Wegen Corona: Werden nun 500 Millionen Kleidungsstücke vernichtet?

Auf geo​.de ist unter die­ser Überschrift am 20.1. zu lesen:

»In einem offe­nen Brief warnt Greenpeace: Wegen des Corona-Lockdowns lie­gen­ge­blie­be­ne Ware könn­te ver­brannt oder geschred­dert werden…

In einer Pressemitteilung warnt der Handelsverband Textil vor einem Umsatzeinbruch von rund 30 Prozent für das Jahr 2020. Da der Wareneinkauf durch die lan­gen Vorlaufzeiten in der inter­na­tio­na­len Lieferkette kaum ange­passt wer­den konn­te, so Hauptgeschäftsführer Rolf Pangels, stün­den vie­le Geschäfte vor dem Aus.

Viele von ihnen wer­den auf einem gewal­ti­gen Kleidungs- und Schuh-Berg sit­zen­blei­ben. Denn die Geschäfte wer­den zwar nach wie vor regel­mä­ßig mit Neuware belie­fert – kön­nen aber über den Onlinehandel die Verluste aus dem Ladengeschäft nicht kompensieren.

Katastrophal für den Einzelhandel, aber auch für die Umwelt

Pagels rech­net damit, dass bis Ende Januar rund eine hal­be Milliarde Kleidungsstücke, Schuhe und Lederwaren nicht ver­kauft wer­den. Neben dem Problem für die Geschäfte ergibt sich dar­aus auch ein Umweltproblem. Darauf hat jetzt Greenpeace in einem offe­nen Brief an die zustän­di­gen Aufsichtsbehörden hingewiesen.

Die Vermutung der Umweltschützer: Die neu­wer­ti­ge, nicht ver­kauf­te Ware könn­te ein­fach ver­nich­tet wer­den. Denn laut einem Bericht der Zeitung „Die Welt“ ist der Handel nicht dar­auf ein­ge­stellt, eine sol­che Menge Waren zu lagern.

Neuware ver­nich­ten? Geht gar nicht, meint Greenpeace. Denn die Herstellung von Billigklamotten ist oft mit hohen Umweltbelastungen ver­bun­den, Lederwaren wer­den oft unter kata­stro­pha­len Tierschutz-Bedingungen pro­du­ziert. Statt ent­sorgt zu wer­den, müss­ten die Artikel wei­ter­ver­wer­tet werden.

Kreislaufwirtschaftsgesetz verbietet Vernichtung von Neuware

Bei sei­ner Forderung stützt sich Greenpeace auf das Kreislaufwirtschaftsgesetz. Erst seit dem ver­gan­ge­nen Jahr ver­pflich­tet eine Ergänzung den Handel, „dafür zu sor­gen, dass die Gebrauchstauglichkeit der Erzeugnisse erhal­ten bleibt und die­se nicht zu Abfall wer­den“. Das schlie­ße eine Verbrennung eben­so aus wie eine „stoff­li­che“ Nutzung – zum Beispiel durch Schreddern.

Sollte der Handel die Textilien trotz­dem ver­nich­ten, müs­sen nach dem Willen von Greenpeace die Aufsichtsbehörden Bußgelder verhängen.

Doch was soll mit den lie­gen­ge­blie­be­nen Kleidungsstücken pas­sie­ren? Da eine gesetz­li­che Regelung feh­le, schreibt Greenpeace, müs­se die Branche die Produkte so lan­ge lagern, bis eine Lösung gefun­den und umsetz­bar sei.

In sei­nem Brief ver­weist Greenpeace dar­auf, dass der Überkonsum in der Bekleidungsbranche schon in nor­ma­len Jahren ein immenses Problem dar­stellt: 100 Millionen Kleidungsstücke blei­ben dem­nach in den Kleiderständern und Regalen: etwa jedes zehn­te Stück.«

So macht Corona den Irrsinn der kapi­ta­li­sti­schen Produktionsweise beson­ders deut­lich. Waren wer­den im Überfluß her­ge­stellt, oft von Menschen, die sich die­se nie wer­den lei­sten kön­nen, unter unwür­di­gen Bedingungen und mit dem Ergebnis, daß sie in vie­len Fällen über­haupt nicht genutzt wer­den. Ganz zu schwei­gen von den Umweltschäden, die Produktion, Transport und Lagerung her­vor­ru­fen. Mit Bußgeldern allein wird man dem nicht ent­ge­gen­tre­ten kön­nen. Vor allem aber nicht mit einer "Zero-Covid"-Kampagne, die Proteste und wei­te­re Aktionen unmög­lich macht.

8 Antworten auf „Wegen Corona: Werden nun 500 Millionen Kleidungsstücke vernichtet?“

  1. Kleiner Erfahrungsbericht: Wir hat­ten bis vor Kurzem einen UPS-Shop als Zusatzeinnahme (Einzelhandel).

    Gefühlt 9 von 10 Paketen, die uns von der eigent­li­chen Arbeit abhiel­ten, bestand in Retouren irgend­wel­cher Trittchen, die "SOPHIA-Mode" zurück­schicken wollten. 

    Das kur­ze Recherchieren ergab, dass es sich um einen aus­beu­te­ri­schen Dreckskonzern han­delt, der Arbeiter, vor­zugs­wei­se in "Dritte-Welt-Ländern" bis auf die Knochen ausbeutet. 

    Das Gleiche gilt für den schreck­li­chen UPS-Konzern, des­sen Geschäftsmodell auf Union-Busting und pre­kä­ren Arbeitsverhältnissen nach dem Motto "Wenn-du-nicht-spurst-war­tet-schon-der-näch­ste-Depp-auf-dei­nen-Job" agiert und sei­ne schä­bi­gen Pakete für sage und schrei­be 38 ct pro Vorgang ver­ticken ließ.

    Die Vertreterin des Verbrecherkonzerns UBS lie­fer­te 2020 Plastiksäcke von Amazon, in denen Retouren gesam­melt wer­den soll­ten, die nach ihrer Aussage direkt nach Polen zum Shreddern gin­gen, weil die phy­si­sche Vernichtung gün­sti­ger sei als die Weiterverarbeitung. 

    Zu uns kom­men Trittchen vom Radio und der Zeitung, die uns von die­sem Geschäftsmodell über­zeu­gen wol­len und sich als beken­nen­de E‑Book-Freunde bloß­stel­len, die im loka­len Einzelhandel ein­kau­fen. Die sind so blöd und erken­nen nicht mal, dass ihr Handeln zum Aussterben der Innenstädte bei­trägt, weil kein Buchhändler von E‑Books irgend­wel­che Einnahmen erzielt, die sein Überleben sichern könnten.

    Nach end­lo­sen Gesprächen mit ver­be­klopp­te­ten Unternehmern und hun­dert­tau­send Anfeindungen mei­ner Person sind wir die Deppen end­lich los.

  2. Was macht für die "Umwelt" einen Unterschied, ob Kleidung neu ver­nich­tet wird oder nach kur­zem Tragen? Die Kleiderschränke sind doch bei jedem voll.

  3. Vor Erfindung der Genbaumwolle haben Jeans locker 20 jah­re gehal­ten, da die Fasern nicht so kurz waren.

    https://www.dw.com/de/burkina-faso-streit-um-die-gen-baumwolle/a‑43142162

    Waldviertler Schuhe hal­ten immer noch lock­ler 20 Jahre.

    Da das durch Erdöl ermög­lich­te Schlaraffenland lang­sam endet, weil die Rentabilität der Förderung sinkt, wird man sich in ALLEN Lebensbereichen (auch im Immateriellen) wie­der auf Haltbares besin­nen müssen. 

    Wie Klaus Schwabs flie­gen­de 5G-Drohnen sich in das Zeitalter der neu­en alten Sparsamkeit ein­fü­gen, wird noch zu klä­ren sein.

  4. Und was geschieht mit all den unge­nutz­ten Silvester-Böllern? Ich bin auch für ver­bren­nen. Öffentlich. 

    Alternativ: im Kanzleramt.

    Durch die gro­ße Glasscheibe der "Waschmaschine" gäbe das sicher ein schö­nes Bild hin. Mit Merkel mittendrin :-))))

  5. Greenpeace …

    Habe vor mind. 20 Jahren mal spon­tan das GP-Magazin erwor­ben, nach­dem ich das Titelbild erblick­te: https://​www​.green​peace​-maga​zin​.de/​a​k​t​u​e​l​l​e​s​/​d​a​s​-​e​r​s​t​e​-​mal
    (Ach guck! es war die erste Nummer …)

    Ja, das inter­es­sier­te mich. Ökodiktatur, wie ste­hen sie dazu?

    Drin waren vier Artikel zum Thema.
    Einer war fic­tion, in dem der Autor sich in die Rolle der dann Machthabenden fan­ta­sier­te, und mit sicht­li­chem Genuss an der Sache ent­schied, wer zum Aufräumen in die Verseuchte ZONE musste.

    Die ande­ren drei waren Erörterungen, die – wie im ver­link­ten Artikel beschrie­ben – immer­hin zum Fazit gelang­ten: Diktatur ist sub­op­ti­mal, lie­ber nicht …
    Entscheidend war für mich aller­dings, dass die Diktatur in allen drei­en in eine Richtung gedacht wur­de – mal sar­ka­stisch zuge­spitzt: "Wie ver­hin­dern wir, dass die Neger unse­ren Regenwald abholzen?"

    Kapitalismuskritik, oder nur eine Spur von Sinn für die Machtverhältnisse? Pustekuchen!

    Sea Shepherd: Ja! Greenpeace: Nein.

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