Zahlt es sich aus? Neues zu Journalismus und "Staatsknete"

So ist ein Arti­kel auf tele​po​lis​.de am 8.3.23 über­schrie­ben, in dem es heißt:

»Rund 200 Journalist:innen haben Geld aus Bun­des­töp­fen erhal­ten. Das sagt kein Tele­gramm-Kanal, son­dern die Regie­rung. Kön­nen sol­che Medi­en­schaf­fen­den noch unab­hän­gig berich­ten? Und was hat das mit Gui­do Wes­ter­wel­le zu tun?

Es geht um Zah­lun­gen von Regie­rungs­gel­dern an Journalist:innen sowohl öffent­lich-recht­li­cher als auch pri­vat­recht­li­cher Medi­en. Die Bun­des­tags­druck­sa­che 20/5822, online ver­öf­fent­licht am 1.3.2023, hat es daher in sich, zumal vie­le der dar­in erwähn­ten Medi­en­schaf­fen­den vor allem für öffent­lich-recht­li­che Medi­en arbeiten…

Zur Fak­ten­la­ge gehört: Der Text ist die Ant­wort auf eine "Klei­ne Anfra­ge" von ein­zel­nen AfD-Abge­ord­ne­ten sowie von deren Bundestagsfraktion…

Nicht zuletzt mag der Fakt irri­tie­ren, dass die Mehr­zahl der hier ohne Namen erwähn­ten, durch Regie­rungs­stel­len Enga­gier­ten im sons­ti­gen Leben jour­na­lis­tisch bei öffent­lich-recht­li­chen Medi­en arbeitet…

Beson­ders span­nend ist der Blick auf etwa­ige "Koope­ra­tio­nen" von Medi­en­schaf­fen­den mit dem deut­schen Aus­lands­ge­heim­dienst. Hier geht es expli­zit nicht um das "Gemein­wohl" der Gesell­schaft, dem Jour­na­lis­mus ja laut vie­ler Jour­na­lis­tik-Model­le ver­pflich­tet sein soll.

Nein, hier geht es aus­drück­lich um das "Staats­wohl". Dazu schreibt die Bundesregierung:

"Für den Bun­des­nach­rich­ten­dienst (BND) ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass die Beant­wor­tung der Fra­gen aus Staats­wohl­grün­den nicht erfol­gen kann, weil Koope­ra­tio­nen des BND beson­ders schüt­zens­wert sind. Die ein­zel­nen Koope­ra­ti­ons­part­ner arbei­ten mit dem BND nur unter der Vor­aus­set­zung zusam­men, dass die kon­kre­te Koope­ra­ti­on mit ihnen – auch nicht mit­tel­bar – preis­ge­ge­ben, son­dern abso­lut ver­trau­lich behan­delt wird."
Ant­wort der Bundesregierung

Zumin­dest macht die­se For­mu­lie­rung deut­lich: Es scheint auch bezahl­te "pro­fes­sio­nel­le" Koope­ra­tio­nen von Journalist:innen mit dem BND zu geben. Sonst hät­te die Fra­ge ja gefahr­los ver­neint wer­den kön­nen für die­se beson­de­re Bundesbehörde…

Das Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Arbeit und Sozia­les zum Bei­spiel ver­gab von 2019 bis 2022 laut Lis­te genau 110.760,00 Euro für Mode­ra­tio­nen. Erhal­ten haben die­se Sum­me 16 Medi­en­schaf­fen­de für 26 Ein­sät­ze. Macht pro Mode­ra­ti­on im Schnitt 4.260 Euro…

Aber nicht nur Mode­rie­ren im Regie­rungs­auf­trag scheint lukra­tiv, son­dern auch bei­spiels­wei­se das "Erstel­len von Video­ma­te­ri­al": Enga­giert vom Pres­se- und Infor­ma­ti­ons­amt der Bun­des­re­gie­rung, hat eine ein­zi­ge jour­na­lis­ti­sche Fach­kraft, die sonst offen­bar für das ZDF arbei­tet, zwi­schen April 2018 und Febru­ar 2021 laut Tabel­le 32.357,50 Euro erhal­ten, für 15 Einsätze.

Im Schnitt also pro Auf­trag 2.157,83 Euro. Dabei ist die­ser Mensch an einem ein­zi­gen Tag, dem 4.9.2018, gleich mit drei Ein­sät­zen am Start gewe­sen, ver­mut­lich im Drei­schicht-Sys­tem. An die­sem Tag ließ die Regie­rung also für "Jour­na­list 102" genau 6.473,50 Euro springen…

An "Jour­na­list 97", sonst tätig für Pro­Sie­ben, über­wies die Regie­rung für zwei Mode­ra­tio­nen im Jahr 2022 laut Tabel­le exakt 12.044,31 Euro. Pro Mode­ra­ti­on also im Schnitt mehr als 6.000 Euro. Die eine Mode­ra­ti­on war laut Tabel­le am 9.6.2022.

Lin­da Zer­va­kis mode­rier­te genau an jenem 9.6.2022 auf der Digi­tal­kon­fe­renz "Repu­bli­ca" in Ber­lin ein Gespräch mit Bun­des­kanz­ler Olaf Scholz.

Die taz hat­te bereits am 27.1.2023 unter Beru­fung auf ihre Recher­chen laut Infor­ma­ti­ons­frei­heits­ge­setz berich­tet, dass die ver­meint­lich unab­hän­gi­ge Inter­viewe­rin Zer­va­kis direkt vom Kanz­ler­amt enga­giert wor­den sei und nicht vom Ver­an­stal­ter. O‑Ton taz:

"Kom­mu­ni­ziert wur­de das nicht. Es soll­te aus­se­hen wie ein Gespräch mit einer unab­hän­gi­gen Moderatorin."

"Toxisch": Kein Unterschied zwischen Journalismus und Auftragskommunikation?

Mit die­ser neu­en Quan­ti­tät und Qua­li­tät hybri­der Medi­en­kom­mu­ni­ka­ti­on, hier kon­kret des wei­te­ren Ver­schwim­mens und Unter­lau­fens der Unter­schie­de zwi­schen Jour­na­lis­mus und Auf­trags­kom­mu­ni­ka­ti­on, wird die "Glaub­wür­dig­keit" von Medi­en wie­der und wei­ter infra­ge gestellt.

An sich nichts Schlech­tes für auf­klä­ren­de gesell­schaft­li­che Kom­mu­ni­ka­ti­on – wenn Miss­fal­len nicht oft direkt ins Regres­si­ve und Reak­tio­nä­re umschlü­ge, gera­de ange­sichts der gegen­wär­ti­gen sozia­len Span­nun­gen und Spal­tun­gen…«

8 Antworten auf „Zahlt es sich aus? Neues zu Journalismus und "Staatsknete"“

  1. Gesund­heit­li­che Schä­den und Rechts­streit: Wie Betrof­fe­ne nach der Coro­na-Imp­fung kämp­fen (ZDF, 08.03.2023)

    "Nach einer Coro­na-Infek­ti­on kön­nen lang­fris­ti­ge Beschwer­den auf­tre­ten – aber auch nach einer Coro­na-Imp­fung. Recht­lich sind die Impf­stoff-Her­stel­ler gut abge­si­chert. Und die Betroffenen? .."

    https://​www​.you​tube​.com/​w​a​t​c​h​?​v​=​T​R​b​n​y​Y​0​0​R_0

    "Hal­lo @Bundeskanzler
    , in Ihrer Neu­jahrs­an­spra­che sag­ten Sie: "Inzwi­schen sind aller­dings fast vier Mil­li­ar­den Men­schen auf der gan­zen Welt geimpft. Ohne grö­ße­re #Neben­wir­kun­gen" #Imp­fung #Post­Vac
    Wann wer­den Sie das end­lich richtigstellen? "

    https://​twit​ter​.com/​W​h​e​r​e​i​s​m​y​m​o​d​e​l​3​/​s​t​a​t​u​s​/​1​6​3​3​5​5​6​0​5​7​6​7​8​1​1​8​912

    1. Ganz am Ende des Bei­trags erscheint Wer­bung für einen ande­ren ZDF Bei­trag: " Nova­nax und vier­te Coro­na-Imp­fung- eure Fra­gen an die STIKO – Nova­nax- der Impf­stoff für Skeptiker "

      Kar­ma

  2. Alle Lügner:innen kön­nen es den ande­ren Lügner:innen dan­ken, dass sie auch sel­ber nicht mehr wis­sen, wem noch zu glau­ben ist.

  3. Glück gehabt, ARD, denn wenn Jour­na­list 97, also Lin­da Zer­va­kis, tages­schau-Able­se­rin geblie­ben wäre könn­te man jetzt von einem Staats­sen­der spre­chen … Und es ist natür­lich rei­ner Zufall das der aktu­el­le Bun­des-Pres­se­spre­cher Jens Hebe­streit der Bru­der von Hen­ner Hebe­streit (ZDF-Kor­re­spon­dent) ist. Zufäl­le gibt es eben … 

    Der BND-Jour­na­lis­ten Skan­dal von 2005 scheint auch vergessen:
    Laut Micha­el Hart­mann, Mit­glied im BND-Unter­su­chungs­aus­schuss, ging es um „Infor­ma­tio­nen bis hin zum Quel­len­ver­rat, bezie­hungs­wei­se dem Ver­rat von Quel­len ande­rer Journalisten“.[4] Unter ande­rem gab der Jour­na­list Erwin Decker (BND-Deck­na­me: Bosch; damals beim Maga­zin Focus) laut Schä­fer-Bericht Infor­ma­tio­nen an den BND weiter.[5] Die Noti­zen von Foertsch über wei­ter­ge­ge­be­ne Infor­ma­tio­nen vom Focus-Redak­teur Josef Hufel­schul­te (BND-Deck­na­me: Jerez) umfas­sen gar 219 Seiten.[6][7] Hufel­schul­te wur­de als wich­ti­ge Infor­ma­ti­ons­quel­le vom BND jedoch selbst eben­falls überwacht.
    https://​de​.wiki​pe​dia​.org/​w​i​k​i​/​J​o​u​r​n​a​l​i​s​t​e​n​-​S​k​a​n​dal

    Der Bun­des­nach­rich­ten­dienst (BND) setzt im Rah­men sei­nes Auf­trags, Erkennt­nis­se über das Aus­land, die von außen- und sicher­heits­po­li­ti­scher Bedeu­tung für die Bun­des­re­pu­blik sind, zu gewin­nen, auch auf Jour­na­lis­ten als nach­rich­ten­dienst­li­che Quel­len bzw. auf "nach­rich­ten­dienst­li­che Ver­bin­dun­gen (NDV)", wie es im BND-Fach­jar­gon heißt. Das geht aus einem Schrift­satz des BND vom 26. April 2022 an das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt (BVerwG) her­vor, der LTO vor­liegt. In dem Schrei­ben an das Gericht, das im Zusam­men­hang mit einem pres­se­recht­li­chen Aus­kunfts­er­su­chen der BILD-Zei­tung steht (Az. BVerwG 20 F 5.22), stellt der BND klar: "Eine Her­an­zie­hung von Ver­tre­tern der Medi­en­bran­che als NDVen ist auch heu­te noch möglich."

    Empört über die Ein­schät­zung des BND ist Frank Über­all, der Vor­sit­zen­de des Deut­schen Jour­na­lis­ten-Ver­ban­des (DJV): "Die­se Aus­sa­gen sind skan­da­lös. Jour­na­lis­ten sind kei­ne Spit­zel und ste­hen des­halb dem deut­schen Aus­lands­ge­heim­dienst auch nicht als Quel­len zur Ver­fü­gung", so Über­all. Es gehe hier "um nichts weni­ger als um die Glaub­wür­dig­keit von Jour­na­lis­ten und ihren Medi­en und um das Redak­ti­ons­ge­heim­nis, das auch der BND zu ach­ten hat". Über­all ver­weist auch auf den Pres­se­ko­dex, der eine Spit­zel-Tätig­keit von Jour­na­lis­ten aus­drück­lich aus­schlie­ße. Im Kodex heißt es unter Richt­li­nie 5.2.: "Nach­rich­ten­dienst­li­che Tätig­kei­ten von Jour­na­lis­ten und Ver­le­gern sind mit den Pflich­ten aus dem Berufs­ge­heim­nis und dem Anse­hen der Pres­se nicht vereinbar."
    Ob der BND nun­mehr mit sei­ner Auf­fas­sung noch gegen gel­ten­de Wei­sun­gen des Kanz­ler­am­tes ver­stößt und wel­che Kon­se­quen­zen dar­aus ggf. fol­gen wür­den, möch­te die Bun­des­re­gie­rung gegen­über LTO nicht beant­wor­ten. Zu Ange­le­gen­hei­ten, die nach­rich­ten­dienst­li­che Erkennt­nis­se oder Tätig­kei­ten beträ­fen, neh­me man öffent­lich grund­sätz­lich kei­ne Stel­lung, so ein Spre­cher. Im Übri­gen berich­te der BND zu ent­spre­chen­den The­men u.a. in den zustän­di­gen, geheim tagen­den Gre­mi­en des Deut­schen Bundestages.
    https://​www​.lto​.de/​r​e​c​h​t​/​h​i​n​t​e​r​g​r​u​e​n​d​e​/​h​/​b​n​d​-​j​o​u​r​n​a​l​i​s​t​e​n​-​i​n​f​o​r​m​a​n​t​e​n​-​n​a​c​h​r​i​c​h​t​e​n​d​i​e​n​s​t​l​i​c​h​e​-​q​u​e​l​l​e​n​-​m​e​d​i​e​n​-​p​k​g​-​d​j​v​-​p​r​e​s​s​e​k​o​d​e​x​-​l​i​n​ke/

    Holz­au­ge bleib also wachsam …

  4. Im Ori­gi­nal­text steht auch: „Die Anfra­ge ist lei­der von der AfD. Da kann man nichts machen.“
    Was soll das denn hei­ßen? Dass die Anfra­ge nicht von den ande­ren Frak­tio­nen kam, sagt ja wohl vor allem was über die ande­ren Frak­tio­nen aus.

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