»LAG Kiel zur Entgeltfortzahlung bei Corona
Gehalt trotz Urlaub im Hochrisikogebiet
Wer seinen Urlaub in einem als Corona-Hochrisikogebiet ausgewiesenen Land verbringt und danach an Corona erkrankt, hat seine Erkrankung nicht selbst zu verschulden. Dies gilt aber nur, wenn die Inzidenz im Urlaubszeitraum am Wohn- und Arbeitsort höher lag. Das hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Kiel entschieden (Urt. v. 27.06.2022, Az. 5 Ca 229 f/22).
Die dreifach geimpfte klagende Frau war im Januar und Februar 2022 in die Dominikanische Republik gereist. Diese war zuvor vom Robert-Koch-Institut als Hochrisikogebiet ausgewiesen worden. Am Abflugtag lag dort die Inzidenz bei 377,7 während sie in Deutschland mit 878,9 mehr als doppelt so hoch war.
Allgemeines Lebensrisiko verwirklicht
Im direkten Anschluss an die Reise wurde die Klägerin positiv auf Corona getestet und legte eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor. Die Arbeitgeberin erkannte diese jedoch nicht an und stellte die Lohnzahlungen für den Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit ein. Sie war der Ansicht, die Angestellte sei mangels Symptomen nicht arbeitsunfähig gewesen und habe die Erkrankung vor allem durch ihren Reiseantritt schuldhaft selbst herbeigeführt.
Die Arbeitnehmerin klagte nun erfolgreich vor dem LAG Kiel auf Entgeltfortzahlung. Ein Arbeitnehmer sei auch dann arbeitsunfähig, wenn er symptomlos Corona-positiv getestet ist und nicht im Homeoffice tätig sein kann, so das LAG Kiel. Im Übrigen lasse auch die von der Arbeitgeberin übermittelte Information an die Arbeitgeberin, dass es ihr ganz gut gehe, den hohen Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht entfallen.
Insbesondere habe die Arbeitnehmerin ihre Arbeitsunfähigkeit aber nicht selbst verschuldet, so das LAG Kiel. Ein Verschulden setze einen groben Verstoß gegen das Eigeninteresse eines verständigen Menschen voraus. Ein Verschulden könne jedenfalls dann nicht vorliegen, wenn die Inzidenzwerte im Urlaubsgebiet nicht deutlich über den Inzidenzwerten des Wohn- und Arbeitsortes liegen. Die Reise in das Hochrisikogebiet geht in diesen Fällen nicht über das allgemeine Lebensrisiko hinaus.
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.«
lto.de (18.7.)
Weniges ist ja einfacher, als über Urlaub von LehrerInnen oder Urteile von Gerichten Witzchen zu machen. Aber mal ehrlich: Haben die einen am Appel?
Wäre die Frau nicht bereits 3x, sondern ungeimpft gewesen, wäre das Urteil natürlich ganz anders ausgefallen. Denn Ungeimpfte haben immer und an allem Schuld.
Nein, die haben keinen am Appel, sondern zeigen ganz normales Richter- und Juristenverhalten. Wenn man einer grundsätzlichen Streitfrage gegenübersteht, die sehr viel Arbeit erfordert und am Ende in jedem Fall zu einer stark kontroversen und in der Berufung angreifbaren Entscheidung führt, dann weicht der faule und feige, äh, nein, kluge Richter aus. Gerne wird dann etwas genommen, was auf den erste, auch laienhaften, Blick als "Ja klar, das kann man so machen" klassifiziert wird. Juristen drücken das wesentlich hochgestochener aus, aber das trifft es im Kern.
Soll heßen: bevor man sich aus dem Fenster lehnt und eine 0,5%-Chance sich mit irgendwas anzustecken, was man nur durch einen absurd schlecht zusammengestoppelten Test feststellen kann, als allgemeines Lebensrisiko darstellt (was es seit Jahrhunderten ist), vergleicht man lieber eine 0,5% Chance mit einer 0,4% Chance. Dass die beiden Prozentzahlen nicht miteinander vergleichbar sind, die Entstehung der Zahlen nahezu beliebig variabel ist und die Zahlen nichts aussagen – geschenkt, damit muss man sich dann nicht beschäftigen. Fall gelöst, ab zum Golfplatz, da steht noch die Revanche gegen den Behörden-Abteilungsleiter an 😀
Menschlich ist das verständlich, aber irgendwie nicht das, was man sich als Ausformung des Rechtssystems wünscht, wobei mir nichts besseres einfällt, weil der Faktor Mensch immer dabei ist.