"Linke Politik kann es nicht sein, einen autoritären kapitalistischen Staat zu loben, der Leben im Zentrum rettet und dem die kolonialisierte Peripherie egal ist."
Das und Anderes befindet Kai Köhler in der heutigen jungen Welt. Die Zeitung hatte seit Wochen die Linie verfolgt, linke Kritiker einer autoritären Krisenlösung in die Verschwörerecke zu stellen. (Beiträge dazu auf dieser Seite mit dem Schlagwort junge Welt),
Köhler versteht sich als Kommunist; er entwickelt die folgenden Gedanken:
"… Vor die Entscheidung gestellt, ob die Aktionäre des Konzerns X zwei Euro mehr Dividende bekommen oder 10.000 afrikanischen Kindern ein frühzeitiger Tod erspart bleibt, würden die wenigsten die Auszahlung genehmigen. Vermutlich ist sogar einer Mehrheit klar, dass ein Zusammenhang zwischen Konzerngewinnen hier und den Toten dort besteht. Nur ist dieser Zusammenhang selten konkret – wenn ein Chemiewerk explodiert oder der Lithiumabbau gar zu giftig ist. Zumeist aber sind die Verbindungen zwischen Ursache und Wirkung auf beruhigende Weise über mehrere Stufen vermittelt. Also bekommen die Aktionäre ihr Geld. Ständig werden solche Entscheidungen getroffen, wer leben darf und wer sterben muss. Erleichterung: In der kapitalistischen Anarchie werden sie als solche nicht kenntlich.
Die Triage war also stets da. Nur wollte und will man es nicht wissen. Nun betrifft eine Pandemie auch Europa und die USA, und an den am schlimmsten betroffenen Orten mussten Ärzte entscheiden, wer an ein lebensrettendes Beatmungsgerät angeschlossen wird. Der Gedanke, dass dies zu vermeiden sei, hat sein Richtiges. Der Tod eines 90jährigen New Yorkers wird nicht dadurch gleichgültig, dass bislang gut 400.000 Malariatote jährlich auf geringes Interesse stießen, weil die in fernen Ländern anfielen. Doch so notwendig diese Moral ist als Einwand gegen die Kaltschnäuzigkeit etwa eines Boris Palmer, für den Corona-Opfer ohnehin nur Tote auf Abruf und daher zu vernachlässigen sind: Es zeigt sich da eine Sehnsucht nach übersichtlichen Verhältnissen, hergestellt durch die Handlungsanweisungen des jeweiligen Lieblingsimmunologen.
Als wäre es so einfach: Da sind die Menschen, die sicher leben wollen und durch staatliche Kontrollregeln geschützt werden – und auf der anderen Seite die Wirtschaftsvertreter, die rücksichtslos aufs baldige Geschäft zielen. Oder die liberalen Hedonisten, die sich egoistisch vergnügen wollen, ohne Rücksicht auf die Gefahr für die Alten und Schwachen…
Auch die wirtschaftliche Depression, die der Lockdown zur Folge hat, wird Opfer fordern. Unmittelbare: Wenn Überweisungen illegalisierter Arbeiter nach Afrika ausbleiben, herrscht dort Hunger. Ein paar Depressive hier hängen sich auf. Mittelbare (und durch Kämpfe zu beeinflussende): Eine Wirtschaftskrise bedeutet unter bestehenden Bedingungen weitere Kürzungen im Sozial- und Gesundheitswesen. Und den Klimaschutz kann man vergessen.
In Kleckersdorf wird eine tödliche Infektion verhindert, in Mauretanien versteppen weitere fünfzig Hektar: Dieser Zusammenhang wird niemals in dieser Unmittelbarkeit nachzuweisen sein. Gleichwohl besteht er. Linke Politik kann es nicht sein, einen autoritären kapitalistischen Staat zu loben, der Leben im Zentrum rettet und dem die kolonialisierte Peripherie egal ist. Aber auch ein Lob des Liberalismus, der unter den gegebenen Bedingungen manche Leben bewahrt und andere vernichtet, kann nicht die Lösung sein.
Kommunisten können heute kurzfristig ohnehin wenig verändern. Sie sollten sich also nicht durch die Unterstützung der einen miesen Praxis gegen die andere blamieren, denn sie schneiden gerade keine Beine im Lazarett, und niemand fragt sie, welcher Verwundete weiterleben darf. Vielmehr sollten sie die Verhältnisse angreifen, die zu Amputationen zwingen. (Und vielleicht in einer ruhigen Minute darüber nachdenken, was Ressourcenverteilung im Sozialismus oder gar Kommunismus bedeuten könnte.)"
die triage und die hedonisten.
die pandemiebekämpfung leidet am geschäft, das selbstlos menschen retten könnte.
nach welchen kriterien entscheiden kommunisten, welcher verwundete weiterleben darf?
sie sollen die verhältnisse anklagen, die zu amputationen zwingen, warum einer verletzt wurde?
der liberalismus vernichtet und bewahrt leben.
der kommunismus bewahrt alle(s) leben.
der kommunismus ist friede. friede ist gerechtigkeit.
gerechtigkeit ist ausgleich, ausgewogenheit, entsprechung, vergeltung.
"… und an den am schlimmsten betroffenen Orten [im zentrum] mussten Ärzte entscheiden, wer an ein lebensrettendes Beatmungsgerät angeschlossen wird" und die maschine war tödlich.