Es gibt nun doch seit dem 19.1. nachmittags den transkribierten Text von Drostens letztem Podcast. Für den ersten Teil des Berichts darüber (Drosten zu Hintergedanken und Arbeitsplatzabwesenheiten) mußte ich das Interview noch selbst verschriftlichen. Dank an die unkaputtbaren MitarbeiterInnen im NDR! Weiter geht es also, und gleich in die Vollen.
Wie steht es um die Long-Covid-Betroffenen pro Zeit in der Zukunft?
»Korinna Hennig … Da spielt natürlich auch noch mal der Aspekt Long Covid rein – weil Sie gerade Arbeitsplatz-Abwesenheiten nannten -, also wie viele Menschen tatsächlich in dieses Risiko reinlaufen…
Christian Drosten … Insbesondere nimmt es in der Häufigkeit ab, dass es also überhaupt dazu kommt, auch wieder mit der zunehmenden Infektionserfahrung in der Bevölkerung. Und da kann man sich schon drauf berufen, darauf verlassen, dass Long Covid – so ungünstig das für die Betroffenen jetzt ist -, dass die Zahl der Betroffenen pro Zeit in der Zukunft weniger werden wird.«
Die Wissenschaft hat China auf dem Zettel
Immer dann, wenn es im Inland entspannt zugeht, wendet man sich in dieser Podcast-Reihe Tieren und Menschen in anderen Ländern zu.
»Korinna Hennig Sie haben eben schon die Variante, die in den USA unterwegs ist, angesprochen. Ich würde ganz kurz, bevor wir darauf kommen, gerne noch in ein anderes Land blicken, das auch die Schlagzeilen beherrscht und das auch die Wissenschaft schon länger auf dem Zettel hat, nämlich China.«
Hennig ist schon besorgt. Drosten weniger, wenn auch wie üblich wieder doch:
»Christian Drosten Das ist eine Sorge, die allerdings auf einer sehr allgemeinen Auffassung basiert. Das muss man sich klarmachen, eine Sorge ohne einen konkreten Anhalt im Moment. Das macht die Sorge nicht weniger berechtigt. Aber man muss schon sagen, es ist dadurch jetzt im Moment nicht so, dass man von einer Akutsituation sprechen kann…«
Ganz normale Virusvarianten, die wir bei uns hier auch im Moment in der Mischung drin haben
Immer wieder gibt es bei Drosten verblüffende Passagen, die eigentlich die bisherige Coronapolitik ad absurdum führen. Da ich schon länger davon überzeugt bin, daß wirklich niemand auf der Welt ihm richtig zuhört, wundert mich auch diesmal nicht, daß diese Aussage unbeachtet bleibt:
»Man muss sich vielleicht kurz klarmachen, was ist eigentlich mit dem Virus passiert? Das Virus ist weltweit auf Bevölkerungen getroffen mit einer zugrundeliegenden Immunität, die inzwischen relativ gleich ausgeprägt ist. Und das Virus hat seine Antworten darauf gefunden…«
Weltweit, sagt der Mann, dem einst Millionen Menschen vertrauten, gibt es eine relativ gleiche Immunität. Das heißt nicht mehr und nicht weniger, als daß "Impfungen" eine zu vernachlässigende Rolle spielen. Natürlich gilt das nicht für anderthalb Milliarden ChinesInnen:
»Und nun kommt dieses Virus… Es sind Nachkommen dieser Virus-Untervarianten, also wir haben in China vor allem die BF.7‑Variante und BA.5.2‑Variante. Das sind ganz normale Virusvarianten, die wir bei uns hier auch im Moment in der Mischung drin haben. Und diese Varianten sind im Prinzip vortrainiert auf diesen Immune Escape gegen unsere Bevölkerungsimmunität. In China gibt es weniger Bevölkerungsimmunität… «
Krepiert das Virus?
»Bestimmte Personen in China werden jetzt erstmalig infiziert. Und dort können Viren Mutationen machen, die sie sich anderswo nicht leisten konnten, die vielleicht dazu führen, dass die Übertragbarkeit von so einem Virus dann wieder steigt. Jetzt geht das Virus zum nächsten Menschen, der ist vielleicht grundimmun. Jetzt kommt die Entscheidung: Macht das Virus auf dem Boden der gefundenen Übertragbarkeitsmutation jetzt eine neue Escape-Mutation, um zu bleiben, oder krepiert es? Dann werden wir dieses Virus nie wieder sehen. Das kriegen wir nicht mit. Das Virus wird sich nicht weiterverbreiten. Und die Gesamtheit der Viren bleibt bei den alten Varianten...«
Wie Sie sehen, sehen Sie nichts
»Und diese Entscheidungsprozesse, die innerhalb von Sekunden ablaufen, so dass innerhalb von einer Übertragungsgeneration entschieden wird, ob sie bleiben oder nicht, das können wir jetzt im Prinzip in Echtzeit beobachten, wenn wir das könnten. Also es ist technisch nicht möglich, aber es passiert gerade jetzt im Moment, in diesen Wochen…«
Es ist wie ein Murmelspiel
Wenn Drosten Bilder wählt, gerne mit Tieren, Autos oder Kaffeefiltern, passen sie in der Regel überhaupt nicht:
»Und da ist tatsächlich eine gewisse grundsätzliche Gefahr, also vielleicht so, wenn man sich das vorstellt, wie so ein Kinder-Murmelspiel, wo man durch Kippen eines Bretts die Murmeln in Löcher balanciert. Und dann hat man es fast schon geschafft. Es ist fast schon alles gesettelt [? AA], und dann kommt jemand und haut von unten noch mal gegen das Spielbrett, und ein paar von den Kugeln fliegen wieder hoch. Dann kann es sein, dass am Ende, wenn diese Kugeln wieder zur Ruhe gekommen sind, dass sie dann in anderen Löchern liegen. Und dieser Prozess, der läuft da in China gerade ab. Der ist unwägbar. Und darum gibt es eine grundlegende Sorge darüber, aber eben keinen konkreten Anhalt.«
Frau Hennig gefällt das Spiel:
»Korinna Hennig Jetzt sagen die europäischen Politiker, wenn wir mal bei dem Bild von dem Murmelspiel bleiben wollen: Wir wollen nicht, dass die Murmeln dann im letzten Moment doch noch in andere Löcher rutschen und das Geschrei groß ist. Es geht ja bei der Einreisepolitik, bei den Maßnahmen im Flugverkehr nicht darum, Infektionen am Einwandern zu hindern, weil wir selbst genug Infektionstätigkeit hier haben, sondern eben um diese Virusvarianten, die entstehen könnten. Wie viel Sinn macht es denn da, Reisende aus China zu testen? Weil: Die Maschen für das Virus sind ja relativ groß. Wenn ein PCR-Test 48 Stunden alt ist, kann ich unbemerkt längst infiziert sein und an Bord eines Flugzeugs andere anstecken – und zack, ist die Variante ohnehin im Land. Oder?
Christian Drosten Ja, na klar, so ist das… Man wird sowieso nicht immer alle Positiven erwischen. Die erste Reihe der Selektion ist ein Antigentest, und da gehen ja viele durchs Netz…«
Mit Proben aus Flugzeugtoiletten kann man nicht den einzelnen Patienten verfolgen
"Ist das ein wichtiges Werkzeug?", fragt Hennig.
»Christian Drosten Ja, das ist natürlich wichtig. Das hat jetzt nicht so eine starke Auflösungskraft, also man kann nicht den einzelnen Patienten damit verfolgen. Deshalb ist es, sagen wir mal, aus dieser Arbeitslinie des öffentlichen Gesundheitswesens ausgeschieden. Aber es hat natürlich einen wichtigen Gesamtinformationswert, also die Populationsüberwachung. Und das hat sich während der Pandemie herausgestellt, vor der Pandemie wusste man das nicht…«
Wofür so eine Pandemie doch alles gut war…
Man blickt nicht mehr durch mit den ganzen Sub-Sub-Sub-Varianten:
»Korinna Hennig Jetzt haben wir eben schon sehr theoretisch über die Evolution gesprochen. Und Sie haben es eingangs gesagt, wir haben aber auch ein ganz konkretes Beispiel, an das sich verschiedene Fragen knüpfen, nämlich in den USA: eine Sub-Sub-Sub-Variante von Omikron sozusagen, XBB.1.5 heißt sie, hat sich dort stark ausgebreitet. Das ist ja ein bisschen unübersichtlich geworden, welches Virus von welchem abstammt, mit welchem zusammenhängt. Dieses ist aber eins, das tatsächlich international ein bisschen Besorgnis hervorruft…«
Treffen sich zwei Varianten und dümpeln vor sich hin
Hennig fragt nach der Verdoppelungszeit ("Hello darkness, my old friend", sangen Simon und Garfunkel) und erfährt:
»Grundsätzlich, wenn so etwas zugrunde liegt, würde man von einer Schätzung bei Anfang bis Mitte Februar landen, bis in den Vereinigten Staaten diese XBB.1.5 Variante dominant ist.
Korinna Hennig … Das ist der Abkömmling einer Rekombinante, nämlich von XBB.1. Rekombinante, vereinfacht gesagt, heißt: Da haben sich zwei Varianten getroffen, beide eine Zelle infiziert und Erbgut ausgetauscht. Kann man das so sagen?
Christian Drosten Ja, das kann man so sagen. Diese Rekombinanten kennen wir schon lange. Also es gibt ganz viele rekombinante Formen. Und genau wie auch in dem jetzigen Beispiel ist es eigentlich nie so gewesen, dass diese rekombinanten Formen sich plötzlich weiterverbreitet haben, sondern in der Regel haben die eher so ein bisschen vor sich hingedümpelt und sind dann meist auch wieder verschwunden… Und auch in diesem Fall ist es so, dass die Rekombination direkt gar nicht zu einer dominanten Form geführt hat…«
Der Matsch ist die Bevölkerungsimmunität
Nun bringt Drosten doch sein bewährtes Autobeispiel. Zunächst erklärt er durchaus nachvollziehbar:
»Das ist also ein Kompromiss, den das Virus da schließen muss. Es zahlt Fitness-Kosten, wie wir in der Evolutionsterminologie sagen. Also das Virus gewinnt zwar Immun Escape, und damit gewinnt es eine Fitness, eine Übertragbarkeitskomponente in dieser immunen Bevölkerung, allerdings der Rezeptor passt jetzt nicht mehr so gut. Und das ist ein Preis, den das Virus zahlt, also die intrinsische Fitness, die ist dadurch reduziert. Wir hatten im Frühjahr oder im letzten Jahr, als die Variante aufkam, immer mal gesagt, das eine ist so: Wie breit sind die Reifen am Auto? Und das andere ist, wie stark der Motor ist. Das heißt jetzt das Virus hat breitere Reifen bekommen, aber einen schwächeren Motor. Und jetzt ist die Frage, fährt es damit auf diesem Matschweg besser, also in dieser Bevölkerungsimmunität? Der Matsch ist die Bevölkerungsimmunität, die das Virus vom Fahren, vom Übertragenwerden abhält…«
Es könnte aber auch ganz anders kommen:
»Das Auto hat jetzt immer noch die breiteren Reifen, aber der Motor ist auch wieder ein bisschen stärker geworden, um in dem Bild zu bleiben. Und das mag schon dazu führen, dass jetzt dieses Virus sich, angefangen in den nordöstlichen Vereinigten Staaten, stärker verbreitet als die anderen Viren..
Braucht man womöglich noch weniger Viren, um infiziert zu werden?
»Korinna Hennig Wir haben alle auf den Autovergleich gewartet! …
Okay, das heißt in den Alltag übertragen: Man braucht womöglich noch weniger Viren, um infiziert zu werden? Praktisch gedacht. Also wenn ich in einem ungelüfteten Raum mit einem Infizierten bin, dann werde ich vielleicht schneller angesteckt?
Christian Drosten Jetzt wollen Sie die Brücke schlagen zwischen einer Aminosäuremutation an 486 und dem Alltag.
Korinna Hennig Genau. Über den Autovergleich.
Christian Drosten Ich glaube, jetzt hilft uns der Autovergleich nicht mehr weiter. Also das ist das Problem. Wir haben tatsächlich ein paar theoretische Phänomene. Wir haben durchaus Laborbeobachtungen, die auch genau das zeigen. Die zeigen: Die Rezeptorbindung wird besser bei erhaltener Immunflucht. Diese zwei Dimensionen können wir in Laborexperimenten unterscheiden. Das heißt aber noch lange nicht, dass sich deswegen jetzt die gesamte Situation grundlegend verändert hat und wir wieder zurückgehen in die Pandemie. Das wäre ja die Alltagsinterpretation. Sondern da gibt es ganz viele Zwischenstufen.
Also zunächst mal muss man sagen, es gibt die Zwischenstufe der medialen Berichterstattung, der Aufmerksamkeit, auch der Aufmerksamkeit natürlich in der Wissenschaft. Und da muss man eben sagen, die Daten, die da jetzt sehr schnell generiert werden in wissenschaftlichen Vorpublikationen, die werden natürlich dann auch gleich in die sozialen Medien und in die formalen Medien gespült und dort interpretiert. Und auch die Art, wie diese Daten präsentiert werden von den Wissenschaftlern, finde ich inzwischen ein bisschen dramatisch. Das sieht für mich fast so aus, als würde man da irgendwie jetzt nach der möglichst gefährlichen Mutante suchen und sich fast ein bisschen freuen, wenn man die gefunden hat. «
Hallo? Das sagt Herr Drosten? Er setzt noch einen drauf:
»Vor allem, je weiter wir in die endemische Situation kommen und je robuster die Immunität ist, das heißt, je größer die Vorerfahrung mit dem Virus in der Bevölkerung ist, desto sicherer können wir uns sein, dass hier keine schwere Krankheit grassiert, sondern erst mal ein übertragbares Virus. Das müssen wir auseinanderhalten.«
So, jetzt ist die Hälfte des Textes abgearbeitet und ich brauche etwas Abwechslung. Fortsetzung folgt.
(Hervorhebungen in blau nicht im Original.)
Mit Proben aus Flugzeugtoiletten kann man nicht den einzelnen Patienten verfolgen.
.…
🙂
🙂
Danke dafür!!
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Aufhören AA, aufhören! Das geschwurbel Drostens erträgt doch keiner.
Köstlich! Wie immer vor allem durch die Zwischenüberschriften, Anmerkungen und Erklärungen für alle, die nicht mit wissenschaftsreligösen Weltanschauungen vertraut sind.
Biologisch ist das alles gar nicht möglich was der da zusammenfaselt. Die ganze Pandemie ist erstunken und erlogen!
@Erfurt
Wirklich? "Pandemie"? Donnerlittchen!
Eine Bitte an die Schwarmintelligenz: Ich suche den Podcast/das Interview in dem Hr. Drosten seine "Entdeckung" des völlig neuen Virus mit Hilfe einer Gensequenz, übermittelt per Mail aus China, beschreibt.
Muss Anfang Januar 2021 gewesen sein, finde es leider nicht mehr.
Vielen Dank im Voraus.
Ich kann mich dunkel an so ein Interview bei Deutschlandfunk oder Deutschlandradio erinnern. Ich hätte gedacht, es war 2020, habe aber nichts gefunden.
"gesettelt" – ich nehme an, das ist ein Anglizismus, vom englischen "to settle". Heißt in diesem Zusammenhang wohl sowas wie "geregelt" oder "ausgeglichen".