Wieder nörgelt ein Professor

Diesmal ist es Professor Pietro Vernazza, Chefarzt Infektiologie am Kantonsspital St. Gallen. Am 10.10. teilt luzern​er​zei​tung​.ch mit:

»…Wo ste­hen wir heu­te? Im Moment sind wir beein­druckt von den hohen Fallzahlen. Gestern sogar die Rekordmarke von 1464 über­trof­fen. Bereits drei­mal vier­stel­lig! Während der gesam­ten ersten Welle lagen die Fallzahlen «nur» gera­de elf­mal bei über tau­send pro Tag. Bereits spricht man von einer zwei­ten Welle. Doch der Eindruck täuscht.

Der aktu­el­le Anstieg der Fallzahlen ist eine direk­te Folge der heu­ti­gen Strategie. Diese wird oft bei neu­en Infektionskrankheiten ein­ge­setzt: Mit dem «Containment», der Strategie des Einschliessens, will man die wei­te­re Ausbreitung des Virus stop­pen. Dies durch früh­zei­ti­ge Erkennung und Isolation von mög­lichst allen Infizierten und Quarantäne von deren Kontaktpersonen. Diese Strategie war bei­spiels­wei­se erfolg­reich bei SARS oder Ebola…

Dennoch müs­sen wir nun auch euro­pa­weit erken­nen, dass die Strategie län­ger­fri­stig kaum auf­recht­zu­er­hal­ten ist. Das Ziel des «Einschliessens» wird unrea­li­stisch. Das Virus ist in allen Ländern ver­brei­tet. Von Stoppen kann kei­ne Rede mehr sein. Mit den Wintermonaten wer­den die Zahlen wei­ter ansteigen.

Alleine die Testungen wür­den uns in sechs Monaten über eine Milliarde Franken kosten. Die Quarantäne-Massnahmen wer­den Arbeitsausfälle im Gegenwert von meh­re­ren Milliarden Franken ver­ur­sa­chen. Sie sind nicht wirt­schaft­lich und – schlim­mer noch – sie sind nicht wirk­sam. Von allen Reiserückkehrern in der Quarantäne blei­ben über 99 Prozent ohne Erkrankung. Ein Ressourcenverschleiss.

Ein Verzicht auf die Aufrechterhaltung der Containment Strategie bedeu­tet: kei­ne umfang­rei­che Testung und kei­ne gross ange­leg­ten Quarantänemassnahmen mehr – dies zu Gunsten der neu­en Strategie der Abschwächung («Mitigation»).

Das heisst, wir wol­len nicht mehr jede Infektion ver­hin­dern, son­dern wir wol­len die Häufigkeit der Infektionen redu­zie­ren. Denn letzt­end­lich geht es immer noch um das Ziel, die Überlastung des Gesundheitssystems zu ver­hin­dern. Das ist durch­aus möglich.

Wenn wir kran­ke Personen zu Hause iso­lie­ren für die Zeit, in der sie Symptome zei­gen, dann kön­nen wir rund die Hälfte aller Infektionen ver­hin­dern. Ein Test ist nur sinn­voll bei Personen, die so krank sind, dass sie hos­pi­ta­li­siert wer­den müssen.

Denn eines bleibt wich­tig: Wir müs­sen die Gefährdung des Gesundheitssystems recht­zei­tig erken­nen kön­nen. Dazu brau­chen wir ver­läss­li­che Daten zu den Hospitalisationen. Hinzu kom­men die Hygienemassnahmen, sie behal­ten ihre Gültigkeit, sind nach­voll­zieh­bar und breit akzep­tiert, ins­be­son­de­re bei gefähr­de­ten Personen.

Weitere Aufgaben gibt es zuhauf. Wichtig wäre eine gute Überwachung der Infektionshäufigkeit bei beson­ders gefähr­de­ten Gruppen. Dazu braucht es eine syste­ma­ti­sche Erfassung ins­be­son­de­re in Alters- und Pflegeeinrichtungen. Erste Erkenntnisse las­sen ver­mu­ten, dass wir die Gefährlichkeit der Erkrankung bei älte­ren Menschen über­schätzt haben.

Das müs­sen wir über­prü­fen. Vielleicht sind auch bei älte­ren Menschen mil­de­re Erkrankungen häu­fi­ger als ange­nom­men. Nicht über­ra­schen wür­de uns, wenn die Aggressivität des Virus über die Zeit abnimmt. Um sol­che Entwicklungen früh­zei­tig zu erken­nen, brau­chen wir eine gut durch­ge­führ­te Überwachung.

Covid-19 wird nicht ver­schwin­den. Es wird Teil unse­res Lebens wer­den. Gut zu wis­sen, dass unser Abwehrsystem in den Jahrmillionen der Evolution Methoden ent­wickelt hat, die uns hel­fen, mit sol­chen Erregern umzu­ge­hen. Letztendlich bin ich über­zeugt, dass unser Immunsystem uns mehr hilft, als alle Plastikwände, Masken und Desinfektionsmittel.«

Eine Antwort auf „Wieder nörgelt ein Professor“

  1. Ganz genau. Unser Immunsystem soll man ein­fach mal machen las­sen. Dieses bei ihrer Arbeit unter­stüt­zen muss das Ziel sein, denn nur die­ses heilt uns.

    Die Menschen brau­chen sau­be­res Wasser, gesun­des Essen (und nicht die­sen FastFood Scheiß und das mit Pestiziden voll­ge­pump­te Futter ohne jeg­li­chen Nährwert) und aus­rei­chend Schlaf und Pausen.
    Es ist so ein­fach – bringt aber den Multimilliardären nicht so viel Geld in die Kassen. Wenn alle Menschen gesün­der wür­den, müss­ten die Pharmakonzerne Kurzarbeit ein­rich­ten. Aber das geht natür­lich nicht..

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