Wegen kritischem Interview: Hamburger Klinik setzt Pflegerin vor die Tür

Am 28.12. ist auf focus​.de zu lesen:

»Es zeich­net sich schon län­ger ab: Durch die zei­gen­de Zahl der Corona-Patienten und den Pflegekräftemangel wird die Lage auf Hamburgs Intensivstationen ern­ster. Doch die Vorwürfe, die die Pflegerin Romana Knezevic im „Hamburg Journal“ vor­brach­te, waren beson­ders schwer­wie­gend: Auf den Intensivstationen des AK St. Georg kön­ne teil­wei­se nur noch mit einem Betreuungsschlüssel von 1:5 gear­bei­tet wer­den, dabei sei sonst ein Betreuungsschlüssel von 1:2 oder 1:1 vorgesehen.

Auch Reinigungspersonal gebe es zu wenig. Die Arbeiten müss­ten vom Pflegepersonal über­nom­men wer­den, wodurch weni­ger Zeit für die Versorgung der Patienten blie­be. Knezevic sprach außer­dem davon, dass Patienten wegen zu wenig Personal allein in ihren Zimmern ster­ben würden.

War die Pflegerin „ideologisch-politisch motiviert“?

Asklepios wider­spricht die­ser Darstellung: Der gesetz­li­che Personalschlüssel wer­de auf den Intensivstationen des AK St. Georg kon­ti­nu­ier­lich ein­ge­hal­ten. Abgesehen von der Reinigung hoch­sen­si­bler medi­zi­ni­scher Geräte, die regel­haft von Pflegekräften gerei­nigt wer­den, wür­den Intensivpflegekräfte nicht ange­ord­net, Tätigkeiten des Reinigungspersonals zu über­neh­men, erklärt ein Sprecher der Asklepios Kliniken Hamburg gegen­über der MOPO. Auch Sterbebegleitungen durch Pfleger sei­en gewährleistet.

Nun will Asklepios der Pflegerin wegen fal­scher Tatsachenbehauptung kün­di­gen. „Bei allem Verständnis für teils berech­tig­te Kritik am Gesundheitssystem ist es gleich­wohl nicht hin­nehm­bar, dass Mitarbeiter aus ideo­lo­gisch-poli­tisch moti­vier­ten Gründen gegen­über Medien wis­sent­lich Falschinformationen ver­brei­ten oder Ausnahmesituationen als Regelfälle dar­stel­len“, so der Sprecher.

Dadurch wür­den Arbeitgeber und Kollegen öffent­lich in Misskredit gebracht und das Vertrauen der Hamburger Bevölkerung erschüt­tert. „Das tole­riert kein Arbeitgeber.“

„Durchsichtiger Einschüchterungsversuch“

Die Hamburger Krankenhausbewegung, ein selbst­or­ga­ni­sier­ter Zusammenschluss von Krankenhausbeschäftigten, stellt sich hin­ter Knezevic. „Der Versuch, unse­re Kollegin zu kün­di­gen, wird auf den Stationen als durch­sich­ti­ger Einschüchterungsversuch wahr­ge­nom­men und sorgt für Entrüstung und Wut“, heißt es in der Mitteilung.

Die Bewegung for­dert Asklepios auf, den Antrag auf Kündigung sofort zurück­zu­zie­hen, und erwar­tet auch vom Hamburger Senat, auf eine Rücknahme des Kündigungsversuchs hin­zu­wir­ken.«

2013 hat­te sich das Unternehmen am Rhön-Klinikum betei­ligt, das es in die­sem Jahr zu 100 % über­neh­men will. Von Juli 2001 bis Juni 2013 war Karl Lauterbach Mitglied des Aufsichtsrats der Rhön-Klinikum AG (s. dazu Wer ist eigent­lich die­ser Karl Lauterbach?).

Am 21.12.2016 urteil­te der "Spiegel":

»Der Klinikkonzern Asklepios hat den Ruf eines gna­den­lo­sen Renditetreibers, der Gewinne auf dem Rücken von Ärzten, Pflegern und Patienten macht. Auf vie­len Stationen regie­ren Druck und Angst.«

9 Antworten auf „Wegen kritischem Interview: Hamburger Klinik setzt Pflegerin vor die Tür“

  1. Dem Namen nach kommt sie Tschechien. Vielleicht hat­te sie nicht genug west­deut­sche Nachhilfe in Sachen Demokratie und Grundrechte.

    1. Tja, den AG in der Öffentlichkeit ver­un­glimpft. Da wird die Luft dünn.
      Dass es in D ent­spre­chen­den Schutz für whist­le­b­lower gibt, bezweif­le ich.

      „In Deutschland gilt der­je­ni­ge, der auf den Schmutz hin­weist, für viel gefähr­li­cher als der­je­ni­ge, der den Schmutz macht.“
      (Hildegard von Bingen)

  2. Ja, es ist schon ein beson­de­rer Fall mit Asklepios und Hamburg, und im AK St. Georg auch nicht die erste öffent­li­che Beschwerde von Seiten der Beschäftigten, z.B. schon 2016:
    https://​www​.welt​.de/​r​e​g​i​o​n​a​l​e​s​/​h​a​m​b​u​r​g​/​a​r​t​i​c​l​e​1​5​8​8​5​7​9​5​5​/​A​e​r​z​t​e​-​w​a​r​n​e​n​-​v​o​r​-​U​e​b​e​r​l​a​s​t​u​n​g​-​u​n​d​-​G​e​f​a​h​r​-​f​u​e​r​-​P​a​t​i​e​n​t​e​n​.​h​tml
    Oder auch dies aus dem AK Altona von 2019:
    https://​taz​.de/​K​r​i​t​i​k​-​a​n​-​K​r​a​n​k​e​n​h​a​u​s​k​o​n​z​e​r​n​-​A​s​k​l​e​p​i​o​s​/​!​5​6​1​4​0​15/
    Der Verkauf des LBK (Landesbetrieb Krankenhäuser) zu 74,9% an den Asklepios-Konzern 2005 hat die­sen erst so rich­tig groß gemacht. Dabei hat­ten sich mehr als 76 % von 800.000 an dem Volksentscheid teil­neh­men­den Hamburgern gegen den Verkauf aus­ge­spro­chen. Leider hat­te das damals noch kei­ne ver­hin­dern­de Wirkung. Das Geschäft wur­de noch unter dem dama­li­gen CDU-Senat mit Ole (von Beust) als Erster Bürgermeister abge­wickelt und dabei zusätz­lich die Stadt um ca. 70 Mio besch… Sein Nachfolger Olaf (Scholz) aller­dings zeig­te auch kein Interesse dar­an, die­sen Kauf irgend­wie rück­gän­gig zu machen, nach­dem er sich schon im Falle der Rekommunalisierung des Energienetzes dem Bürgerwillen beu­gen muß­te. „Die Stadt hält zwar 25,1 Prozent der Anteile, hat aber auf fast alle Mitspracherechte ver­zich­tet.“ taz 2019 (s.o.)
    Dabei war das AK St. Georg mal ein wirk­lich belieb­tes Krankenhaus mit gutem Ruf im Stadtteil St. Georg beim Hauptbahnhof, mit­ten in einem Brennpunkt-Quartier mit Prostitution, Drogenhandel, hohem Migrantenanteil und Obdachlosigkeit. In die­sem Krankenhaus wur­de frü­her kei­ner der Betroffenen abge­wie­sen, ähn­lich wie im inzwi­schen abge­wickel­ten Hafenkrankenhaus auf St. Pauli. Gerade unter den Beschäftigten in die­sen bei­den Krankenhäusern in den ehe­ma­li­gen Arbeiterquartieren mit viel Armut war man sich des geschicht­li­chen wie des sozia­len Umfeldes sei­ner Patienten bewußt und hat danach sein ärztliches/pflegerisches Handeln aus­ge­rich­tet. Durch die Privatisierungen von Krankenhäusern hat sich eben nicht nur die medi­zi­ni­sche Behandlung der Patienten und der Umgang mit den dort arbei­ten­den Menschen ver­schlech­tert und ver­schärft, son­dern auch die Integration in das Quartier und die Verbundenheit mit den Bewohnern weit­ge­hend erledigt.
    Zwischenzeitlich war auch mal die Staatsanwaltschaft im Fall Asklepios invol­viert, was dann zu solch einer ‚Nettigkeit‘ führte:
    „Asklepios-Gründer appel­liert an Mitarbeiter
    Asklepios-Eigentümer Bernard gro­ße Broermann (auch Eigentümer vom Wohnsitz Udo Lindenbergs dem Atlantic-Hotel an der Alster, nahe dem AK St. Georg, Bri) schrieb der­weil in einer inter­nen Mail an die Mitarbeiter, die dem Abendblatt vor­liegt, er emp­fin­de „gro­ße Betroffenheit“ über die Fälle von mut­maß­li­chen Pflegefehlern und bedenk­li­chen Zuständen in den Hamburger Krankenhäusern, die jetzt bekannt wur­den. Er ken­ne die Einzelfälle nicht, „aber sicher ist, dass wir die­se bei Asklepios nicht wol­len“. Dennoch lob­te Broermann die Mitarbeiter für ihre „auf­op­fern­de Arbeit“, die täg­lich zu Tausenden zufrie­de­ner Patienten füh­re. Die medi­zi­ni­sche Qualität ste­he bei Asklepios an erster Stelle.“
    https://​www​.abend​blatt​.de/​h​a​m​b​u​r​g​/​k​o​m​m​u​n​a​l​e​s​/​a​r​t​i​c​l​e​2​0​9​0​3​5​5​1​9​/​E​x​-​F​i​n​a​n​z​s​e​n​a​t​o​r​-​W​o​l​f​g​a​n​g​-​P​e​i​n​e​r​-​w​e​i​s​t​-​V​o​r​w​u​e​r​f​e​-​z​u​r​u​e​c​k​.​h​tml
    Natürlich haben die betrof­fe­nen Mitarbeiter schuld, wenn es zu Fehlern kommt. Deutlicher kann Verachtung gegen­über den Beschäftigten des eige­nen Unternehmens nicht zum Ausdruck gebracht wer­den. Aber der betref­fen­de Hauptakteur die­ses Verkaufs, dama­li­ger Finanzsenator Peiner war zumin­dest vor 3 Jahren noch von der pri­ma Idee überzeugt:
    „Wettbewerb macht Gesundheitssystem bezahlbar“
    https://​www​.welt​.de/​r​e​g​i​o​n​a​l​e​s​/​h​a​m​b​u​r​g​/​a​r​t​i​c​l​e​1​6​5​4​8​3​9​8​9​/​E​i​n​e​-​v​e​h​e​m​e​n​t​e​-​V​e​r​t​e​i​d​i​g​u​n​g​-​d​e​r​-​O​r​d​n​u​n​g​s​p​o​l​i​t​i​k​.​h​tml
    Asklepios ist eine unend­li­che Geschichte (nicht nur) in Hamburg und wird sicher wie­der auf die Tagesordnung kom­men, soll­te es mal nicht mehr um Inzidenzen und Impfungen gehen. Falls die Menschen dann noch die Kraft haben sich kri­tisch mit den gege­be­nen Bedingungen zu befassen.

  3. Dabei soll­te man sehen, dass Knezevic SPRECHERIN der Hamburger Krankenhausbewegung ist, die sich seit lan­gem gegen "Missstände" aus­spricht, nicht "nur" Pflegerin:
    https://​www​.ham​bur​ger​-kran​ken​haus​be​we​gung​.de

    Es ist hier wie stets die Frage: wo ist das Ende der Wurscht? Pfleger bekla­gen sich über Misstände, kri­ti­sie­ren den Arbeitgeber. Der wie­der­um ist selbst gehal­ten, inmit­ten der gesetz­lich ver­re­gel­ten Pflegewirtschaft irgend­wie ren­ta­bel zu sein – es gibt genug Berichte von Häusern, die schlie­ßen müs­sen. Ganz oben oben jene Politik, die Medizinjuristen einst mit der Unsäglichkeit betriebs­wirt­schaft­li­cher Fallzahlen beauf­trag­te, die die in klein­tei­li­ge Gesetze gegos­sen haben, deren Funktionalität eben­so "bewie­sen" wur­de wie nun die "Wirksamkeit" des Impfstoffs. Fallpauschalen und Impfstoffe sind aber nicht auf Ziel hin erfun­den und schon gar nicht opti­miert. Jemand denkt sich irgend­was aus, Pi mal Daumen denkt man, es könn­te klap­pen, und dann setzt man es um. Immer wie­der wird nach­ge­schraubt, aber was bereits im Ansatz und Grundgedanken falsch war, wird auch durch "Verbesserungen" nicht rich­ti­ger. Informatiker ken­nen das noch von frü­he­rer Software – undo­ku­men­tiert Schicht um Schicht ver­wo­ben, so dass kei­ne Stelle ver­bes­sert wer­den konn­te, ohne dass Tausend Sachen dann nicht mehr funk­tio­nier­ten. Solche Systeme sind irgend­wann so dys­funk­tio­nal, dass sie an sich selbst kol­la­bie­ren und abge­löst wer­den (müs­sen). Das ist m. Mn. nach das, was gera­de mit dem poli­ti­schen System pas­siert. Auf des­sen Ruinen wer­den sich dann die Ane-Maries die­ser Erde an der Hand phil­an­tro­pisch-wohl­mei­nen­der Foundations Spielzimmer sicher, das sie aus­stat­ten und end­lich so rich­tig gut und kol­lek­tiv sein dür­fen. Superreiche und eine bestimm­te Sorte strunz­nai­ver Kollektivsehnsüchte pas­sen in der Tat exzel­lent zusam­men – wie, das hat Cynthia Freeland vor Jahren recher­chiert und ihn Ihrem Buch "Die Superreichen" her­vor­ra­gend dar­ge­stellt. Sie hat danach kei­nes mehr geschrie­ben, denn sie wur­de ein­ge­kauft, ist seit­her in wech­seln­den kana­di­schen Ministerämtern zu fin­den. (das ist der ande­re Weg, Kritiker aus­zu­schal­ten: sie einbinden).

  4. Kleinstrecherche:
    Auch für Nicht-Tschechen, bissl "Nachhilfe": der Name lässt eher auf den Balkan schließen
    https://de.wikipedia.org/wiki/Kne%C5%BEevi%C4%87
    und mittels
    https://de.wikipedia.org/wiki/Romana_(Vorname)#:~:text=Romana%20kommt%20aus%20dem%20romanischen,die%20verl%C3%A4ngerte%20Form%20von%20Mina.
    auf des­sen adria­ti­schen Raum.

    Aber egal. Hauptsache irgend­je­mand gebasht. Warum auch immer.
    Erkenntnis: Stuss kommt nicht nur von Erfindern der unver­ant­wort­li­chen Verantwortlichen für expo­nen­ti­el­les Wachstum ("Großfamilien", "Reiserückkehrer", "Maskenmuffel", …)

    1. Habe Schumans Einwurf nicht als Bashing son­dern eher als Ironie ver­stan­den. So ver­schie­den kön­nen Menschen sein und wahrnehmen …

      Friede den Hütten 🙂

  5. Ist nichts Neues, dass Menschen, die die Wahrheit aus­spre­chen und den eige­nen Arbeitgeber damit bloß­stel­len, ganz schnell ent­fernt wer­den müs­sen. Natürlich alles nur Einzelfälle und die Pflegerin bil­det sich das ein. Klaro.. 

    Wie ver­lo­gen die­je­ni­gen sein kön­nen, die an der Macht sit­zen, wis­sen wir ja. Da muss es eben Opfer geben, so lan­ge, bis die eige­nen kri­mi­nel­len Machenschaften nicht mehr ver­tuscht wer­den können. 

    Wenn aber (fast) jeder mit­spielt, wird das nie was. Offenbar sit­zen ja auch die Aufsichtsbehörden auf der Machtseite und haben nicht wirk­lich ein Interesse, irgend­et­was auf­zu­klä­ren und zum Besseren zu bewegen.

    Ich fra­ge mich immer nur, ob der Verstand die­ser Menschen nicht ein­mal so weit reicht, sich vor­stel­len (das ist wohl unum­gäng­lich, dass es dazu kom­men wird), dass sie auch ein­mal auf die­sen Stationen lie­gen wer­den als Alte und Sterbende und ob ihnen das selbst gefal­len wür­de, so behan­delt zu wer­den. Ebenso scheint auch jeg­li­che Empathie und jeg­li­ches EInfühlungsvermögen zu feh­len, sonst wür­de man sich mal in die Pfleger hin­ein­ver­set­zen und sich über­le­gen, ob das noch wür­de­vol­le Arbeitsbedingungen sind.

    Wo aber die Moral ver­kom­men ist und es nur noch um Aktiengewinne geht, wird jeder Mensch ein skru­pel­lo­ses Tier. Ich wer­de sehen, dass ich mög­lichst in kein sol­ches Sterbehaus muss. Lieber ver­hun­ge­re ich spä­ter mal zu Hause in mei­nen eige­nen vier Wänden (sofern wir dann nicht eh alle im Gefängnis wei­len oder unter der Autobahnbrücke), als dass ich mich die­sen Unmenschen ausliefere.

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