»Wie Karl Lauterbach 1995 seinen Lebenslauf fälschte«

Der Artikel steht am 11.3.23 hin­ter der Bezahlschranke. Vielleicht lohnt sich der Kauf der mor­gi­gen "WamS", um ihn voll­stän­dig zu lesen. Er könn­te ein histo­ri­sches Dokument werden.

welt​.de

Der Artikel ver­wen­det Material von Thomas Kubos "Karlatan" (s. hier), die AutorInnen haben aber noch mehr gefunden.

»Archiv-Dokumente bele­gen, wie Karl Lauterbach 1995 sei­nen Lebenslauf fälsch­te. Damals ging es um eine Professur in Tübingen und ein Projekt, von dem sich heu­te nichts mehr fin­den lässt.

Als die Tübinger Eberhard-Karls-Universität im Herbst 1995 die C4-Professur „Gesundheitssystemforschung“ aus­schreibt, ist Karl Lauterbach 32 Jahre alt. Er hat gera­de sei­nen Aufenthalt in den USA been­det, in der Tasche den „Doctor of Science“ der Harvard School of Public Health. Der auf­stre­ben­de Wissenschaftler ver­schenkt kei­ne Zeit, am 10. Dezember schickt er eine Bewerbung für die Professur nach Tübingen.

Die Akten des Berufungsverfahrens sind bis heu­te im Universitätsarchiv ein­seh­bar – und könn­ten für den Bundesgesundheitsminister nun zum Problem wer­den. Denn auch sei­ne Bewerbung lagert hier, und die lässt sich mit sei­ner tat­säch­li­chen Laufbahn nicht in Einklang brin­gen. Wie aus den Unterlagen her­vor­geht, war es vor allem ein Passus in der Bewerbung, der es der Berufungskommission ange­tan hat­te: „Laufende Forschungsprojekte (Drittmittelförderung, Auswahl)“… 

In einem Protokoll heißt es, der Bewerber habe ange­ge­ben, „einen beträcht­li­chen Teil“ sei­ner ein­ge­wor­be­nen Drittmittel nach Tübingen trans­fe­rie­ren zu kön­nen – ein dickes Plus für Lauterbach im Bewerbungsverfahren, denn die finan­zi­el­le Lage der Uni war pre­kär. Doch das Gesundheitsministerium teil­te WELT AM SONNTAG in der ver­gan­ge­nen Woche mit, ein Projekt mit die­sem Namen sei nicht bekannt. Auch im Bundesarchiv gibt es kei­ne Dokumentation dazu. Der Verleger Thomas Kubo hat­te bereits mona­te­lang nach Belegen gesucht und war nicht fün­dig gewor­den; dar­über schrieb er jüngst im Blog „Hintergrund“.

Rätsel um zwei Millionen DM

In der Bewerbung hat­te Lauterbach das Tumorzentrum Aachen als Studienstandort ange­ge­ben. Dessen Ärztliche Leiterin Angela Spelsberg, damals mit Lauterbach ver­hei­ra­tet, erklär­te gegen­über die­ser Zeitung aller­dings, zu einem Projekt mit die­ser Beschreibung lägen kei­ne Unterlagen vor. Sie ver­wies statt­des­sen auf eine 2002 erschie­ne­ne, vom Gesundheitsministerium geför­der­te Brustkrebs-Studie zu Krebsdaten in Aachen. Als Autoren wer­den sechs Personen auf­ge­führt – Karl Lauterbach ist nicht dar­un­ter. Und dann ist da noch ein Buch, das in der Berliner Stadtbibliothek lagert – mit exakt dem Titel, den Lauterbach in sei­ner Bewerbung ange­ge­ben hat­te. Die Danksagung rich­tet sich an „600 Kollegen, Mitarbeiter und Helfer“.

Und wie­der: Lauterbach taucht nicht als Autor auf, er wird nicht ein­mal erwähnt. Will er nicht „Studienleiter“ gewe­sen sein? Als eben jener wird Christian Mittermayer auf­ge­führt, damals Direktor des Instituts für Pathologie der RWTH Aachen. Am Telefon sag­te Mittermayer WELT AM SONNTAG, an Lauterbach erin­ne­re er sich noch gut. In Bezug auf des­sen Bewerbung in Tübingen möch­te er aller­dings Stillschweigen bewah­ren. Dazu habe man ihm geraten.

Damals, so viel steht fest, war Mittermayer aus­kunfts­freu­di­ger. Im Januar 1996 wand­te er sich mit einer schrift­li­chen Einschätzung zu Bewerber Lauterbach an den Dekan der Uni Tübingen. WELT AM SONNTAG konn­te den Brief ein­se­hen. Mittermayer schrieb, Lauterbach habe am Institut für Pathologie eine hal­be Assistentenstelle inne­ge­habt, „um ein Forschungsprojekt über Mammakarzinome zu bear­bei­ten“. Mit ande­ren Worten: Lauterbach war nicht – wie er behaup­te­te – Leiter einer sol­chen Studie, er war ledig­lich als Assistent beteiligt…

In die­ser Woche schick­te WELT AM SONNTAG noch ein­mal detail­lier­te Fragen an Lauterbachs Sprecher Hanno Kautz… Kautz ant­wor­te­te: „Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass nach mehr als einem vier­tel Jahrhundert die Details zu den von Ihnen erwähn­ten Studien nicht rekon­stru­iert wer­den kön­nen.“… Ein Gespräch mit dem Minister? „Können wir nicht ermög­li­chen.“ Direkt an ihn gerich­te­te Fragen woll­te Lauterbach eben­falls nicht beantworten.

Auch eine zwei­te Behauptung zu Drittmitteln in der Bewerbung stimmt offen­bar nicht…«

Es geht um eine Studie in Princeton, USA. In einem Telefonat teilt der dama­li­ge Studienleiter mit: "Karl war nicht an der Beschaffung der Förderung betei­ligt".

»Das Buch und die Stiftung

Und dann war da noch die zuge­sag­te Förderung für ein Buchprojekt. In den Bewerbungsunterlagen führ­te Lauterbach an: „Ethik und Ökonomie im Gesundheitssystem. Buchautor. Gefördert durch die Robert-Bosch-Stiftung, Stuttgart. (20.000 DM).“ Auf Anfrage teil­te die Stiftung WELT AM SONNTAG mit, man habe Lauterbach die Förderung zwar zuge­sagt, das Geld sei aber am Ende doch nicht geflos­sen. Der Grund: Das Buch wur­de nicht fer­tig­ge­stellt. Unschärfen gibt es in Lauterbachs angeb­li­cher Publikationsliste: Alle Bücher waren zum Zeitpunkt der Bewerbung noch nicht erschienen…

Verleger Kubo will, dass Experten die Sache auf­klä­ren. Vor zwei Wochen hat er die Ombudspersonen der Universitäten Köln und Tübingen um eine Untersuchung der Vorwürfe gegen den Minister gebe­ten. Wie der Stand der Dinge ist, ist unklar. Die Unis teil­ten mit, der­ar­ti­ge Verfahren sei­en „streng vertraulich“.«

24 Antworten auf „»Wie Karl Lauterbach 1995 seinen Lebenslauf fälschte«“

  1. Überrascht das jeman­den wirklich ?
    In einer Gesellschaft (und damit mei­ne ich nicht nur die deut­sche), in der es zum guten Ton gehört, sich selbst auf­zu­plu­stern und mehr zu schei­nen, als man ist ? Ka-El ist sicher noch­mal ein Fall für sich, aber die Tendenz gibt es doch schon seit sehr vie­len Jahren auch im Kleinen. Solange die Menschen nicht irgend­wann mal anfan­gen, sich auf sich selbst zu besin­nen und sich auch nicht jeden Sch… ein­re­den las­sen, wird sich dar­an so schnell wohl nichts ändern.

  2. Warum wird da von einem "dunk­len Fleck" gespro­chen? Ein Fleck hebt sich nega­tiv von der nähe­ren Umgebung aus. Seine gan­ze Vergangenheit und Gegenwart ist doch dun­kel wie die Nacht.

    1. @Johannes Schumann
      Ich habe genau das Gleiche gedacht. Von einem "dunk­len Fleck" zu spre­chen rela­ti­viert und ver­harm­lost ja schon wie­der. Ich wer­de mir heu­te den­noch eine "Wams" kau­fen (Danke Herr Aschmoneit für den Tip) denn in die­sem Land muss man mitt­ler­wei­le wirk­lich auch für die klein­ste Aufarbeitung sol­cher "Flecken" dank­bar sein.
      Ich schaue wann immer ich kann "Klartext", "Links, Rechts, Mitte" und "Talk im Hangar 7" auf Servus TV und die­se Sendungen erschei­nen einem wie von einem ande­ren Planeten, mit (wirk­lich!) aus­ge­wo­ge­nen Gästen, die vie­le kon­tro­ver­se Meinungen abdecken und wun­der­ba­re Diskussionen zulas­sen. In kein­ster Weise zu ver­glei­chen, was einem bei Will, Illner und Co. Woche für Woche an Dreck und immer glei­chem Diskussionsmüll vor­ge­setzt wird.

  3. Na, Kalle, brennt der Laborkittel? Herr Professor Doktor Irgendetwas, außer Gesundheit und Medizin.

    Wie erwar­tet "killt" das System jetzt die Hauptdarsteller. Dies war zu erwar­ten. Bei der näch­sten Veranstaltung wird es nicht anders sein. Die Intelligenz der "Hauptdarsteller" ist eben von der Gier und in man­chen Fällen auch der ideo­lo­gi­schen Verblendung, verdrängt.

    1. Ja, und auf die­se Weise kann er unter den Bus gewor­fen wer­den, ohne das lei­di­ge Corinna ‑Thema dabei in den Fokus rücken zu müs­sen. Win-win. Außer natür­lich für Kalle.

  4. Der Stein kommt ins Rollen: Erste Berichte heu­te mor­gen über den Lauterbach-Skandal auf focus​.de, t‑online und pro​sie​ben​.de. Weder in der "tages­schau" noch in "heu­te" heu­te mor­gen auch nur ein Wort davon. Viel wich­ti­ger war der aktu­el­len Kamera 2.0 Habecks Reise nach Brasilien, Demos in Frankreich gegen Macrons Rentenpläne und Überschwemmungen in Kalifornien.

    https://​www​.pro​sie​ben​.de/​s​e​r​i​e​n​/​n​e​w​s​t​i​m​e​/​n​e​w​s​/​b​r​i​s​a​n​t​e​-​r​e​c​h​e​r​c​h​e​-​h​a​t​-​l​a​u​t​e​r​b​a​c​h​-​s​e​i​n​e​n​-​l​e​b​e​n​s​l​a​u​f​-​g​e​f​a​e​l​s​c​h​t​-​7​0​235

    1. Es gibt Entwarnung: Proper konn­te sich von allen Vorwürfen rein­wa­schen. Seine Weste ist nun so weiß, dass man sich dar­in spie­geln kann.

  5. Naja, das "Aufhübschen" von Lebensläufen und Praxiserfahrung ist doch seit min­de­stens 30 Jahren gesamt­deut­scher Volkssport.
    (Ich kann mich gut an Vorstellungsgespräche erin­nern, in deren Verlauf die Interviewer hin&weg waren, dass ich tat­säch­lich über die angegebenen[sic!] Kenntnisse ver­füg­te und dar­über pro­blem­los fach­sim­peln konnte).
    Und wenn eine Bewerbung über eine Agentur (bei gut bezahl­ten Posten eher die Regel als die Ausnahme) läuft, dann fri­siert bereits die­se (oft ohne Rücksprache!) das "Kandidatendossier".

    Insofern glau­be ich nicht, dass die­se "Affäre" dem Karlatan beson­ders scha­den wird (außer viel­leicht einem Ringchen weni­ger im Heiligenscheinchen) – und ohne­hin der Meinung, dass er über das stol­pern soll­te, was er in den letz­ten 3 Jahren ange­rich­tet hat.
    Ist schließ­lich alles gut dokumentiert.

  6. Alle wer­den heu­te ver­arscht, von die­sen Experten und das geht schon lan­ge, nicht nur bei Klima, oder dem Gesundheitswesen. sie­he auch Drogen, Brinkmann, Giesecke, und die ande­ren kor­rup­ten Spinner

  7. Das wird dann wohl unser "Matt Hancock". Der Bankkaufmann Jens Spahn wird sicher­lich froh sein, wenn sich die Aufmerksamkeit auf Lauterbach lenkt. 

    Und die ganz gro­ßen Sauereien, die ja wei­ter­ge­hen, mit einer v.d. Leyen, die Kooperation von NATO und EU, die freie Meinungsäußerung wei­ter ein­zu­schrän­ken, die nach wie vor lau­fen­den Prozesse gegen Oppositionelle, die fort­dau­ern­de U‑Haft von Ballweg (den ich sehr kri­tisch sehe, was aber kein Grund sein darf, den Umgang der Justiz mit ihm als Unrecht anzu­se­hen), die Ambtitionen der Transformation u. v. mehr. 

    Lauterbach ist ein Symptom, kei­ne Ursache. Ich ver­ste­he nicht, war­um es ein Riesenerfolgsein soll, sei­ne Lügen zu ent­lar­ven, oder glaubt Ihr, daß sich dadurch etwas Grundlegendes ändert? 

    Ich freue mich, wenn ich mich irre.

  8. Im bay­ri­schen Fernsehen lau­fen gera­de Nachrichten. Gleich zu Beginn ein etwa 3 minü­ti­ger Filmbeitrag über Lauterbach's Krankenhausreform. Von sei­nem Lebenslauf kein Wort…

  9. Hat eigent­lich schon jemand dar­auf hin­ge­wie­sen, daß C4 nicht nur eine Professur, son­dern auch ein Mittel gegen lästi­ge Gasleitungen ist?
    Ist KL eigent­lich "Proukrainer"?

Schreibe einen Kommentar zu Marc Damlinger Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert