Was weiß der Chefredakteur von t‑online schon?

Am 23.9. schreibt er vor­aus­schau­end:

»In außer­ge­wöhn­li­chen Zeiten wie die­sen soll­te man sich dem Außergewöhnlichen fügen – nicht kri­tik­los, aber soli­da­risch. Was ist so schwer dar­an, andert­halb Jahre lang auf Fußballstadion, Weihnachtsmarkt, Kneipentour, Karneval, Großfamilienfest und Betriebsfeier zu ver­zich­ten? Sicher: Es ist bit­ter, und wer mit sol­chen Veranstaltungen Geld ver­dient, der ist noch bit­te­rer dran, der erhebt zu Recht Anspruch auf Unterstützung durch den Staat. Die gibt es hier­zu­lan­de in vie­len Fällen. Für alle Bürger noch rele­van­ter ist aber die Frage, ob wir die kom­men­den Herbst- und Wintermonate halb­wegs glimpf­lich über­ste­hen. Oder ob wir in die­sel­be Misere schlit­tern wie immer mehr Länder in unse­rer Nachbarschaft. Im Berliner Regierungsviertel geht man davon aus, dass Europa einen zwei­ten flä­chen­decken­den Lockdown nicht über­ste­hen wür­de. Er könn­te nicht nur das Ende der EU und ihrer wirt­schaft­li­chen Erfolgsgeschichte bedeu­ten, son­dern auch das Ende des Lebens in Wohlstand und Frieden, wie wir es seit Jahrzehnten ken­nen. Mit einem "Gott bewah­re!" ist es des­halb nicht getan. Jeder Einzelne kann und soll­te etwas dage­gen tun: Einsicht, Rücksicht, Disziplin. Auch wenn es schmerzt.«

Was er meint, ist: Noch min­de­stens ander­halb Jahre Maul hal­ten, Maske auf und durch. Damit das mit der Disziplin klappt, emp­fiehlt er das devoteTagesspiegel-Interview mit Christian Drosten "Wir sind die Welle".

Eine Antwort auf „Was weiß der Chefredakteur von t‑online schon?“

  1. Schon am 21. April schrieb der­sel­be Florian Harms, Chefredakteur von t‑online, in sei­nem Newsletter vorausschauend:
    "Wir nei­gen dazu, Gefahren erst dann ernst zu neh­men, wenn sie nicht mehr zu über­se­hen sind. Also holen wir das Fernrohr raus: In einer Seniorenwohnanlage in Nordrhein-Westfalen ster­ben 50 Bewohner, in einem Pflegeheim in Schleswig-Holstein sind es 65. Bundesweit fal­len 800 Menschen dem Coronavirus zum Opfer – an einem ein­zi­gen Tag. Die Zahl der Infizierten schnellt in die Höhe: 200.000, 250.000, 300.000. Viele Krankenhäuser kön­nen kei­ne Patienten mehr auf­neh­men, auf den Intensivstationen rin­gen Hunderte mit dem Tod. Im Englischen Garten in München, im Hamburger Stadtpark, im Berliner Tiergarten und am Frankfurter Mainufer ste­hen Notlazarette, an den Eingängen wech­seln sich Kranken- mit Leichenwagen ab. Die Bundesregierung hat den unbe­fri­ste­ten Notstand aus­ge­ru­fen. In ganz Deutschland gilt eine strik­te Ausgangssperre, alle Bürger dür­fen ihre Wohnungen nur noch mit Passierschein und maxi­mal eine Stunde täg­lich ver­las­sen. In den Straßen patrouil­lie­ren Bundeswehrsoldaten und Polizisten. Wer die Regeln miss­ach­tet, wird fest­ge­nom­men. Die deut­schen Wirtschaftszahlen fal­len ins Bodenlose, die Insolvenzmeldungen über­schla­gen sich. Zigtausend Angestellte ver­lie­ren ihre Arbeit, bin­nen Wochen wird das Werk gan­zer Generationen vernichtet.
    Nein, das alles WAR nicht, zum Glück. So schlimm steht es nicht um Deutschland. Aber so schlimm kann es kom­men, wenn wir im Kampf gegen das Coronavirus Fehler machen. Und wir sind drauf und dran, das zu tun. Weil wir in eine gefähr­li­che Falle tap­pen: den Leichtsinn. (…)"

    Was hat den Top-Influencer des Kommunikationskonzerns zu die­ser Nekro-Fiction mit Moral-Abspann ver­an­lasst? Vermutlich das: Sein Arbeitgeber ver­such­te gera­de über die Firmentochter "Telekom Healthcare Solution" einen Millionenauftrag zur Entwicklung einer Corona-App abzu­grei­fen, als die Pamdemie-Angst bereits abzu­flau­en droh­te. Da galt es, Nachfrage zu erzeu­gen. Das bewähr­te Mittel: Todesangst schü­ren, Schulgefühle wecken. Für den Fall, dass die Bilder aus Bergamo zu schnell ver­blas­sen soll­ten, konn­te man ja mal ein paar plum­pe Horror-Szenarien ins Kopfkino pro­ji­zie­ren. Lief: Die App wur­de wenig spä­ter von Steuergeld gekauft (Hier ein paar Details dazu: https://www.heise.de/ct/artikel/c‑t-deckt-auf-Corona-App-der-Telekom-ist-katastrophal-unsicher-4694222.html). Näheres zu Nutzung und Nutzen auf die­sem wun­der­ba­ren Blog.
    Recht behal­ten hat Harms natür­lich nicht mit sei­nen Splatter-Phantasien im ersten Teil (dass das der Fall sein wür­den, konn­te man damals schon wis­sen), aber immer­hin mit der zwei­ten Passage:
    "Die Bundesregierung hat den unbe­fri­ste­ten Notstand aus­ge­ru­fen. (…) In den Straßen patrouil­lie­ren Bundeswehrsoldaten* und Polizisten. Wer die Regeln miss­ach­tet, wird fest­ge­nom­men. Die deut­schen Wirtschaftszahlen fal­len ins Bodenlose (…). Zigtausend Angestellte ver­lie­ren ihre Arbeit, bin­nen Wochen wird das Werk gan­zer Generationen ver­nich­tet." Läuft.
    *vor­erst nur in Bayern

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