Wie Karl Lauterbach zu dem gemacht wurde, was er ist

Das war hier im November 2020 zu lesen. Ehe sei­ne Zeit end­gül­tig zu Ende geht, sei der Beitrag noch ein­mal wie­der­holt. Er stand unter der Überschrift "taz berich­tet aus dem Gesäß von Karl Lauterbach":

Sollte es jün­ge­re LeserInnen geben, wel­che die Zeiten nicht mehr ken­nen, in denen Menschen sich über bedruck­tes Papier ("Zeitungen") poli­tisch infor­mier­ten, sei für sie vor­aus­ge­schickt: Die taz (Tageszeitung) war ein­mal ein alter­na­ti­ves, zeit­wei­lig sogar lin­kes und fre­ches Blatt und mit­un­ter Sprachrohr von Bürgerbewegungen. Inzwischen hat sie sich mit ihrer LeserInnenschaft in die bür­ger­li­che Bequemlichkeit zurück­ge­zo­gen und legt sich nur ungern mit den Herrschenden an. Ausdruck davon ist, daß sie am 22.11. aus­ge­rech­net über den unqua­li­fi­zier­te­sten, pol­ternd­sten und geschwät­zig­sten "Corona-Experten" einen anbie­de­ri­schen Artikel par excel­lence ver­öf­fent­lich­te. Darin liest man:

»… Lauterbach sitzt in einem kar­gen Konferenzraum im nahe­zu men­schen­lee­ren Bundestag. Vor ihm auf dem Tisch eine Flasche Wasser, 

in sei­nem Gesicht eine Viren inak­ti­vie­ren­de ­Livinguard-Maske, drau­ßen die Dunkelheit eines Berliner Novemberabends. Es ist nicht so ein­fach, die­sen Mann, den Twitter-User schon mal „Vollidiot“ nen­nen, in die­sen Tagen zu tref­fen. Tagsüber der Job im Bundestag, Besprechungen mit der Kanzlerin, mit WissenschaftlerInnen. Nachts Studien lesen, aus­wer­ten, wei­ter­ge­ben. Nach dem Gespräch mit der taz wird er sich mit Christian Drosten tref­fen, dem – dank Corona – bekann­te­sten Virologen der Republik.«

Immer mal wie­der gibt es einen lie­be­vol­len Seitenhieb, doch die Bewunderung ist allgegenwärtig:

»Da gibt es jene, die all das unter­schrei­ben, was er sagt. Die sich an sei­ne Vorgaben hal­ten, seit Monaten kein Restaurant von innen gese­hen haben und öffent­li­che Plätze mei­den. Die kom­plett im Homeoffice arbei­ten und mit ande­ren aus­schließ­lich tele­fo­nie­ren, zoo­men, sky­pen. Die sich in ihrem vor­sich­ti­gen Verhalten bestä­tigt fühl­ten, als die Infektionszahlen zu Herbstbeginn in die Höhe schnell­ten. Genau das näm­lich hat­te Lauterbach vor­aus­ge­sagt: Sobald es küh­ler wer­den wür­de, wür­den sich mehr Leute anstecken…

Für die Kritiker der dra­sti­schen Einschränkungen ist Lauterbach eine Spaßbremse und einer der größ­ten Phobiker aller Zeiten. „Alarmsirene“ nann­te ihn mal die Zeit, „lie­bens­wer­te­ste Kassandra“ tauf­te ihn die taz.

Fast alle sei­ne Prognosen waren richtig
Das Problem ist: Lauterbach ist bei­des, Rechthaber und Spielverderber. Fast alles, was er pro­gno­sti­ziert und erklärt, ist auch ein­ge­trof­fen: höhe­re Infektionszahlen im Herbst und Winter, Langzeitfolgen, die vie­len Toten. Der Mangel an Klinikpersonal, bald feh­len­de Beatmungsbetten, hohe Inzidenzwerte über lan­ge Zeiträume hinweg…

Ein ein­zi­ges Mal hat­te er unrecht: Im Sommer warn­te er davor, Läden und Restaurants zu früh zu öff­nen, weil sich dann zu vie­le Menschen zu rasch infi­zie­ren wür­den. Passiert ist das nicht – und Lauterbach begrün­de­te das mit der fri­schen Luft, drau­ßen sei das Infektionsrisiko nicht so groß. Nun ja, falsch ist das nicht…

Jene, die etwas Gutes über ihn sagen wol­len, ver­wei­sen auf sein neu­es Styling: seit dem Wahldebakel kei­ne Fliege mehr, eine ande­re Frisur. Beim Gespräch mit der taz fragt die Fotografin, was denn mit sei­nen Haaren los sei, war­um so kurz. „In mein Haus ist ein Friseur ein­ge­zo­gen“, sagt Lauterbach und grient. Dann will er rasch drei, vier Fotos machen, für mehr hat er kei­ne Zeit. Schließlich ist er zum Reden hier und nicht als Coverboy für ein Männermagazin…

Schon mög­lich, dass man­che in der Fraktion und im Willy-Brandt-Haus, der SPD-Parteizentrale, den Mann um die­se Selbstsicherheit und die­ses Charisma benei­den. In Gesprächen mit Abgeordneten klingt das in Zuschreibungen wie „Karl der Solitär“, „was für eine Koryphäe“, „Superman“ durch. Darauf hat Lauterbach nur eine Antwort: „Jeder, der so viel arbei­tet wie ich, wird Erfolg haben. Mir fällt nichts zu.“ Mit ande­ren Worten: Dann strengt euch gefäl­ligst mehr an…

Er ist schlank, durch­trai­niert und scheint auch sonst sei­nen Körper im Griff zu haben. Wenn ande­re nachts schla­fen, liest er Studien: Corona-Impfstoffe, Langzeitfolgen, Immunitätszeiträume, Mehrfach­erkrankungen. Drei, vier, fünf Studien pro Nacht. Am näch­sten Tag erklärt und bewer­tet er sie in Tweets, in Statements, im Fernsehen. „Ich lese die Studien nicht, ich fres­se sie regel­recht“, sagt Lauterbach, „das mache ich seit Jahrzehnten. Ich habe einen Vorteil: Ich bin sehr gut ver­netzt mit Wissenschaftlern auf der gan­zen Welt.“

Mit ihnen sei er täg­lich im Kontakt, erzählt er. Sie schrei­ben sich Mails, chat­ten und wei­sen sich auf Studien hin: Achtung, das Paper hier ist wich­tig, bit­te auf die­se Passage ach­ten und auf jenes Ergebnis. „Dann weiß ich schon, in wel­che Richtung es geht“, sagt er. Gerade dis­ku­tie­re er mit sei­nen „Leuten“ eine Expertise der Havard University zu Mutationen. „Das ist total irre“, sagt er, „das geht alles so rasend schnell.“ Wie vie­le Coronastudien es gebe, kön­ne man nicht mehr zäh­len, das sei ein „wah­res Universum“. Wirklich wich­tig sei­en aber nur etwa zehn, höch­stens 15 Studien. Alles ande­re: Beifang.

Warum macht er das? Warum schlägt er sich die Nächte um die Ohren, hetzt von einer Talkshow zu näch­sten, redet uner­müd­lich, setzt sich hef­ti­ger Kritik aus bis hin zu Morddrohungen? „Ich will, dass wir so unbe­scha­det wie mög­lich durch die Pandemie kom­men“, sagt er. Und schaut dabei so ein­dring­lich und fest, dass ein Zweifel an die­ser Aussage nahe­zu unmög­lich ist. „Ich wün­sche mir vor allem, dass nie­mand in mei­nem nähe­ren Umfeld, in mei­ner Familie erkrankt.“ Soweit es geht, hat er sei­ne Kontakte ein­ge­schränkt. Übrig geblie­ben sind sehr weni­ge fami­liä­re Treffen und sol­che mit KollegInnen, mit Medienleuten.

Wenn er sei­ne 85-jäh­ri­ge Mutter besucht, lässt er sich vor­her testen. Später sit­zen Mutter und Sohn auf der Terrasse, in dicke Decken ein­ge­wickelt. „So wird das auch Weihnachten sein“, sagt er, „kein Risiko.“

Aber es gibt Hoffnung. Lauterbach ver­traut den poten­zi­el­len Impfstoffen von Biontech und Moderna. Möglicherweise kann in Kürze mit den Impfungen begon­nen wer­den. Lauterbach sagt: „Eine gro­ße Erleichterung.“ Und wann ist das Drama Corona weit­ge­hend vor­bei? „Im näch­sten Sommer.“ Die Wette gilt.«

(Hervorhebungen nicht im Original.)

10 Antworten auf „Wie Karl Lauterbach zu dem gemacht wurde, was er ist“

  1. „Ich lese die Studien nicht, ich fres­se sie regel­recht“, sagt Lauterbach

    Dann sind sei­ne Aussagen über vie­le Studien ja kein Wunder. Denn wir alle wis­sen ja, was aus Gefressenem wird, wenn es den Verdauungstrakt pas­siert hat.

  2. Ich fand ja, dass er zu die­sem Zeitpunkt so gut wie immer unrecht hat­te, wie alle ande­re auch, die Panik verbreiteten.

  3. "Fauci's Door-to-Door Vax Efforts Got Squashed by D.C. Residents Who Didn't Trust Him

    Woman: "I heard that [the shot] doesn't cure it, and it doesn't stop you from get­ting it."

    Man: "It’s about inci­ting fear … You all attack peo­p­le with fear."

    Article: https://​bit​.ly/​F​a​u​c​i​-DC "

    https://​twit​ter​.com/​V​i​g​i​l​a​n​t​F​o​x​/​s​t​a​t​u​s​/​1​6​3​7​9​4​6​2​4​0​0​3​7​1​6​7​105

    Dr. Fauci als Vertriebler bei der Kaltakquise. Lustige Salesansprache-Fails. Oder: Warum sie jetzt ihren Versicherungsschutz über­prü­fen sollten 🙂

  4. „Ich lese die Stu­di­en nicht, ich fres­se sie regelrecht“

    Wen inter­es­siert sowas? Hat der kei­nen Psychiater, dem er von sei­nen Essstörungen erzäh­len kann?

  5. "Fast alles, was er pro­gno­sti­ziert und erklärt, ist auch ein­ge­trof­fen: höhe­re Infektionszahlen im Herbst und Winter, Langzeitfolgen, die vie­len Toten. Der Mangel an Klinikpersonal, bald feh­len­de Beatmungsbetten, hohe Inzidenzwerte über lan­ge Zeiträume hinweg…"

    Bei nae­he­rer Betrachtung war fast alles (ausser das ganz offen­sicht­li­che, dass Atemwegserkrankungen in der kal­ten Jahreszeit haeu­fi­ger auf­tre­ten) was er pro­gno­sti­zier­te *falsch*.

    Beispiele gefael­lig?
    "Im Fruehjahr wird jeder ent­we­der geimpft, gene­sen oder ver­tor­ben sein."

    " Die Krankenhaeuser wer­den ueber­be­legt sein." (war nicht staer­ker der Fall als in jeder Grippewelle, eher im Gegenteil, Deutschland hat ja sogar Intensivpatienten aus dem euro­paei­schen Ausland uebernommen)

    Der Mangel an Klinikpersonal, bald feh­len­de Beatmungsbetten, hohe Inzidenzwerte über lan­ge Zeiträume hinweg…

    Einzig die "hohen Inzidenzen" (die ziem­lich nichts­sa­gend sind, die rele­van­te­re Zahl der Erkrankungen durch das Virus wur­den und wer­den ja bis heu­te nicht erfasst). Ach ja, den Mangel an Klinikpersonal gab es auch, der nur wegen der uns­i­ni­gen Vorschriften viel­leicht gra­vie­ren­der aus­fiel als in ande­ren Jahren zuvor, aber Ueberlastung des Personals gab es in den Kliniken auch schon jah­re­lang vor "Corona", wie der Intensivpfleger Mirko Lange in der BPK erklaer­te ,offen­bar zum Unmut der anwe­sen­den Politiker, die das zu gern allein auf das SARS-CoV2 Virus gescho­ben haet­ten). Aber die Klinikbelegungen und selbst die Belegungen der Inetnsivbetten lag przen­tuel *unter* der der Vorjahre (aber davon will ja nie­mand, auch Herr Lauterbach nicht, etwas wis­sen, wider­sprae­che es doch dem "Narrativ").

    Wenn schon uns­i­nin­ge Lobhudelei, haet­te die TAZ wenig­stens auf die so offen­sicht­li­chen Luegen ver­zich­ten koennen …

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