostics annahm…

Ende Oktober 2008 wur­de die Geschäftsordnung geän­dert, um Zweifel an der Unvoreingenommenheit zu besei­ti­gen; außer­dem soll ver­hin­dert wer­den, dass "per­sön­li­che Auffassungen, Interessenkonflikte oder Lobbyisten der Impfstoffhersteller Einfluss auf die Entscheidungen" neh­men kön­nen. So müs­sen mitt­ler­wei­le STIKO-Mitglieder vor jeder Sitzung alle mög­li­chen Verbindungen zu Pharmakonzernen umfas­send offen­le­gen. Bei Zweifel dür­fen STIKO-Mitglieder nicht an der Beratung teil­neh­men.«

Im Foyer fast sämtliche großen Impfstoffhersteller der Welt

Wer also einen Beratervertrag in der Tasche hat, geht mal kurz aus der Sitzung raus. Wie so eine Tagung aus­sieht, schil­der­te 2009 spie​gel​.de:

»Um der deut­schen Impfmüdigkeit zu begeg­nen, tref­fen sich die­se Woche unter maß­geb­li­cher Beteiligung von Stiko-Mitgliedern erst­mals Wissenschaftler und Politiker zur Nationalen Impfkonferenz in Mainz, einer Tagung, zu der Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) per­sön­lich ein Grußwort bei­trägt – wäh­rend im Foyer fast sämt­li­che gro­ßen Impfstoffhersteller der Welt Informationsstände auf­ge­baut haben.«

Danach hat­te die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin (Degam) erheb­li­che Kritik geäußert:

»Die Entscheidungsfindung der Stiko über Impfempfehlungen müs­se wis­sen­schaft­lich fun­diert und nach­voll­zieh­bar sein, for­dern die Allgemeinmediziner, die neben den Kinderärzten die wich­tig­sten Akteure bei Impfkampagnen sind. "Es geht dar­um, einen neu­en Weg beim Impfen zu fin­den. Nicht den der Impfgegner und nicht den der der­zeit unglaub­wür­di­gen Stiko", sagt Egidi. Ziel der Initiative sei es, die Ständige Impfkommission wie­der zu einer ver­trau­ens­vol­len Instanz zu machen. Auch die Gesundheitspolitiker, for­dert Egidi, soll­ten auf die­sen neu­en Kurs ein­schwen­ken. Die Degam-Ärzte hat­ten Ulla Schmidt zuvor ver­ge­bens auf­ge­for­dert, ihr Grußwort zur Nationalen Impfkonferenz zurückzuziehen.«

Was beim RKI als unkritisch gilt

Das RKI muß von den Mitgliedern der Kommission eine Selbstauskunft ver­lan­gen. "Als unkri­tisch gewer­tet" gel­ten dabei

»Inhaberschaft von Patenten, Lizenzen o.ä. an Impfstoffen oder Mitteln der spe­zi­fi­schen Prophylaxe, Aktienbesitz, son­sti­ge finan­zi­el­le Beteiligungen an pU, außer Kleinaktionärs- oder Fondsanteile

Berufliche Tätigkeiten bei einem pU (z.B. als Beschäftigter oder Mitglied geschäfts­lei­ten­der Gremien wie z.B. Vorstand oder Aufsichtsrat)

Mitgliedschaft in bzw. Tätigkeiten für Beratungsgremien eines pU

Erstellung von bzw. Mitwirkung an Gutachten im Bereich Schutzimpfungen oder auf dem Gebiet der spe­zi­fi­schen Prophylaxe im Auftrag von oder finan­ziert durch pU

Durchführung von bzw. Mitwirkung an Studien zur Entwicklung oder Zulassung von Impfstoffen oder Mitteln der spe­zi­fi­schen Prophylaxe

Durchführung von bzw. Mitwirkung an son­sti­gen Studien im Bereich Schutzimpfungen oder spe­zi­fi­sche Prophylaxe

Vorträge auf Fortbildungs- oder son­sti­gen Veranstaltungen auf Einladung, im Auftrag von oder mit Honorar von einem pU

Vorträge zu einem Impfstoff oder Mittel der spe­zi­fi­schen Prophylaxe auf Veranstaltungen Dritter (z. B. Ärztekammern, Fachgesellschaften) mit teil­wei­ser (Re-)Finanzierung der Veranstaltung durch pU

Sonstige Tätigkeiten für pU oder mit finan­zi­el­ler Unterstützung von pU (z.B. Veröffentlichungen, Teilnahme an Kongressen oder Fortbildungsveranstaltungen, wer­ben­de Auftritte, Teilnahme an Pressekonferenzen, Mitarbeit an einer Web-Seite), sowie son­sti­ge rele­van­te Umstände

pU = Unternehmen, die Impfstoffe oder Mittel der spe­zi­fi­schen Prophylaxe ent­wickeln, her­stel­len oder ver­trei­ben«

Die aktuellen Mitglieder

Zu den Bereinigungen, die inzwi­schen durch das RKI vor­ge­nom­men wur­den, sie­he das Update unten.

Konkret ange­ge­ben wird für Prof. Dr. med. Gerd-Dieter Burchard vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin:

»Interessenskonflikte, die den Anschein der Befangenheit begründen:
(führt zum Ausschluss von den betrof­fe­nen Beratungspunkten)

Durchführung von bzw. Mitwirkung an Studien zur Entwicklung oder Zulassung von Impfstoffen oder Mitteln der spe­zi­fi­schen Prophylaxe:

      • Vier Phase III-/Phase IV-Studien mit Japan. Enzephalitis-Impfstoffen (2010–2014, Studienleiter, gespon­sert von Novartis bzw. Intercell Austria)
      • Zwei Phase III-Studien mit Meningokokken ACWY-Impfstoff (2011–2012, Studienleiter, gespon­sert von Novartis)…

Weitere Angaben aus der Selbstauskunft:
(als unkri­tisch gewertet)…

Durchführung von bzw. Mitwirkung an Studien zur Entwicklung oder Zulassung von Impfstoffen oder Mitteln der spe­zi­fi­schen Prophylaxe: Drei Phase III-Studien mit Impfstoff gegen pan­de­mi­sche Influenza (2008–2010, gespon­sert von Novartis), eine Phase I‑Studie mit Impfstoffkandidaten gegen sai­so­na­le Influenza (2008–2009, gespon­sert von Novartis)…«

Weiter: "Vorträge zu einem Impfstoff… (teil­wei­se mit Honorar durch den Veranstalter") – wobei es sich hier um oben genann­te "pU" handelt.

Prof. Dr. Edeltraut Garbe:
Interessenskonflikte, die den Anschein der Befangenheit begrün­den (führt zum Ausschluss von den betrof­fe­nen Beratungspunkten):
zwei Studien, finan­ziert durch SPMSD (ver­schlei­ernd für Sanofi Pasteur MSD) bzw. GSK (das ist GlaxoSmithKline Biologicals).

Für Prof. Dr. Ulrich Heininger wer­den gleich 10 Mitgliedschaften in bzw. Tätigkeiten für Beratungsgremien eines pU auf­ge­führt, dar­un­ter eben­falls Sanofi Pasteur, GlaxoSmithKline, Takeda u.a. Auch sei­ne "son­sti­gen Tätigkeiten" wer­den in der Regel als "mit finan­zi­el­ler Unterstützung von pU" beschrie­ben.

Dr. Thomas Ledig gibt ledig­lich meh­re­re als "unkri­tisch" gewer­te­te Vorträge zu all­ge­mei­nen Impfthemen "mit teil­wei­ser (Re-)Finanzierung der Veranstaltung durch pU" an.

Das gilt auch für Dr. Martina Littmann, Dr. Marianne Röbl-Mathieu.

Prof. Dr. Klaus Überla 

»Interessenskonflikte, die den Anschein der Befangenheit begründen:
(führt zum Ausschluss von den betrof­fe­nen Beratungspunkten)

Mitgliedschaft in bzw. Tätigkeiten für Beratungsgremien eines pU:

      • Beratung zu Influenza- und RSV-Impfstoffen bzw. Mitteln der spe­zi­fi­schen Prophylaxe (ein­ma­lig 2015, für AstraZeneca)…«

Prof. Dr. Marianne van der Sande
eini­ge "son­sti­ge Tätigkeiten für pU oder mit finan­zi­el­ler Unterstützung von pU" ("unkri­tisch").

Prof. Dr. Rüdiger von Kries

»Interessenskonflikte, die den Anschein der Befangenheit begründen:
(führt zum Ausschluss von den betrof­fe­nen Beratungspunkten)

Durchführung von bzw. Mitwirkung an son­sti­gen Studien im Bereich Schutzimpfungen oder spe­zi­fi­sche Prophylaxe:

      • Epidemiologische Surveillance von inva­si­ven Pneumokokken-Erkrankungen bei Kindern (seit 2010–2018, Studienleiter, finan­ziert von Pfizer)…«

Univ.-Prof. Dr. Ursula Wiedermann
»Interessenskonflikte, die den Anschein der Befangenheit begrün­den (führt zum Ausschluss von den betrof­fe­nen Beratungspunkten)«:
Acht Durchführungen von bzw. Mitwirkungen an Studien zur Entwicklung oder Zulassung von Impfstoffen oder Mitteln der spe­zi­fi­schen Prophylaxe, u.a.gesponsert von Novartis, Baxter (US-Pharma-Unternehmen), Pfizer, GlaxoSmithKline
sowie diver­se "unkri­tisch gewer­te­te" Aktivitäten.

Prof. Dr. Fred Zepp

»Interessenskonflikte, die den Anschein der Befangenheit begrün­den:
(führt zum Ausschluss von den betrof­fe­nen Beratungspunkten)

Mitgliedschaft in bzw. Tätigkeiten für Beratungsgremien eines pU: Chairman/Mitglied im Independent Data Monitoring Committee der Effektivitätsstudie eines qua­dri­va­len­ten Influenza-Impfstoffs (seit 2015, Sanofi-Pasteur)«

"als unkri­tisch gewer­tet":
Wissenschaftlicher Beirat von CureVac, Tübingen – Therapieentwicklung mit mRNA
»Chairman/Mitglied im DataMonitoring Safety Board (seit 2017): Entwicklung eines neu­en ora­len Polio-2-Impfstoffes (nOPV2). Studiensponsor: Universität Antwerpen (Belgien)/WHO. Finanzierung Bill and Melinda Gates Foundation«

sowie diver­se Vorträge und "son­sti­ge Tätigkeiten"

Keine bela­sten­de Aktivität wird genannt für Prof. Dr. Christian Bogdan, Prof. Dr. Eva Hummers, Prof. Dr. Jörg Meerpohl, Prof. Dr. Thomas Mertens (Vorsitzender der Stiko), Dr. Martin Terhardt, Prof. Dr. Dr. Sabine Wicker (stv. Vorsitzende der Stiko), Dipl.-Med. Gudrun Widders.

(Hervorhebungen nicht in den Originalen.) 

Update: Einige Einzelheiten zu den Selbstauskünften wur­den prä­zi­siert. Die Angaben zu Herrn Burchard wur­den inzwi­schen beim RKI geschönt. Die Zitate hier sind nach­zu­le­sen auf web​.archi​ve​.org. Auch die Daten zu Herrn Heininger wur­de gesäu­bert, die ursprüng­li­che Auskunft gibt es auf web​.archi​ve​.org. Bei Herrn Überla wur­de inzwi­schen die Angabe zu AstraZeneca gestri­chen, sie­he web​.archi​ve​.org. Bei Frau Wiedermann sind wei­te­re gespon­ser­te Studien hin­zu­ge­kom­men, dafür wer­den sie nicht mehr "Interessenskonflikte, die den Anschein der Befangenheit begrün­den" genannt (web​.archi​ve​.org). Für Herrn Zepp wer­den mitt­ler­wei­le noch mehr Studien für "Impfstoff-Kandidaten" auf­ge­führt, dafür ist der Hinweis auf die Finanzierung durch die Gates-Stiftung ver­schwun­den (web​.archi​ve​.org)

5 Antworten auf „Wer sitzt in der "Ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut"?“

  1. @ AA: Nein, das Lob ist nicht zu groß. Um die rich­ti­gen Antworten zu fin­den muss man auch die rich­ti­gen Fragen stel­len kön­nen. Das haben die Merkel-Medien kom­plett ver­lernt. Ich schlie­ße mich dem Dank der Julia Barros an.

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