Wirres in der »jungen Welt«

Es lohnt nicht, jeden ein­zel­nen merk­wür­di­gen Beitrag rund um das Thema Corona zu kom­men­tie­ren. Man kommt nicht nach. Deshalb hier eine klei­ne Zusammenstellung.

Lustig sind die wohl­wol­len­den Berichte aus fer­nen Ländern, in denen Menschen "trotz Corona" für ihre Rechte auf die Straße gehen. Während das Blatt bei jeder hei­mi­schen Demo zetert, wenn Mindestabstände nicht ein­ge­hal­ten wer­den, ent­fällt das hier.

In einem Artikel zum Thema "Pressefreiheit in Gefahr" macht sich ein Autor nur wenig ein­ge­schränkt die völ­lig unbe­leg­te These des Staatsschutzes zu eigen:

Angriffe, wenn auch in deut­lich gerin­ge­rer Anzahl, kom­men hin und wie­der auch von links. So machen Ermittler etwa Tatverdächtige aus dem »lin­ken Spektrum« für den bru­ta­len Angriff auf ein Drehteam der »Heute Show« am 1. Mai in Berlin ver­ant­wort­lich. Gesicherte Erkenntnisse ste­hen hier­bei aller­dings noch aus.

Warum erwähnt er es dann? Oder wenig­stens einen ein­zi­gen ande­ren Fall? Natürlich geht es ihm um die ver­haß­ten "Hygienedemos". Da stö­ren Menschen, die eigen­stän­dig berich­ten, ihn und die Polizei:

›Dass die Unterscheidung zwi­schen haupt­be­ruf­li­chen Journalisten und Hobbyreportern im Alltag oft­mals nicht ein­fach ist, zeig­ten in letz­ter Zeit vor allem die soge­nann­ten Hygienedemonstrationen… Schließlich war die Zahl derer, die ver­such­ten, sich gegen­über der Polizei – teils auch mit­tels selbst­ge­ba­stel­ter Presseausweise – als Journalistinnen bzw. Journalisten aus­zu­ge­ben, bemer­kens­wert hoch…

Mit ihrem Auftreten stö­ren besag­te Pseudojournalisten kei­nes­wegs nur poli­zei­li­che Maßnahmen, son­dern stel­len viel­mehr auch für haupt­be­ruf­lich Medienschaffende eine Gefahr dar, da sie für die Beamten kaum mehr von denen zu unter­schei­den sind, die nicht aus beruf­li­chen Gründen zuge­gen sind.‹


In unnach­ahm­lich dümm­lich-popu­li­sti­scher Art beginnt die Zeitung ein Interview am Samstag mit der Bundesgeschäftsführerin des Bündnisses »Aufstehen gegen Rassismus« so:

›Gegen die aus ihrer Sicht zu har­ten Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie pro­te­stie­ren seit gerau­mer Zeit soge­nann­te Coronarebellen, die zu »Hygienedemos« auf­ru­fen – und ern­ten dabei viel Kritik, auch von Ihnen. Um das Wichtigste gleich vor­ab zu klä­ren: Wieviel Geld haben Sie bereits von Microsoft-Gründer William »Bill« Gates für Ihr Engagement erhalten?

(Lacht.) Genau null Komma null Euro.

Das ist über­schau­bar. Rechnen Sie in den kom­men­den Wochen noch mit Überweisungen?

Als Bündnis »Aufstehen gegen Rassismus« arbei­ten wir nicht pro­fit­ori­en­tiert. Mit Spenden der Stiftung von Bill und Melinda Gates rech­nen wir nicht.

Dann hät­ten wir das geklärt…‹

Zwar räumt die Interviewte ein:

›Sicherlich, es sind nicht nur Faschisten und Neonazis auf die­sen Demonstrationen. Neben Esoterikern und Verschwörungsideologinnen sind dort auch Menschen, die in Kurzarbeit sind, die trotz Gesundheitsgefahren wei­ter in den Betrieb gehen müs­sen, denen es an Betreuungsmöglichkeiten für die eige­nen Kinder fehlt…

Kritik an den genann­ten Maßnahmen kann man jeder­zeit üben, ohne anti­se­mi­ti­sche oder ras­si­sti­sche Stereotype zu bemühen…

Denn bei meh­re­ren Maßnahmen ist nicht ersicht­lich, dass sie wirk­lich dem Schutz der Bevölkerung vor der Ausbreitung der Pandemie die­nen. Zudem müs­sen wir befürch­ten, dass die Kosten der Krisenbewältigung in Form von sozia­len Kürzungsprogrammen auf die Schwächsten von uns abge­wälzt wer­den. Es gibt aller­dings auch genug Gründe, Kritik an rech­ten »Coronaskeptikern« zu üben. Dadurch wird man nicht auto­ma­tisch zum Merkel-Fan…

Jetzt sind Menschen von Kurzarbeit betrof­fen, jetzt müs­sen Menschen unter extre­men Bedingungen und ohne aus­rei­chen­den Schutz vor einer Ansteckung arbei­ten, jetzt machen Unternehmen dicht. Auch unter den gegen­wär­tig schwie­ri­gen Bedingungen ist es nötig, Druck zu ent­fal­ten – und nicht nur mit der Regierung am Verhandlungstisch zu sit­zen und dar­auf zu hof­fen, dort das eine oder ande­re durch­set­zen zu kön­nen. Es braucht lin­ke Antworten auf die Krise, um die­je­ni­gen zu errei­chen, die sich zu Recht vor sozia­len Folgen sorgen. ‹

Und dann kommt nichts mehr. Kritik an den Demonstrierenden, die zutref­fen­de Beobachtung, daß sich Rechte dort ein­klin­ken, aber kei­ne Idee zu den benann­ten Herausforderungen.


Im ste­ten Bemühen, sich von den Corona-Straßenprotesten abzu­set­zen, heißt es in einem Artikel am 19.5. unter der Überschrift "Kompatibel nach rechts":

»Anlass für Proteste gegen den Umgang mit der Krise gäbe es für­wahr genug, nur taugt dazu nicht die Mär von einer gehei­men Verschwörung. Erhöhung des Kurzarbeitergeldes, Rekommunalisierung der Krankenhäuser, bes­se­re Bezahlung von Pflegekräften, Verkaufspersonal und Erzieherinnen, kei­ne Steuergelder für Großkonzerne, die damit Dividenden bezah­len, oder Steuermittel nur gegen öffent­li­chen Einfluss auf die Unternehmen – all das wären lin­ke Themen, die hier und jetzt auf die Straße gehör­ten. Richtung und Inhalt der gegen­wär­ti­gen Proteste ver­decken die­se Probleme jedoch…

Aber ohne jeden Zweifel ver­sam­meln sich zudem vie­le, die ernst­haf­te Sorgen wegen der sozi­al­öko­no­mi­schen Folgen der Krise haben. Präsent sind die­se Themen auf den Demos eher nicht.«

Auch hier wie­der des Beklagen von rech­tem Einfluß, aber kein Angebot für Protestformen zu Themen, die Nazis nicht ver­ein­nah­men können.


Auf die­ser Seite war bereits am 9.5. zu lesen, wie unzu­frie­den JournalistInnen mit der Datenpolitik des RKI sind (Corona-Daten unter Verschluss: RKI bremst Diskurs aus). Am 18.5. schrie­ben 45 DatenjournalistInnen gro­ßer Medien einen offe­nen Brief an die Leitung des Instituts mit zahl­rei­chen Fragen und Forderungen. Beides war der "jun­gen Welt" kei­ne Meldung wert.

Erst in einem Medienrückblick auf eine Radiosendung von Radio eins vom 25.5. nimmt die Zeitung kurz dar­auf Bezug. Merkwürdigerweise mit die­sem Fazit:

»Detaillierter über das Infektionsgeschehen infor­miert zu wer­den, soll­te im Interesse aller sein. Vielleicht gelingt es so, den­je­ni­gen, die Medien aktu­ell gern pau­schal der Täuschung bezich­ti­gen, den Wind aus den Segeln zu nehmen.«

(Hervorhebungen nicht im Original.)

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