Wie war das noch… mit dem Ermächtigungsgesetz von 1933?

Zur Zeit wer­den ger­ne Parallelen gezo­gen zum Ermächtigungsgesetz, das der NSDAP durch die Zustimmung der bür­ger­li­chen Parteien den lega­len Weg zur Macht berei­te­te. Es war nicht das erste in der Weimarer Republik, und es hilft, einen Blick dar­auf zu wer­fen, um auch wesent­li­che Unterschiede zu heu­te zu bemer­ken. Wikipedia schreibt:

»Das Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933, offi­zi­ell das Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich, war ein vom Deutschen Reichstag beschlos­se­nes Ermächtigungsgesetz, mit dem die gesetz­ge­ben­de Gewalt fak­tisch voll­stän­dig an Adolf Hitler über­ging. Es war die Grundlage zur Aufhebung der Gewaltenteilung und ermög­lich­te alle dar­auf fol­gen­den Maßnahmen zur Festigung der natio­nal­so­zia­li­sti­schen Diktatur.

Mit den Gesetzen der 1920er Jahre, vor allem den Stresemann­schen und Marxschen Ermächtigungsgesetzen, waren gefähr­li­che Vorbilder für den Verfassungsbruch geschaf­fen wor­den. Als Hitler zu Beginn des Jahres 1933 sei­ne Diktatur zu festi­gen such­te, streb­te er ziel­ge­rich­tet ein Ermächtigungsgesetz an. Sein Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich vom 24. März 1933 unter­schied sich aber in ent­schei­den­den Punkten vom Ermächtigungsgesetz des Kabinetts Marx aus dem Jahre 1923:

        • Hitlers Regierung soll­te nach sei­nem Ermächtigungsgesetz nicht nur Verordnungen, son­dern auch Gesetze ver­ab­schie­den und Verträge mit dem Ausland schlie­ßen können.
        • So beschlos­se­ne Gesetze konn­ten von der Verfassung abweichen.
        • Die Regelung war inhalt­lich nicht beschränkt und soll­te vier Jahre gül­tig sein.
        • Weder ein Reichstagsausschuss noch der Reichsrat konn­ten Kontrolle aus­üben, zum Beispiel wenig­stens nach­träg­lich eine Aufhebung fordern.

Ein wei­te­rer Unterschied bestand in der par­la­men­ta­ri­schen Situation: Im Gegensatz zum Minderheitskabinett Marx hat­te die NSDAP seit den Wahlen vom 5. März 1933 zusam­men mit der DNVP eine abso­lu­te Mehrheit im Reichstag. Hitlers Absicht war es, den Reichstag aus­zu­schal­ten und die Verfassung de fac­to außer Kraft zu setzen.

SPD und KPD hat­ten zusam­men fast ein Drittel der Sitze im Reichstag. Um trotz­dem die für ein ver­fas­sungs­än­dern­des Gesetz nöti­ge abso­lu­te Zweidrittelmehrheit sicher zu errei­chen, wur­de zunächst die Geschäftsordnung des Reichstags geän­dert. Die inhaf­tier­ten und damit abwe­sen­den Abgeordneten der KPD gal­ten nun for­mal als anwe­send. Sodann wur­de – im Beisein ille­gal im Reichstag anwe­sen­der bewaff­ne­ter und uni­for­mier­ter SA- und SS-Angehöriger – unter der neu­en Geschäftsordnung das Ermächtigungsgesetz beschlossen.

Alle noch anwe­sen­den Parteien außer der SPD stimm­ten sowohl der Änderung der Geschäftsordnung wie auch dem „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“ zu; wegen der Gegenstimmen der SPD waren für das Erreichen der Zweidrittelmehrheit und die end­gül­ti­ge Annahme des Gesetzes die Stimmen der Zentrumspartei aus­schlag­ge­bend.«

Wenn der SPD-Abgeordnete Brecht von einem "Ermächtigungsgesetz eines Adolf Hitler" spricht, dann igno­riert er die Zustimmung der Vorgängerparteien sei­nes Koalitionspartners zu die­sem Gesetz (s. Ein Sozialdemokrat und das Recht (in Gestalt von Herrn Brecht). Dazu auch inter­es­sant: Bundesverdienstkreuz für Drosten – was ist das eigentlich?

4 Antworten auf „Wie war das noch… mit dem Ermächtigungsgesetz von 1933?“

  1. Zunächst ein­mal eine gute Nachricht, Argentinien hat den Lockdown been­det ohne in die Zeit der Miltärdiktatur zurück­zu­fal­len. Es ist also mög­lich, dass die Krise endet, ohne in einer schö­nen neu­en Welt auf­zu­wa­chen. Die schlech­te Nachricht: bereits eine ver­mu­te­te Bedrohung kann eine Notlage begrün­den. Grenzschliessungen, Ausgangssperren, Quarantäne und Ausweiskontrollen (aka Impfpass), könn­ten bald zu unse­rem Alltag gehö­ren, die Versuchung des poli­ti­schen Missbrauchs liegt auf der Hand. Das schlim­me dabei: ähn­lich zum Ermächtigungsgesetz bricht der Schutz des Lebens nach Überzeugung einer Mehrheit jedes ande­re Grundrecht, also auch dass des wich­tig­sten Rechts der Demokratie: Versammlungs- , Demonstrations- und mög­li­cher­wei­se sogar Meinungsfreiheit. Ob es so kommt weiß ich nicht, ich bin weder Jurist noch Prophet, aber wie mahn­te Edward Snowden: Bürokraten gewöh­nen sich schnell an neue Machtbefugnisse. Die Pandemie geht vor­bei, aber die Freiheit die wir jetzt auf­ge­ben, wer­den wir nicht wiederbekommen.

  2. Man lese den offen Brief der ehe­ma­li­gen DDR-Bürgerrechtlerin Angelika Barbe an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages und des Bundesrates, ver­öf­fent­licht auf epocht​i​mes​.de:

    https://​www​.epocht​i​mes​.de/​m​e​i​n​u​n​g​/​g​a​s​t​k​o​m​m​e​n​t​a​r​/​d​d​r​-​b​u​e​r​g​e​r​r​e​c​h​t​l​e​r​i​n​-​a​n​g​e​l​i​k​a​-​b​a​r​b​e​-​s​i​e​-​k​o​e​n​n​e​n​-​u​n​s​-​d​i​e​-​f​r​e​i​h​e​i​t​-​n​e​h​m​e​n​-​a​b​e​r​-​u​n​s​e​r​e​n​-​w​i​d​e​r​s​t​a​n​d​-​n​i​c​h​t​-​a​3​3​8​2​4​9​5​.​h​tml

    Er schließt mit:

    "“Es könn­te sein, dass man sich in 50 Jahren weni­ger an das Virus erin­nert, als an den Moment, als die Überwachung aller durch die Regierung begann.” (Prof. Yuval Noah Harari, israe­li­scher Menschenrechtshistoriker)

    Dieses Gesetz zum „Schutz der Bevölkerung bei epi­de­mi­scher Lage von natio­na­ler Tragweite“ erin­nert mich an das „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“ vom 24. März 1933 – als die gesetz­ge­ben­de Gewalt vom Parlament an Hitler über­ging. Damals hat­te die SPD noch als ein­zi­ge Fraktion den Mut, das Ermächtigungsgesetz abzulehnen.

    Heute hat die­se Partei, die ich 1989 in Schwante mit­grün­de­te, die­ses Vermächtnis des Widerstands verraten.

    Wir wer­den Ihnen ins Gesicht sehen, wenn Sie zur Abstimmung schrei­ten, wir wer­den die­je­ni­gen ver­ach­ten, die uns Recht und Freiheit neh­men und die­je­ni­gen für immer ehren, die gegen ein Ermächtigungsgesetz stimmen.

    Sie kön­nen ver­su­chen, uns die Freiheit zu neh­men, aber unse­ren Widerstand gegen das Ermächtigungsgesetz nicht!

    Angelika Barbe"

    Auf you­tube fin­den sich ein paar Videos/Interviews mit ihr.

    1. @Wachsam blei­ben: Gut dabei zu wis­sen, daß Angelika Barbe Kuratoriumsmitglied der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung ist, deren Vorsitzende Erika Steinbach in einem Rundbrief meint: "Was unse­re kul­tu­rel­le und natio­na­le Identität anbe­langt, so wird von poli­ti­scher Seite alles dar­an­ge­setzt, um uns als Nation selbst zu entleiben."
      In dem genann­ten Beitrag ver­gleicht sie die Maske mit dem Judenstern.

  3. @AA: Herr Aschmoneit, es ist ihr Blog, aber die­se reflex­ar­ti­gen Reaktionen nerven!

    Ihre Kritik und Beiträge wie z.Bsp. https://​www​.coro​dok​.de/​p​o​l​i​z​e​i​-​g​e​w​a​l​t​-​v​e​r​m​u​m​m​u​n​g​/​#​m​o​r​e​-​6​953 mit aus­ufern­den Diskussionen, irri­tie­ren mich so sehr, dass ich mich momentan
    fra­ge, ob ich hier wei­ter Hinweise zu den Corona-Geschenissen geben werde.

    Damit die Leser sich eine eige­ne Meinung bil­den kön­nen, kopie­re ich die frag­li­che Stelle aus dem Brief von Frau Barbe: 

    "Zu den Unterwerfungsattributen in Diktaturen, die mit Repressionen gekop­pelt sind, gehör­te der Zwang, im real exi­stie­ren­den Sozialismus Pioniertücher oder FDJ-Hemden zu tragen.

    Der Judenstern wur­de in der natio­nal­so­zia­li­sti­schen Diktatur ver­ord­net. Und Friedrich Schiller schil­dert uns im Wilhelm Tell, dass sogar der Hut des Despoten Geßler in sei­ner Abwesenheit gegrüßt wer­den muss­te. In die­se Kategorie gehört die Maskenpflicht. Maskenzwang ist vor­sätz­li­che Körperverletzung, was Labortests und Studien belegen."

    Hiermit ist deut­lich, dass Frau Barbe eine Reihe von Symbolen aus Diktaturen auf­zählt, wobei jedoch die Maske zusätz­lich eine Körperverletzung darstellt.

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