"Die Zeit" zu Merkels 19.200 – alles paletti

"Schiere Panikmache" wird ver­mut­lich jeder klar den­ken­de Mensch zu Merkels Zahlen sagen. Ganz anders so man­ches "Qualitätsmedium". zeit​.de vom 29.9. etwa:

»Merkels Überschlagsrechnung ist durch­aus plau­si­bel, das zei­gen auch epi­de­mio­lo­gi­sche Modelle. Diese sind ein nütz­li­ches Werkzeug im Infektionsschutz und kön­nen dabei hel­fen, zu ver­ste­hen, wie sich die Infektionszahlen künf­tig ent­wickeln könn­ten. Entscheidend dafür ist der soge­nann­te R‑Wert. Er beschreibt – in der Theorie – wie vie­le Menschen ein Infizierter ansteckt. Solange R grö­ßer ist als eins, brei­tet sich das Virus expo­nen­ti­ell aus: Das heißt, das Wachstum wird immer schneller.

Aktuell liegt er über eins. Und dar­aus lässt sich ein Trend errech­nen: Bei einem R‑Wert von 1,17, wie er aktu­ell im Lagebericht des RKI vom 27. September zu fin­den ist, pro­gno­sti­ziert ein epi­de­mio­lo­gi­sches Modell, das ZEIT ONLINE…für Weihnachten knapp 20.000 Neuinfektionen.«

Dafür wird eine net­te inter­ak­ti­ve Grafik ange­bo­ten, mit der man mit den Zahlen des RKI vom 29.9. (R‑Wert 1,03) auf nicht ein­mal 10.000 käme – abge­se­hen davon, daß die­se Hochrechnerei ohne­hin nur ein unrea­li­sti­sches Zahlenspiel darstellt:

Die Zeit bevor­zugt die­se Darstellung:

»Anders als Merkels Vorhersage zeigt das Modell aller­dings nicht die Zahl der Neuinfektionen, son­dern die Zahl der infek­tiö­sen Personen. Wir gehen dabei davon aus, dass jeder Infizierte etwa drei Tage lang infek­ti­ös ist, die Zahl der Neuansteckungen liegt also bei etwa einem Drittel. Für die­ses Beispiel heißt das: Bei einem R‑Wert von 1,17 liegt die Zahl der infek­tiö­sen Personen um Weihnachten her­um bei rund 60.000. Da in die­sem Modell jede Person rech­ne­risch drei Tage lang infek­ti­ös ist, sie jedoch nur ein Mal als neu­er Fall hin­zu­ge­rech­net wird, ergibt sich dar­aus grob gerech­net eine täg­li­che Neuinfektionszahl von 20.000.«

Mit dem Spielzeug las­sen sich pro­blem­los auch 2 Millionen "infek­tiö­se Personen" pro Tag generieren:

Siehe dazu auch Pandemie selbst­ge­macht!

Doch auch die "Zeit" muß zugeben:

»Der R‑Wert lässt sich leicht beeinflussen
Dabei macht das Modell einen wich­ti­gen Punkt deut­lich: Schon klei­ne Änderungen von R haben einen rie­si­gen Effekt auf die Zahl der Infizierten. Setzt man zum Beispiel R auf 1,05, dann hät­te Deutschland in der glei­chen Rechnung nur etwa 3.000 täg­li­che Neuinfektionen an Weihnachten, liegt R bei 1,2 wären es aller­dings schon 30.000, bei einem R‑Wert von 1,5 sogar 700.000. Das macht Vorhersagen so schwer, denn die R‑Wert-Schätzung des Robert Koch-Instituts schwankt von Tag zu Tag erheb­lich

(Hervorhebungen nicht in den Originalen.)

2 Antworten auf „"Die Zeit" zu Merkels 19.200 – alles paletti“

  1. Es ist das Wesen nicht­li­nea­rer Funktionen, dass klein­ste Änderungen rie­si­ge Effekte haben kön­nen. Siehe den guten alten Schmetterlingseffekt in der Chaostheorie.

    Die epi­de­mio­lo­gi­schen Modelle kön­nen hel­fen, die mecha­nis­men einer Pandemie zu ver­ste­hen, aber sie tau­gen nicht zur Prognose. Einfach des­halb, weil es eine men­ge Parameter in sol­chen Modellen gibt, die nach Gutdünken justiert wer­den müs­sen. Zudem beein­flus­sen sich die Parameter häu­fig gegenseitig.

    Was bei sol­chen Simulationen her­aus­kommt, zei­gen die Berechnungen des eng­li­schen Epidemiologen Niel Fergusson. Er hat­te die eng­li­sche Regierung auf­grund sei­ner Modellrechnungen gewarnt, dass es ohne Lockdown eine Million Tote geben kön­ne und in den USA sogar 2 Millionen. Ähnliche Prognosen, die eben­falls um meh­re­re Zehnerpotenzen dane­ben lagen hat­te Fergusson schon anläss­lich der BSE-Krise und der Schweinepest von sich gege­ben. Ähnliches gilt in Deutschland für Drosten. Im Gegensatz zu Fergusson bezieht der sei­ne Prognosen aus sei­nem Bauchgefühl. Evidenzbasiertes war von Drosten nicht zu hören. Es zeugt von aus­ge­spro­che­ner Schwarmdummheit, dass der­ar­ti­gen Leuten trotz ihrer fal­schen Prognosen immer wie­der zuge­hört wird und dass man sie mit Preisen überschüttet.
    Ein Durchschnittswert der Reproduktionszahl über meh­re­re Tage sagt ange­sichts der übli­chen Verzugszeiten zwi­schen Testzeitpunkt und Übermittlungszeitpunkt über­haupt nichts aus. Hinzu kommt, dass etli­che Probanden mehr­fach gete­stet wer­den. Welche Neuinfektionszahl am Ende her­aus­kommt, hängt zudem bei glei­chem Durchschnitsswert erheb­lich von der Reihenfolge und der Größe der Abweichung von 1 ab.
    Es wird end­lich Zeit, dass die Politik und mit ihr das RKI zu einer ver­nünf­ti­gen Test- und Auswertungsmethode kommt. Immer mehr Mediziner for­dern eine Überwachung und Meldung von Lungenentzündungen. Das wür­de aus­rei­chen, um sich auf even­tu­ell auf­tre­ten­de Bettenengpässe vor­be­rei­ten zu können.
    Ein Test ersetzt auch kei­ne Diagnose, ja ist nicht ein­mal zur Diagnose zugelassen.

    Man kann nur hof­fen, dass die Verantwortlichen, näm­lich Seehofer, Drosten, Wieler und Spahn bals recht­lich zur ver­ant­wor­tung gezo­gen wer­den für den gesell­schaft­li­chen Schaden, den sie durch ihr Agieren ange­rich­tet haben.

Schreibe einen Kommentar zu Albrecht Storz Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert