Wie in den meisten Gegenden Deutschlands hatte sich endlich wieder eine Art Normalität eingestellt, als wir am 28. Juli von der Nachricht überrascht wurden, es gebe „30 neue Corona-Fälle in Dithmarschen seit vergangenem Mittwoch“, die „Fallzahlen steigen enorm“. Erhöht hatte sich demnach die Anzahl der positiv Getesteten auf insgesamt 108 Personen. [1]
Der Kreis Dithmarschen an der Westküste Schleswig-Holsteins ist von Wasser umschlossen und besteht laut der Lyrikerin Sarah Kirsch „zu 97 Prozent aus Himmel“ [2]. Zwischen Eider, Elbe, Nordsee und Nord-Ostsee-Kanal leben gut 133.000 Einwohner. Aufgrund der vom Robert-Koch-Institut RKI erklärten Grenze von 50 positiv Getesteten auf 100.000 Einwohner wäre hier die Grenze bei 67 erreicht, dann würde ein erneuter Lockdown drohen.
Am 29. Juli wurde gefragt: „Wird Dithmarschen zum Risikogebiet? Heide hat sich zum Corona-Hotspot im Kreis entwickelt“. In der Kreisstadt mit ihren gut 20.000 Einwohnern konzentrierten sich die positiv getesteten Personen, außerdem befindet sich dort das Westküstenklinikum, das zwei positiv Getestete behandelte. „Die Lage ist ernst“.
Die „Furcht vor dem Lockdown“ wurde am 30. Juli vermeldet, man war bei 44 positiv Getesteten innerhalb einer Woche angekommen. Auf einer Krisensitzung wurde beschlossen, Dithmarschen „muss noch nicht zum Corona-Krisengebiet erklärt werden“, aber für Heide als Hotspot wurde eine Allgemeinverfügung erlassen mit den üblichen Zutaten Maske, Abstand, Minimalkontakte, Tests und dieser Erklärung zu deren Sinnhaftigkeit:
„Vor dem Hintergrund des Fallzahlenanstiegs der Infektionen mit dem SARS-CoV‑2 Virus und Erkrankungen an COVID-19 auf dem Gebiet der Stadt Heide müssen unverzüglich umfänglich wirksame Maßnahmen zur Verzögerung der Ausbreitungsdynamik und zur Unterbrechung von Infektionsketten ergriffen werden. Weitreichende effektive Maßnahmen sind dazu dringend notwendig, um im Interesse des Gesundheitsschutzes die dauerhafte Aufrechterhaltung der wesentlichen Funktionen des Gesundheitssystems sowie der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Schleswig-Holstein soweit wie möglich sicherzustellen. Die großflächige Unterbrechung, Eindämmung bzw. Verzögerung der Ausbreitung des neuen Erregers im Land stellt – über die bereits ergriffenen Maßnahmen hinaus – das einzig wirksam Vorgehen dar, um diese Ziele zu erreichen.“ [3]
Seit Freitag, 31. Juli ist die Allgemeinverfügung in Kraft, die bis einschließlich Freitag, 7. August gilt – mindestens. Verkündet wurde die Entscheidung auf einer Pressekonferenz, auf der neben dem Dithmarscher Landrat auch der Gesundheitsminister Schleswig-Holsteins, Heiner Garg, auftrat und neue Testzentren ankündigte. [4]
„Kein Korrekturbedarf“
Garg hatte schon im Juni zusammen mit der Bildungsministerin verkündet, „fünf Millionen Euro für stichprobenartige Tests in Schulen, Kitas und Pflegeeinrichtungen bereitstellen“ zu lassen. Das führte zu einer Anfrage an sein Ministerium, wie die daraus zu erwartenden falsch-positiven Testergebnisse – geschätzte Höhe: 1000 – erkannt und die Statistiken korrigiert werden sollen.
Die Essenz der Antwort: „Es besteht kein Korrekturbedarf.“ Denn, so wurde fälschlicherweise behauptet: „Die Spezifität der PCR-Tests ist als sehr hoch einzuschätzen, sie liegt bei nahezu 100%. […] Da es keinerlei Hinweise gibt, dass die möglicherweise kreuzreagierenden Coronaviren in Deutschland und noch dazu beim Menschen vorkommen, kommt es nicht zu falsch-positiven Ergebnissen.“ [5]
Eine weitere Anfrage beim Robert-Koch-Institut verlief entsprechend. Hier ging es um die Höhe der falsch-positiven Ergebnisse, ihren Einfluss auf Fallzahlen und R‑Wert, ob eine Zweite Welle allein durch falsch-positive PCR-Ergebnisse entstehen kann und wie das zu verhindern wäre. [6] Die Antwort bestand aus überflüssigen Erklärungen und falschen Tatsachenbehauptungen wie diesen:
„Die hohe analytische Spezifität sachgerecht durchgeführter und fachärztlich befundeter PCR-Tests legt die Notwendigkeit einer Korrektur der Meldedaten aufgrund falsch-positiver Befunde nicht nahe. Hinzuweisen ist auch auf den Tatbestand, dass einer (potentiell geringen) Zahl falsch-positiver Befunde eine Untererfassung von Fällen im Meldewesen gegenübersteht, deren Umfang sich erst im Rahmen sero-epidemiologischer Studien genauer klären lässt.“
Auf eine weitere Nachfrage kam diese kurze Antwort:
„Beachten sie bitte, dass bei einem Krankheitsverdacht in der Regel eine parallel laufende klinische Diagnostik den bereits statistisch unwahrscheinlichen Fall eines falsch-positiven Befundes weiter ausschließt. In diesem Fall würde entsprechend der validiert durch die Gesundheitsämter bei Zweifeln am vorliegenden Testergebnis auch eine Nachtestungen veranlasst werden.“ [7]
Während der zweite Satz rätselhaft bleibt und an alte Google-Übersetzungen erinnert, ist der erste schlicht falsch, da aktuell die allermeisten Getesteten überhaupt keine Symptome haben. Bei den als symptomatisch Getesteten kann man auch nicht immer sicher sein: Das Dithmarscher Gesundheitsamt, das in der derzeitigen Krise praktisch unerreichbar ist, hatte „eine Patientin […] zu einem Test aufgefordert. Auf eine Rückfrage per Mail folgte keine Antwort. Der Hausarzt versuchte wiederum telefonisch zu klären, wie es mit der Kostenübernahme des Tests steht – ohne Erfolg. […] Letztlich klärte er seine Fragen mit der Kassenärztlichen Vereinigung. Er solle einfach angeben, es seien Erkältungserscheinungen aufgetreten, und deshalb habe er getestet.“ [1]
Zwei weitere Anfragen beim Bundesministerium für Gesundheit wurden bis heute unter erheblicher Fristüberschreitung gar nicht beantwortet. [8] Einer Landesregierung mag man noch zugute halten, dass ihre Möglichkeiten begrenzt sind, doch sowohl im RKI als auch im Bundesministerium werden Richtungsentscheidungen getroffen, die sachlich begründet werden müssen. Ein Blick nach Schweden zeigt, dass es auf dieser Ebene sehr wohl die Möglichkeit gibt, sich mit guten Gründen den Vorgaben der Weltgesundheitsorganisation WHO zu widersetzen. Das setzt allerdings voraus, dass dort Kompetenz und Verantwortungsbewusstsein vorhanden sind. Alle Versuche, sie hier durch Anfragen hervorzulocken, sind gescheitert.
Die zuständigen Stellen waren bisher nicht willens oder in der Lage, sich mit dem Problem der falsch-positiven Ergebnisse zu befassen. Inzwischen dürften sie bundesweit eine hohe fünfstellige Zahl erreicht haben, was etwa einem Drittel der RKI-Fallstatistik entspricht. Zudem spricht vieles dafür, dass vor mehreren Wochen eine Corona-lose Zeit angebrochen ist, die Tests allesamt falsch-positiv sind. [5] Und auf so einer Datenbasis werden Risikogebiete und Hotspots erklärt.
„Wieder eins reingewürgt“
Eine Woche nach der ersten beängstigenden Meldung unserer Lokalzeitung beruhigten sich die Schlagzeilen: es gab „Region Heide wird Wasserstoff-Pionier“ als Aufmacher und daneben: „Neue Fallzahlen in Heide machen Hoffnung“, am Folgetag gab es putzige „Otter auf der Spielwiese“ und darunter: „Landrat erwartet Lockerung“. Gegen Ende der Allgemeinverfügung heiß es dann: „Während sich in Dithmarschen die Corona-Fallzahlen auf niedrigem Niveau stabilisieren und ein Ende der zuletzt noch einmal verschärften Corona-Regeln für die Kreisstadt Heide in Sicht ist, tritt das Land auf die Bremse, was neue, zusätzliche Lockerungen in Schleswig-Holstein betrifft.“ Ministerpräsident Daniel Günther verkündete, flankiert von Garg, „Keine Gnade: Bußgeld für Masken-Muffel“ mindestens bis zum 31. August. [1]
Am letzten Tag der Allgemeinverfügung stand bescheiden neben dem Aufmacher: „Verschärfte Corona-Regeln enden heute“ und es gab diesen Leserbrief mit dem Titel „Es geht um Manipulation“:
„Und wo sind wir heute angelangt? Mehr als 400 000 Beschäftigte im Gesundheitssystem in Kurzarbeit! Maskenpflicht in Büsum und Heide! Im Freien! Meldepflicht von Corona-Haustieren! Die RKI-PCR-Testzahlen zeigen nur noch das statistische Grundrauschen der Fehlerquote. Aber Herr Spahn kräuselt sich schon die zweite Welle zurecht.“
An diesem Freitag liegt die Gesamtzahl der insgesamt positiv getesteten Personen bei 132, ohne die vier Verstorbenen sind 77 „genesen“, 3 „in klinischer Behandlung“ und 48 „in häuslicher Beobachtung“. [9]
Bisher sind wir also einem weiteren Lockdown entkommen und der Hotspot Heide kühlt auch wieder ab, doch selbst dieser vergleichsweise glimpfliche Ausgang hinterlässt eine Spur der Verwüstung. Die Wirtschaft Dithmarschens beruht vor allem auf Tourismus (Weltnaturerbe Wattenmeer), Landwirtschaft (Europas größtes zusammenhängendes Kohl-Anbaugebiet), Energieerzeugung (Öl, Wind, das AKW wird demontiert), sowie Fischerei (Krabben) und Industrie (Hafengebiet Brunsbüttel). Es ist besonders der Tourismus, der schon durch den allgemeinen Lockdown geschädigt wurde und gerade begonnen hatte, sich etwas zu erholen. Verständlicherweise haben die Urlauber Angst, sich nach ihrer Rückkehr erstmal in Quarantäne begeben zu müssen und diese Angst wird auch erstmal bleiben, wie auch immer es weitergeht.
Ein Verbandsfunktionär fasste es so zusammen: „Als das hohe Infektionsgeschehen in Heide bekannt wurde, ging bei uns in den Hotels und Gaststätten der Umsatz rapide um 50 Prozent zurück. […] Wir haben in der Gastronomie schon viel erleiden müssen, jetzt bekommen wir wieder eins reingewürgt.“ Es betrifft direkt die Küstenorte Büsum, wo sich die Einwohnerzahl in der Hochsaison normalerweise vervierfacht und Friedrichskoog mit seiner Seehundstation, die auf die Einnahmen durch Besucher angewiesen ist, doch die Auswirkungen gehen weit darüber hinaus. Auch in Heide leidet die Gastronomie: „Am Mittwochmittag steppte hier noch der Bär, am Donnerstag war es leer.“
Dem großen Heider Wochenmarkt fehlten am Tag 2 der Allgemeinverfügung die einheimischen und auswärtigen Besucher, wie der Marktmeister beschrieb: „Ich schätze, dass heute zwei Drittel weniger Besucher da waren als zu normalen Zeiten. Wir befinden uns mitten im Sommer, doch es herrschen Verhältnisse wie im tiefen Winter bei Schnee, Regen und minus zwanzig Grad.“ Ein Blumenhändler ergänzte: „Heute ist tatsächlich noch weniger los als zu Beginn der Corona-Krise.“
Die IHK meldete in der Innenstadt „Umsatzrückgänge zwischen 30 und 50 Prozent“, ein Modehaus-Inhaber sprach vom „Totentanz“ in seinem Haus, nachdem es nach dem Lockdown vor allem durch die Touristen wieder bergauf gegangen war: „Wir kamen gut hin, haben im Juli sogar bessere Zahlen als erwartet. Und dann kam der Kracher. […] Wir haben weiterhin Personal in Kurzarbeit, haben aber bei den Umsatzsteigerungen aufgestockt. Also müssen wir nun wieder herunterfahren.“
Es ist klar, dass es immer noch schlimmer kommen kann: der Lockdown für den Kreis, für das Bundesland und wieder den ganzen Staat. Ebenfalls ist klar, dass man angesichts der Verhältnisse auf anderen Kontinenten trotz allem immer noch auf sehr hohem Niveau klagt. Immer klarer wird inzwischen aber auch, dass dies menschengemachte Schäden an Leib und Seele, Hab und Gut sind, viele von ihnen nicht wieder gutzumachen.
Hervorhebungen in blau sind von mir
[1] Soweit nicht anders angegeben stammen alle Zitate aus der Dithmarscher Landeszeitung aus dem Zeitraum 28.7. bis 7.8.2020.
[2] Aus Dithmarschen-Wiki:
https://www.dithmarschen-wiki.de/Dithmarschen
https://www.dithmarschen-wiki.de/Kirsch,_Sarah
[3] Nr.:73/2020 Veröffentlichungsdatum 30.07.2020: Allgemeinverfügung des Kreises Dithmarschen über Maßnahmen zur Bekämpfung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV‑2 auf dem Gebiet der Stadt Heide
https://www.dithmarschen.de/PDF/2020_73_Bekanntmachung_Allgemeinverf%C3%BCgung_Corona_Stadt_Heide.PDF?ObjSvrID=2046&ObjID=3263&ObjLa=1&Ext=PDF
[4] Infektionszahlen steigen / Bedenkliche Corona-Entwicklung in Schleswig-Holstein
https://www.aerztezeitung.de/Nachrichten/Bedenkliche-Corona-Entwicklung-in-Schleswig-Holstein-411692.html
[5] https://fragdenstaat.de/anfrage/fragen-zu-falsch-positiven-pcr-ergebnissen-bei-covid-19/ vom 11.6.2020 an das Ministerium für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren Schleswig-Holstein
[6] PCR-Spezifität: Auswirkungen auf Fallzahlen und R‑Wert (19.7.2020) https://www.corodok.de/pcr-spezifitaet-auswirkungen/
[7] https://fragdenstaat.de/anfrage/fallzahlen-r-wert-zweite-welle-durch-falsch-positve-pcr/ vom 5.7.2020 an das Robert-Koch-Institut
[8] Anfragen an das Bundesministerium für Gesundheit:
https://fragdenstaat.de/anfrage/bitte-um-beantwortung-von-fragen-zu-tests-auf-sars-cov‑2/ vom 8.4.2020
https://fragdenstaat.de/anfrage/zweites-gesetz-zum-schutz-der-bevolkerung-bei-einer-epidemischen-lage-von-nationaler-tragweite/ vom 26.4.2020
[9] Liveblog zu Corona in Dithmarschen
https://www.boyens-medien.de/artikel/corona/liveticker-corona-in-dithmarschen-328183.html
Es ist einfach nur noch unsäglich …
Landstriche werden systematisch geschleift, Schüler sitzen wie Versuchskaninchen oder Sträflinge zugebunden in Klassenräumen, der Entzug von Kindern von ihren Eltern wird angedroht, …
und das alles weil ein paar Reiche ihre Hobbys der ganzen Welt aufzwingen.
Wir sehen heute der Fratze der Weltherrschaft ins Gesicht.
Wie kommt es überhaupt zu solchen Zahlen? Werden bestimmte Menschen (an einem bestimmten Ort) gezwungen an den PCR-Tests teilzunehmen? Oder sind es Menschen, die bedingt durch von Ackergiften kontaminierten Pollen, mal ein Kratzen im Hals verspüren und nun nichts anderes zu tun haben als sich dann testen zu lassen? Bei solchen Tests ist doch überhaupt kein schlüssiges Konzept sichtbar. ich gewinne den Eindruck, dass hier und dort, um die Angst aufrecht zu erhalten, neue "HotSpots" bewirkt werden, d.h. für mich, dass diese gekrönte asiatische Mikrobe stellenweise ausgebracht wird. Deshalb ist doch zu hinterfragen, warum werden scheinbar gezielt, an bestimmten Orten bestimmte Personen getestet.
Mir scheint, Sie haben zu viel Vertrauen in den Test. Er hat eine Art "Grundrauschen"-Fehlerquote von ca. 1%, die immer da ist und wenn mehr getestet wird, gibt es auch mehr Positive in absoluten Zahlen, obwohl eigentlich nichts passiert. Sollten noch Verunreinigungen im Labor oder Kreuzreaktionen z.B. zu anderen Coronaviren dazukommen, gibt es noch mehr Positive draufzu – allesamt falsch. Um positive Ergebnisse zu generieren, muss man gar kein Virus freisetzen, sondern einfach viel testen und blind dran glauben. Beides ist leider der aktuelle Zustand. Wirklich gezielt wird wohl nicht getestet, es traf jetzt gerade Dithmarschen und morgen sind es wieder andere. Ich würde eher sagen, man versucht das Maximum an Tests rauszuholen, wo auch immer es geht. Treffen kann es jede Gegend, uns auch jederzeit wieder. Hier ist es ausführlicher zur PCR, falls Sie den Text nicht kennen sollten: https://www.corodok.de/pcr-spezifitaet-auswirkungen/
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"Spahn lässt Infektiomen bei Heimbewohnern prüfen"
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Aber ich habe sogar auf diesen Artikel geantwortet.
Wie kann ich ihn finden oder ist er verschwunden?
Ungefähr eine Woche alt.