„Verglichen mit dem Rest Europas ist Schweden relativ gut durch die Pandemie gekommen“

So lau­tet das Fazit einer Untersuchungskommission von ÖkonomInnen, das auf ber​li​ner​-zei​tung​.de am 25.2. lie­ber unter den Titel "Corona-Kommission übt Kritik an Schwedens Sonderweg" gestellt wird. Dort berich­tet man zunächst über die Schwachstellen:

»Schweden hat mit zu weni­gen Maßnahmen und zu spät auf die Corona-Krise reagiert – zu die­sem Schluss kommt die zur Analyse des schwe­di­schen Sonderwegs ein­ge­setz­te Corona-Kommission. Das skan­di­na­vi­sche Land hät­te schon zu Pandemiebeginn im Februar und März 2020 kräf­ti­ge­re und ein­schrän­ken­de­re Maßnahmen ergrei­fen sol­len, schrieb die Kommission in ihrem am Freitag ver­öf­fent­lich­ten Abschlussbericht. Zugleich betrach­te­te sie den Weg der Freiwilligkeit als gene­rell richtig.«

In der Zusammenfassung der Kommission hin­ge­gen heißt es:

»Im Vergleich zum übri­gen Europa hat Schweden die Pandemie rela­tiv gut über­stan­den und gehört zu den Ländern mit der gering­sten Übersterblichkeit im Zeitraum 2020–2021. Das ist natür­lich zu begrü­ßen, aber um Lehren dar­aus zu zie­hen, dür­fen wir nicht ver­ges­sen, wie die Situation im Frühjahr 2020 aus­sah. In die­sem Zeitraum hat­te Schweden zeit­wei­se eine der höch­sten Sterberaten in Europa. Die Infektion brei­te­te sich in vie­len Pflegeeinrichtungen für älte­re Menschen aus, bei eini­gen älte­ren Menschen wur­de der Pflegebedarf nicht von Ärzten fest­ge­stellt, die her­aus­ge­ge­be­nen Leitlinien führ­ten dazu, dass älte­re Menschen manch­mal nicht die Krankenhausbehandlung erhiel­ten, die ihnen hät­te hel­fen kön­nen, und vie­le Menschen star­ben, ohne dass ein Familienmitglied oder eine ande­re Person an ihrer Seite war…

Mehr als 15 000 Menschen sind in Schweden an COVID-19 gestor­ben – eine Zahl, hin­ter der sich Tausende von per­sön­li­chen Tragödien ver­ber­gen, mit denen vie­le Menschen im Land unmit­tel­bar zu tun haben. Das neue Virus und die Maßnahmen zu sei­ner Bekämpfung haben sich auch auf vie­le ande­re Aspekte des Lebens der Menschen aus­ge­wirkt, nicht nur auf ihre Gesundheit und ihren Lebensunterhalt, son­dern auch auf ihre sozia­le Interaktion mit Familie und Freunden. Die Pandemie hat somit unse­re Lebensweise ange­grif­fen. Die Ausbreitung des Virus und sei­ne indi­rek­ten Auswirkungen haben sich zudem sehr ungleich auf die ver­schie­de­nen Gruppen aus­ge­wirkt. Gruppen, die ohne­hin schon benach­tei­ligt waren, wur­den von COVID-19 in Bezug auf schwe­re Erkrankungen und Todesfälle am stärk­sten getrof­fen. Die Tatsache, dass ver­schie­de­ne Gruppen unter­schied­lich gut in der Lage waren, sich selbst und ihre Familien zu schüt­zen, könn­te dazu bei­getra­gen haben, dass bereits benach­tei­lig­te Bevölkerungsgruppen stär­ker von der Krankheit betrof­fen waren. Die Pandemie hat die­se Gruppen auch in ande­rer Hinsicht här­ter getrof­fen, z. B. im Hinblick auf abge­sag­te oder ver­scho­be­ne medi­zi­ni­sche Versorgung, Verdienstausfall und Arbeitslosigkeit. Die Behörden haben die Verantwortung, Maßnahmen für die gesam­te Bevölkerung zu ent­wickeln. Der Ratschlag, von zu Hause aus zu arbei­ten, ist für jeman­den, der nicht in über­füll­ten Wohnungen lebt, leich­ter zu befol­gen, wenn er eine Arbeit hat, die am Computer erle­digt wer­den kann. Menschen in einer Vielzahl von Berufen – z. B. im Gesundheits- und Sozialwesen, im Dienstleistungssektor und im Bildungswesen – sind nicht in der Lage, ihre Aufgaben von zu Hause aus zu erfül­len. Eine Person, die sich kein eige­nes Auto lei­sten kann, ist auf öffent­li­che Verkehrsmittel ange­wie­sen. Jemand, der in einem Mehrgenerationenhaushalt lebt, trifft sei­ne Eltern täg­lich bei der Rückkehr von der Arbeit. Die ein­ge­führ­ten Maßnahmen waren daher oft bes­ser für eine gut aus­ge­bil­de­te Mittelschicht geeig­net, die in der Lage ist, sich vor Infektionen zu schüt­zen, sich im Gesundheitssystem zurecht­zu­fin­den und von zu Hause aus zu arbei­ten. Um das Leben und den Lebensunterhalt von Gruppen mit ein­ge­schränk­te­ren Möglichkeiten zu schüt­zen, sind mög­li­cher­wei­se ande­re Maßnahmen erforderlich…

Die Kommission kommt auf der Grundlage der in die­sem und frü­he­ren Berichten durch­ge­führ­ten und dar­ge­leg­ten Untersuchung zu fol­gen­den Gesamteinschätzungen:

        • Die früh­zei­ti­ge Wahl des Weges im Bereich der wirt­schaft­li­chen Krisenbewältigung mit dem Schwerpunkt auf raschen und ener­gi­schen geld- und fis­kal­po­li­ti­schen Interventionen – wobei Schnelligkeit vor Präzision ging – war eine rich­ti­ge Strategie.
        • Die Wahl des Weges im Bereich der Krankheitsvorbeugung und ‑bekämp­fung mit dem Schwerpunkt auf Ratschlägen und Empfehlungen, von denen erwar­tet wur­de, dass die Menschen sie frei­wil­lig befol­gen, war grund­sätz­lich rich­tig. Sie bedeu­te­te, dass die Bürger mehr per­sön­li­che Freiheit behiel­ten als in vie­len ande­ren Ländern.
        • Die getrof­fe­nen Maßnahmen waren zu wenig und hät­ten frü­her kom­men müs­sen. Im Februar/März 2020 hät­te sich Schweden für stren­ge­re und ein­schnei­den­de­re Maßnahmen zur Prävention und Bekämpfung von Krankheiten ent­schei­den sol­len. In Ermangelung eines Plans zum Schutz älte­rer Menschen und ande­rer Risikogruppen hät­ten frü­he­re und zusätz­li­che Schritte unter­nom­men wer­den müs­sen, um die Übertragung des Virus in den Gemeinden zu ver­lang­sa­men. Solche ersten Maßnahmen hät­ten auch mehr Zeit für eine Übersicht und Analyse gebracht.
        • Die Regierung hät­te von Anfang an die Führung in allen Aspekten des Krisenmanagements über­neh­men müs­sen. Sie hät­te in der Lage sein müs­sen, die gegen­wär­tig bestehen­den Hindernisse für eine kla­re natio­na­le Führung zu über­win­den: Regierungsbehörden mit einem gewis­sen Maß an Autonomie, selbst­ver­wal­te­te Regional- und Gemeinderäte und die nor­ma­len Verfahren der Regierungsämter zur Vorbereitung der Regierungsgeschäfte. Die Regierung hät­te auch eine kla­re­re Führung bei der all­ge­mei­nen Kommunikation mit der Öffentlichkeit über­neh­men müssen.
        • Die Regierung war zu ein­sei­tig von den Beurteilungen der schwe­di­schen Gesundheitsbehörde abhän­gig. Die Verantwortung für die­se Bewertungen liegt letzt­lich bei einer ein­zi­gen Person, dem Generaldirektor der Behörde. Dies ist kei­ne zufrie­den­stel­len­de Regelung für die Entscheidungsfindung in einer schwe­ren gesell­schaft­li­chen Krise.
        • Die Gesundheitsbehörde hät­te ihre Ratschläge und Empfehlungen in Form kla­rer Verhaltensregeln über­mit­teln müssen…

Systembedingte Defizite

In ihren frü­he­ren Zwischenberichten kam die Kommission zu dem Schluss, dass die­se und frü­he­re Regierungen für das Versäumnis ver­ant­wort­lich sind, frü­her fest­ge­stell­te Mängel zu behe­ben, wie z. B. die bekann­ten struk­tu­rel­len Mängel in der Pflege älte­rer Menschen und die unzu­rei­chen­de Pandemievorbereitung, die im Zuge der Schweinegrippe im Jahr 2010 deut­lich wur­de. Die ein­zel­nen Regionen und Gemeinden sind für ihre eige­nen Pandemiepläne ver­ant­wort­lich, die manch­mal fehl­ten und oft nicht aktua­li­siert oder geprobt wor­den waren. Die Regionen sind dafür ver­ant­wort­lich, dass die im Rahmen ihrer Zuständigkeit für die medi­zi­ni­sche Katastrophenvorsorge erfor­der­li­chen Vorräte nicht vor­han­den waren. Die Gesundheitsbehörde ist dafür ver­ant­wort­lich, dass die natio­na­le Pandemieplanung auf die Erwartung einer Influenzapandemie aus­ge­rich­tet war. Frühere Regierungen tra­gen die Verantwortung dafür, dass sie es ver­säumt haben, unver­züg­lich eine Untersuchung zur ver­fas­sungs­recht­li­chen Vorbereitung ein­zu­lei­ten, als die Vorschläge der Untersuchung zur Verfassungsreform als wei­ter zu prü­fen ange­se­hen wur­den. Wäre die­se Arbeit vor Ausbruch der Pandemie abge­schlos­sen wor­den, hät­te es wahr­schein­lich eine bes­se­re Rechtsgrundlage für den Umgang mit dem Ausbruch des Virus gegeben…«

Auch die "Berliner Zeitung" schließt ihren Artikel so:

»„Verglichen mit dem Rest Europas ist Schweden rela­tiv gut durch die Pandemie gekom­men“, schrieb die Kommission. Es zäh­le zu den Ländern mit der gering­sten Übersterblichkeit im Zeitraum 2020/2021. Dies sei zwar zu begrü­ßen, doch um aus der Pandemie zu ler­nen, dür­fe man nicht ver­ges­sen, in wel­cher Situation man sich im Frühjahr 2020 befun­den habe. Zeitweise hät­ten die Sterblichkeitsraten damals in Schweden zu den höch­sten in ganz Europa gezählt.

Gleichzeitig kam die Kommission aber auch zu dem Schluss, dass der schwe­di­sche Weg mit Ratschlägen und Empfehlungen, die die Menschen frei­wil­lig befol­gen soll­ten, gene­rell rich­tig war. „Das bedeu­te­te, dass die Bürger mehr von ihrer per­sön­li­chen Freiheit behal­ten haben als in vie­len ande­ren Ländern.“«

10 Antworten auf „„Verglichen mit dem Rest Europas ist Schweden relativ gut durch die Pandemie gekommen““

  1. Die Vernunft kehrt lang­sam – sehr lang­sam – zurück
    https://​repor​t24​.news/​o​e​s​t​e​r​r​e​i​c​h​-​s​e​n​s​a​t​i​o​n​s​-​u​r​t​e​i​l​-​d​e​s​-​o​g​h​-​i​n​-​c​o​r​o​n​a​-​f​r​a​g​e​-​g​e​s​u​n​d​e​-​k​o​e​n​n​e​n​-​n​i​e​m​a​n​d​e​n​-​a​n​s​t​e​c​k​en/
    "Eine betrun­ke­ne Kärntnerin habe wäh­rend einer Amtshandlung „absicht­lich“ in Richtung von zwei Polizisten gehu­stet. Nachdem sie in einem Corona-Quarantänegebiet gear­bei­tet hat­te, leg­te man ihr das als gefähr­li­chen Angriff aus. Konkret: Gefährdung von Menschen durch über­trag­ba­re Krankheiten. Die Anklage wur­de betrie­ben, obwohl durch Tests zwei­fels­frei fest­stand, dass die Frau nicht mit SARS-CoV‑2 infi­ziert und auch nicht erkrankt war. Die Staatsanwaltschaft betrieb also mit Vorsatz eine Anklage gegen einen völ­lig gesun­den Menschen. Man warf der Dame ohne Scham vor, eine kri­mi­nel­le Lebensgefährderin zu sein."
    "Zunächst schob das Landesgericht die­sem Ansinnen einen Riegel vor. Der klu­ge Anwalt Arthur Berger argu­men­tier­te damit, dass ein gesun­der Mensch logi­scher­wei­se nie­man­den gefähr­den kön­ne, dem folg­te das Gericht. Die Staatsanwaltschaft berief und muss­te ein gleich­lau­ten­des Urteil vom Oberlandesgericht Graz ein­stecken. Letztendlich kam der Fall auf Betreiben der Staatsanwaltschaft vor den Obersten Gerichtshof (OGH). Dieser bestä­tig­te: Ist jemand nicht mit einer Krankheit infi­ziert, kön­ne der Tatbestand (Gefährdung von Menschen durch über­trag­ba­re Krankheiten) nicht erfüllt werden."

    1. @ b.m.buerger

      Ich ver­ste­he nach den ver­gan­ge­nen zwei Jahren gut, dass man sich über so ein Urteil freu­en kann.

      Trotzdem müs­sen wir uns fra­gen, ob wir uns dar­über freu­en soll­ten, wenn ein Gericht Beklagte man­gels objek­ti­ver Tatbestandsmerkmale frei­spricht. Viel bedenk­li­cher erscheint mir, dass die Existenzen der Staatsanwaltschaft erstens so dreist sind, über­haupt Anklage zu erhe­ben und sich zwei­tens genug Chancen aus­rech­net, das Verfahren durch alle Instanzen zu peitschen.

      In einem Rechtsstaat wären die wegen Verfolgung Unschuldiger und Rechtsbeugung dran – mit anschlie­ßen­dem Berufsverbot.

  2. Schweden hat­te von Anfang an recht.
    Gab mal ein Interview mit Tegnell bei unherd wo er das sagte.
    Mehr gibt es dazu wirk­lich nicht zu sagen.

  3. Hmm… Ich ver­ste­he die Schwurbelei nicht.
    Kurz zusammengefasst:
    1. Schweden hat alles rich­tig gemacht.
    2. Wenn Schweden Massnahmen wie Deutschland ergrif­fen hät­te, wäre es bes­ser gewesen.

    Ich brau­che eine Corona-Infektion, um die­se Logik zu verstehen.

  4. Mehr als 15.000 Menschen sol­len wäh­ren der "Pandemie" an Corona gestor­ben sein.

    Dazu müss­te man wissen:
    – An oder mit Corona?
    – Wurden stan­dard­mä­ßig Obduktionen durchgeführt?
    – Gab es eine unge­wöhn­lich hohe Übersterblichkeit – alters­be­rei­nigt, und vor dem Hintergrund der letz­ten 10 Jahre?
    – Durchschnittsalter der Verstorbenen
    – Vorerkrankungen der Verstorbenen
    – Wie vie­le Menschen sind ins­ge­samt wäh­rend der "Pandemie" gestor­ben – also an ande­ren Todesursachen?

  5. In Schweden wird von den recht­gläu­bi­gen Medien auch viel "geschwur­belt":

    https://​sveri​ges​ra​dio​.se/​a​r​t​i​k​e​l​/​c​o​r​o​n​a​-​c​o​m​m​i​s​s​i​o​n​-​s​w​e​d​e​n​s​-​c​o​v​i​d​-​r​e​s​p​o​n​s​e​-​w​a​s​-​f​l​a​w​e​d​-​b​u​t​-​a​l​l​o​w​e​d​-​f​r​e​e​d​oms
    (im Report wird auf 30 Seiten ein ein­zi­ges Mal "Masken" erwähnt – und der Reporter fragt genau danach; auch in Schweden war dies schließ­lich ein wich­ti­ges Glaubenszeichen)
    "The Public Health Agency should not have dis­missed the use of
    masks as a dise­a­se pre­ven­ti­on and con­trol mea­su­re in indoor set­tings and on public trans­port. Rather, as soon as the shorta­ge had been reme­di­ed, it should have recom­men­ded their use in tho­se settings"

  6. Gerade habe ich im Deutschlandfunk den Schluss der Sendung "Denk ich an Deutschland" gehört mit einem Schauspieler:
    "…, dass die Deutschen immer mei­nen, sie könn­ten ande­ren sagen, wie sie zu leben haben."
    Leider kann ich den Beitrag nicht nachhören.

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