schön, daß Ihr jetzt auch wieder auf den Straßen seid! Endlich werden dort wieder Grundrechte wahrgenommen. Fein auch, daß Ihr die Deutschlandfahnenschwenker und "Wir sind das Volk"-Gröler anprangert.
Waren zumindest Teile von Euch aber nicht schon einmal weiter?
Gab es nicht die Diskussion, daß "Nazis raus!" notwendig, aber längst nicht hinreichend ist? Daß man RassistInnen und NationalistInnen überall entgegentreten muß und gleichzeitig den Marginalisierten und den zu Recht Besorgten Angebote machen muß, solidarisch und nicht ausgrenzend vorzugehen, um das Bild zu widerlegen, Opposition gebe es nur rechts?
Besorgt Euch nicht, wenn in Berlin Polizeiaufgebote zusammengestellt werden, deren Größenordnung dort sonst nur zum Schutz von Nazi-Demos erreicht werden – diesmal, um Ansammlungen von mehr als 50 Menschen zu zerschlagen?
Glaubt Ihr wirklich, daß ein Innensenator, der anläßlich des 1. Mais 5.000 PolizistInnen aufbietet, jetzt an der Seite der Antifa steht, wenn er Euch liebend gerne die Kundgebungsplätze zur Verfügung stellt?
Haltet Ihr für denkbar, daß es eine nennenswerte Schnittmenge gibt zwischen den Tausenden, die jetzt in Stuttgart demonstrieren, und denen, die jahrelang einen vermutlich auch von Euch akzeptierten Protest gegen Stuttgart 21 auf die Plätze getragen haben
Erinnert Ihr Euch, daß lange bevor dieser Begriff von den Nazis gekapert wurde, in Stuttgart das Wort von der "Lügenpresse" entstand? Daß er Ausdruck der Erkenntnis war, daß die Medien ganz überwiegend die Position des Bahnkonzerns und seiner – genau! – wissenschaftlichen Experten eingenommen haben? Daß noch so viele Gegenexpertisen ungehört blieben?
Wenn ja, könnte es sein, daß die gegenwärtige Medienlandschaft ein ganz klein wenig zumindest etwas von dem damaligen Verhalten beibehalten hat?
Der Begriff "Wutbürger" kam übrigens erstmals zum Abkanzeln von Demonstranten gegen Stuttgart 21 in Gebrauch. Wer erinnert sich noch daran, wenn er heute "Wutbürger" mit "Nazi" assoziiert?