"Wer wird zuerst geimpft?" fragt heute die Süddeutsche Zeitung. Sie sorgt sich, ob genug Dosen zur Verfügung stehen werden. Vor allem treibt sie das Problem um, daß hunderte Millionen Euro öffentlicher Investitionen womöglich nicht die garantiert erscheinenden Gewinne für Konzerne abwerfen werden.
Kein Interesse hat das Blatt an der Tatsache, daß EU-weit wesentliche gesetzliche Vorschriften für die Entwicklung und die jetzt stattfindenden Tests außer Kraft gesetzt wurden. Dies betrifft etwa die Richtlinien über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt und die Anwendung genetisch veränderter Mikroorganismen in geschlossenen Systemen.
Am 14.7. hatte der Rat der EU, also die Vertretung der Regierungen, mitgeteilt:
»Der Rat hat heute eine Verordnung verabschiedet, mit der die Entwicklung und Markteinführung eines Impfstoffs gegen COVID-19 in der EU beschleunigt werden sollen. Der Rechtsakt enthält eine befristete Ausnahmeregelung, sodass bei klinischen Prüfungen mit solchen Impfstoffen nicht die vorherige Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden muss, die nach den EU-Vorschriften über die absichtliche Freisetzung und die Anwendung genetisch veränderter Organismen (GVO) in geschlossenen Systemen ansonsten vorgeschrieben ist. Überdies wird darin präzisiert, dass die befristete Ausnahmeregelung auch dann gilt, wenn nach den Arzneimittelvorschriften der Mitgliedstaaten GVO enthaltende oder aus GVO bestehende Arzneimittel zur Behandlung oder Verhütung von COVID-19 in bestimmten außergewöhnlichen und dringenden Situationen verabreicht werden dürfen…
Die Verordnung gilt nur so lange, wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) COVID-19 als Pandemie betrachtet oder solange ein Durchführungsrechtsakt der Kommission gilt, wonach eine gesundheitliche Notlage aufgrund von COVID-19 besteht.«
Ausdrücklich wird in dieser Erklärung Jens Spahn als Lobbyist der Pharmaindustrie geoutet:
»Ein Impfstoff gegen COVID-19 wird dringend benötigt. Diese Verordnung sorgt dafür, dass unverzüglich klinische Prüfungen in der EU beginnen können und keine wertvolle Zeit verloren geht. Der heute verabschiedete Rechtsakt zeigt, dass die EU bereit ist, bei den weltweiten Anstrengungen zur Entwicklung eines sicheren und wirksamen Impfstoffs die Führung zu übernehmen.
Jens Spahn, deutscher Bundesgesundheitsminister«
Es wird präzisiert:
»Die Verordnung sieht eine Ausnahme von einigen Bestimmungen der Richtlinie 2001/18/EG über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt und der Richtlinie 2009/41/EG über die Anwendung genetisch veränderter Mikroorganismen in geschlossenen Systemen vor. Danach ist für die meisten Vorgänge im Zusammenhang mit der Durchführung klinischer Prüfungen keine vorherige Umweltverträglichkeitsprüfung oder Zustimmung erforderlich. Hierzu zählen die Verpackung und Etikettierung, die Lagerung, der Transport, die Vernichtung, Beseitigung, Verteilung, Abgabe, Verabreichung oder Verwendung von zur Anwendung beim Menschen bestimmten, GVO enthaltenden oder aus GVO bestehenden Prüfpräparaten zur Behandlung oder Verhütung von COVID-19. Für die Herstellung solcher Präparate gelten allerdings weiterhin sämtliche Bestimmungen der beiden Richtlinien.«
Doch zurück zu den Befürchtungen der Süddeutschen Zeitung.
»Zwar hat auch die Europäische Union inzwischen mehrere Verträge mit Impfstoffherstellern abgeschlossen: Neben einem Vertrag mit Sanofi und Glaxo Smith Kline über ein noch vollständig experimentelles Vakzin existiert bereits ein Übereinkommen mit dem Pharmahersteller Astra Zeneca über 300 Millionen Dosen eines Impfstoffs der University of Oxford. Das Mittel ist bereits in der letzten Phase der klinischen Überprüfung angekommen…
Dabei ist nicht einmal die Zulassung für die bereits bestellten Impfstoffe ausgemacht. Jeder der sechs derzeit am weitesten gediehenen Kandidaten kann kurz vor der Ziellinie, also in den Tests auf Wirksamkeit, noch scheitern. Das ist bei neuartigen Impfstoffen sogar eher die Regel als die Ausnahme – und gilt sowohl für den Impfstoff der University of Oxford, der von Astra Zeneca produziert werden soll, als auch für die ebenfalls weit entwickelten neuartigen Vakzine der Hersteller Moderna und Biontech, die auf der sogenannten mRNA-Technologie beruhen. Es handelt sich um völlig neuartige Impfstoffe aus kurzen Erbgutkopien, die vom Körper zu Eiweißfragmenten des Coronavirus umgesetzt werden und das Immunsystem so auf den Erreger prägen sollen.
Die Impfstoffe von Biontech und Moderna haben nach Angaben des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) immerhin ein paar Vorzüge gegenüber klassischen Impfkonzepten mit abgeschwächten oder als Vehikel genutzten Viren. "Die Vorteile der neuen mRNA-Impfstoffe sind unter anderem die Herstellung unter geringeren Sicherheitsbedingungen und die Möglichkeit, in wenigen Wochen viele Millionen Impfdosen herzustellen", sagt PEI-Präsident Klaus Cichutek. Einige Hersteller hätten angekündigt, bereits jetzt – noch bevor Wirksamkeitsnachweise oder gar eine Zulassung vorliegen – mit der Produktion zu beginnen, bis Jahresende könnten 100 Millionen Dosen hergestellt werden. "Damit ist jedoch das Risiko verbunden, die produzierten Impfstoffe verwerfen zu müssen, sollte es nicht zu einer Zulassung kommen", sagt Cichutek.«
Die Versuchskaninchen sind auch schon festgelegt:
»Es zeichnet sich jedoch ab, dass vor allem Risikogruppen und medizinisches Personal die Ersten sein werden, die sich impfen lassen können, um die Gesundheitssysteme und die ‑versorgung zu stabilisieren. Das bestätigt etwa der Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums. Speziell in der aktuellen Pandemie hätten vermutlich ältere Menschen mit Vorerkrankungen, aber auch Schwangere zudem Priorität.«
Glück könnten vielleicht andere haben:
»Für viele ärmere Länder, etwa in Afrika oder Asien, bleibt ein Impfstoff dagegen womöglich lange unerreichbar. Es sei denn, die künftigen Verteilungsstrategien westlicher Industrienationen reichen über das eigene nationale Interesse hinaus – und sind auch erfolgreich.«
(Hervorhebungen nicht in den Originalen.)
Es ist ungeheuerlich, was jetzt mit den sowieso schon am meisten Ausgenutzten und Ausgebeuteten (Pflegepersonal) und den Ärmsten und Schwächsten und Schützenswertesten (Alte Kranke, Schwangere, …) gemacht werden soll. Das sind Menschenversuche, die vom Ausmaß her alles übersteigen, was es in der Menschheitsgeschichte je gab.
Meine Frau ist Krankenschwester auf einer Intensivstation. Weder sie noch eine ihrer Kolleginnen und Kollegen wird sich mit einem m‑RNA Impfstoff impfen lassen, der nicht mindestens 5–6 Jahre getestet wurde. Einig sind sichballe auf ihre Station, dass sie sofort kündigen würden, wenn das verpflichtend sein sollte.
Klaus Cichutek
Seit 1988 arbeitet Cichutek als Wissenschaftler am Paul-Ehrlich-Institut. 1992 erfolgte seine Habilitation und 1998 seine Ernennung zum außerplanmäßigen Professor im Fachbereich Biochemie, Chemie und Pharmazie der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Er war von 1988 bis 1994 Leiter der Forschungsgruppe Molekularbiologie und von 1994 bis 2011 Leiter der mit regulatorischen Aufgaben und Forschungsaufgaben im Bereich der Gen- und Zelltherapie betrauten Abteilung Medizinische Biotechnologie.
1999 übernahm Cichutek die Funktion des ständigen Vertreters des Präsidenten des Paul-Ehrlich-Instituts. Vom 31. Oktober 2001 bis zum 30. November 2009 war er Vizepräsident und seit dem 1. Dezember 2009 ist er Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts.
Im Zeitraum von 2000 bis 2010 war Cichutek Vorsitzender der Kommission Somatische Gentherapie des Wissenschaftlichen Beirates der Bundesärztekammer. Von 2003 bis 2010 war er Vorsitzender der Gene Therapy Working Party (GTWP) des Ausschusses für Humanarzneimittel (Committee for Medicinal Products, CHMP) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA). Von 2004 bis 2010 war er Ko-Vorsitzender der ICH Gene Therapy Discussion Group der International Conference on Harmonisation of Pharmaceutical Requirements for Human Use.
Als Mitglied im Vorstand der European Society of Gene and Cell Therapy (ESGCT) war er von 2005 bis 2010 tätig. Seit 2010 ist Cichutek Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft der Ressortforschungseinrichtungen. Im Jahr 2012 wurde er Gründungsmitglied und PDU (Product Development Unit)-Koordinator des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) und Mitglied des Loewe-Zentrums Zell- und Gentherapie in Frankfurt am Main.
Cichutek war von 2011 bis Februar 2014 Ko-Vorsitzender der Gruppe Benchmarking of European Medicines Agencies (BEMA) der Gruppe der Leiter der europäischen Arzneimittelbehörden (Heads of Medicines Agencies, HMA). Von März 2014 bis Februar 2018 war er Vorsitzender der HMA Management Group, in die er im Februar 2014 gewählt worden war.
Seit Juni 2012 ist er Mitglied des WHO Expert Advisory Panel on Biological Standardization, von dem er 2016 und 2017 zum Vorsitzenden gewählt wurde, und seit Februar 2014 ist er Mitglied des Product Development for Vaccines Advisory Committee (PD-VAC) der WHO. Cichutek ist Autor bzw. Koautor von mehr als 110 Publikationen in internationalen Wissenschaftsjournalen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Klaus_Cichutek