Verwaltungsgericht Wiesbaden: Allgemeinverfügung des Landkreises Limburg-Weilburg teilweise rechtswidrig

In einer Presseinformation des Gerichts vom 20.1. ist zu erfahren:

»Die 7. Kammer des VG Wiesbaden hat mit Beschluss vom 15. Januar 2021 Eilrechtsschutz gegen die „Allgemeinverfügung zur Verhinderung der wei­te­ren Ausbreitung des Corona-Virus im Landkreis Limburg-Weilburg im sozia­len und betrieb­li­chen Bereich“ gewährt, soweit dort der Bewegungsradius für tages­tou­ri­sti­sche Ausflüge auf den Umkreis von 15 km des Wohnortes (poli­ti­sche Gemeinde) beschränkt wird. Insoweit hat die von dem Antragsteller noch zu erhe­ben­de Klage auf­schie­ben­de Wirkung.

Nach Auffassung der Kammer fehlt es inso­weit an der hin­rei­chen­den Bestimmtheit der Allgemeinverfügung, die erfor­dert, dass der Inhalt der getrof­fe­nen Regelung für die Beteiligten so voll­stän­dig, klar und unzwei­deu­tig erkenn­bar sein muss, dass sie ihr Verhalten danach aus­rich­ten können. 

Bedenklich sei bereits die Verwendung des Begriffs „poli­ti­sche Gemeinde“, da die­ser Begriff für einen Großteil der Bevölkerung aus sich her­aus nicht ver­ständ­lich sein dürf­te… Auch habe der Landkreis Limburg-Weilburg dar­auf ver­zich­tet, Erklärungen oder Auslegungshinweise zu der Allgemeinverfügung zu ver­öf­fent­li­chen, die zur Konkretisierung und zum bes­se­ren Verständnis der Regelung hät­ten bei­tra­gen können…

Schließlich wer­de der Begriff „tages­tou­ri­sti­scher Ausflug“ weder im Wortlaut der Allgemeinverfügung, bei­spiels­wei­se durch die Aufzählung von Regelbeispielen, noch in der Begründung der Allgemeinverfügung näher erklärt. Soweit der Landkreis vor­ge­tra­gen habe, bei tages­tou­ri­sti­schen Ausflügen han­de­le es sich nach sei­nem Verständnis um alle Unternehmungen, die der Freizeitgestaltung ohne Übernachtung dien­ten, sei die­se Auslegung des Begriffs kei­nes­wegs zwin­gend. Dies zei­ge sich anschau­lich bereits dar­in, dass der Begriff des tages­tou­ri­sti­schen Ausfluges in ande­ren hes­si­schen Gemeinden, die ihn in ihren Allgemeinverfügungen eben­falls ver­wen­de­ten, anders ver­stan­den werde… 

Zudem habe das Gericht erheb­li­che Zweifel dar­an, ob die Beschränkung des Bewegungsradius für tages­tou­ri­sti­sche Ausflüge ernst­haft zur Senkung der Infektionsfälle im Landkreis Limburg-Weilburg bei­tra­gen kön­ne. Stattdessen dürf­te die­se Maßnahme dazu füh­ren, dass sich vie­le Bewohner des Landkreises Limburg-Weilburg, weil sie zumin­dest nach dem Verständnis des Antragsgegners kei­ne frei­zeit­sport­li­chen Aktivitäten oder Spaziergänge außer­halb des 15 Kilometer Radius unter­neh­men dürf­ten, in geschlos­se­nen Räumen mit drit­ten Personen tref­fen wür­den, was das Infektionsrisiko nicht sen­ken, son­dern erhö­hen wür­de. Die Einhaltung des 15 km-Radius sei im Einzelfall auch nur schwer über­prüf­bar und das Aussprechen von Betretungsverboten für bekann­te Touristenmagneten stel­le eine mil­de­re und zugleich effek­ti­ve­re Maßnahme dar, um über­lau­fe­ne tou­ri­sti­sche Ziele zu ver­mei­den.«

Nächtliche Ausgangssperre bestätigt

»Die nächt­li­che Ausgangsbeschränkung im Zeitraum von 21:00 Uhr bis 5:00 Uhr sei zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie geeig­net, da sie all­ge­mein die Kontaktmöglichkeiten in der Bevölkerung wäh­rend die­ses Zeitraums beschränk­ten. Es rei­che hier­für aus, dass die zutref­fen­de Maßnahme „ein Schritt in der rich­ti­gen Richtung“ sei. So könn­ten durch die nächt­li­che Ausgangsbeschränkung pri­va­te Treffen und Feiern in Familienund Freundeskreis ver­hin­dert wer­den. Ein weni­ger bela­sten­des Mittel, das den Erfolg mit glei­cher Sicherheit gewäh­re, sei nicht ersichtlich…

Gegen den Beschluss (Az.: 7 L 31/21.WI) steht den Beteiligten bin­nen zwei Wochen die Beschwerde zum Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel offen.«

(Zusätzliche Absatztrennungen von mir, AA)

3 Antworten auf „Verwaltungsgericht Wiesbaden: Allgemeinverfügung des Landkreises Limburg-Weilburg teilweise rechtswidrig“

  1. Warum kann bis­her kein Gericht genau­so schnell einen Beschluss zur Aufhebung der Testung asym­pto­ma­ti­scher Personen, der Lockdowns und viel­leicht auch der Maskenpflicht fällen???

  2. Unfassbar! Legitimer Zweck, Geeignetheit, Erforderlichkeit, Angemessenheit, kurz Verhältnismäßigkeit – und das Gericht schreibt dazu:

    „ein Schritt in der rich­ti­gen Richtung“

    Prof. Martin Schwab hat­te sich zuletzt in (glau­be ich) einer der Sitzungen des Corona-Ausschusses sinn­ge­mäß so geäu­ßert, dass sei­ne Jura-Studenten, soll­ten sie so abstrus argu­men­tie­ren wie vie­le Verwaltungsgerichte in der Corona-Zeit, gna­den­los durch­fal­len würden.

    Diese Beschlüsse trie­fen förm­lich vor Willkür und juri­sti­scher Inkompetenz.

  3. ich sehe in einem Urteil, dass die grund­rechts­ein­schrän­ke Praxis bestä­tigt kei­ner­lei Fortschritt. Warum ist das berichtenswert?

Schreibe einen Kommentar zu D.D. Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert