Eigentlich lohnt sich die Beschäftigung mit den merkwürdigen Positionen in der linken Presse zu Corona nicht. Schließlich gibt es wieder Bewegung auf den Straßen, und die Mahnungen von junger Welt, Neuem Deutschland und taz, doch brav im Internet zu demonstrieren und ansonsten die Besonnenheit der Regierenden zu loben, nimmt kaum jemand noch ernst.
Wenn aber das Ranschmusen ans Establishment (das es allerdings nicht danken wird) so gar nicht nachlassen will, muß man sich doch Sorgen machen.
In der jungen Welt feiert am 9.6. der auf entsprechendes Bashing spezialisierte Redakteur "Kaum Teilnehmer bei »Hygienedemos«"
" Konnten die sich schnell zum Treffpunkt auch von Neonazis, Anhängern von Verschwörungsmythen und Esoterikern aller Couleur entwickelnden Versammlungen in den vergangenen Wochen und Monaten teils mehrere tausend Gleichgesinnte mobilisieren, wird es aktuell immer stiller um die »Hygienedemonstranten«. .. Die Unterstützung der Proteste durch eine Reihe prominenter Rechter dürfte ihren Teil dazu beigetragen haben, dass viele Menschen auf Distanz blieben."
Da haben also bislang Rechte, Aluhüte und mehrere tausend Gleichgesinnte demonstriert. Die merken jetzt: Da sind ja Rechte dabei! Und bleiben folgerichtig weg. Derlei Unlogik kann noch nicht einmal entstehen, wenn man dem eigenen Gerede glaubt. Genosse Bernhardt, entweder waren dort immer rechte Spinner unterwegs – warum sollten die sich durch Rechte abschrecken lassen? Oder Du hast Dich und uns wochenlang belogen und es waren doch viele um die Grundrechte besorgte Menschen darunter. Die mögen in der Tat nicht mehr Gefahr laufen, von Nazis vereinnahmt zu werden.
Krönender Abschluß des Artikels, mit dem der Autor trotzdem nicht Regierungssprecher werden wird:
"Unterdessen berichtete das Redaktionsnetzwerk Deutschland am Montag, dass die Maßnahmen zur Pandemieeindämmung einer Modellstudie britischer Wissenschaftler zufolge, die in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht wurde, »allein in elf europäischen Ländern bis Anfang Mai etwa 3,1 Millionen Todesfälle« verhindert hätten."
Und der Verfassungsschutz hat allein in Deutschland 9 Trillarden linksextremer Anschläge verhindert.
Dazu paßt das Interview des Blattes mit dem Vorsitzenden der Linkspartei, Bernd Riexinger, vom 30.5. Darin watscht er seinen Ministerpräsidenten Ramelow ab für dessen bisher einzig gute Idee, die "Corona-Maßnahmen" den Gegebenheiten in Thüringen anzupassen: "Wir beteiligen uns nicht an dem »Lockerungswettlauf«, weil für uns die Gesundheit der Menschen im Vordergrund steht." Das reicht dem Interviewer nicht. Er fragt noch einmal nach:
"[jW:] Diese Woche wurde viel über den Vorstoß des thüringischen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow diskutiert. Dabei ging es aber nicht um soziale Verwerfungen, sondern ebenfalls um mögliche Lockerungen. An der Verengung der öffentlichen Debatte ist Ihr Parteifreund also nicht ganz unschuldig.
Wir bleiben dabei: In den »Lockerungswettlauf« steigen wir nicht ein, sondern bleiben bei unserem vorsichtigen Kurs. Eine zweite Ansteckungswelle muss verhindert werden. Die Hauptaufgabe unserer Partei besteht aber darin, sich auf die Verteilungskämpfe vorzubereiten. Wird das Investitionsprogramm der Bundesregierung mit Steuersenkungen für Unternehmen verbunden, dem Streichen des »Soli« für die einkommensstärksten Teile der Bevölkerung, oder setzen wir eine Vermögensabgabe für Millionäre und Milliardäre durch? Bei diesen Fragen muss sich Die Linke engagieren."
Die gleiche Antwort also. Und noch mal nachgekartet:
"[jW:] Nur wurde über diese Fragen im Zusammenhang mit Ihrer Partei zuletzt wenig diskutiert, sondern über mögliche Lockerungsvorhaben eines Linken-Ministerpräsidenten. Dieser Vorstoß war damit doch mindestens unglücklich.
Ich will diese Debatte nicht weiter befeuern. Es geht darum, dass wir mit Blick auf die genannten Punkte unseren Kurs halten.«
Während Solches ja nur vielleicht Mitleid hervorrufen mag, ist dies bei einem Beitrag auf einer Doppelseite des Blattes am Wochenende zwingend erforderlich. Ein Felix Bartels ergießt sich dort über "das schwierige Verhältnis von Medien und Wahrheit". Der Mann hatte schon am 15.4. für ein Szenario plädiert, in dem gilt:
»Verbot von Versammlungen, soziale Distanz und Ausgangseinschränkung müssten bestehen bleiben, bis ein Impfstoff gefunden, erprobt und in ausreichender Menge produziert wurde.« (siehe dazu junge Welt hetzt gegen Kritiker).
Was nichts anderes bedeutet als: Notstandsregime für wenigstens zwei Jahre. Die braucht es, um nach gesicherten Erkenntnissen Impfstoffe zu finden und herzustellen.
Nun also Medien und Wahrheit. Anfangs gelingt ihm wenigstens noch Demagogie, wenn er von "der jüngsten Lügenoffensive von Bild – ich meine die gegen den Virologen Christian Drosten" spricht. Da kann er zuverlässig auf Reflexe der altlinken LeserInnenschaft bauen. Bild lügt, Bild hat mitgeschossen, damit kann man nichts falsch machen. Natürlich wäre es albern, der Bildzeitung die Verbreitung seriöser Nachrichten zu unterstellen. Es geht um Sensationen, um auflagesteigernde Schlagzeilen, um Promistories. Das Problem ist nur: Der Artikel war schmuddelig, seine Kernaussage aber wahr. Drosten hatte mit der Studie gepfuscht. Er hat inzwischen die Kritik von Kollegen ernstgenommen und die Studie überarbeitet.
Aufhänger für den Artikel ist ein Video von Rezo (»Die Zerstörung der Presse«), in dem er aufzeigt, wie nah beieinander Verschwörungstheoretiker und "seriöse Medien" in ihren Methoden sind. Gönnerhaft wertet Bartels:
»Man kann das Video nicht wie eine Rede Thomas Manns behandeln; jeden Satz ausbreiten, jedes Wort wenden. Rezo ist nicht von der trüben Sorte, man kommt schon auf Gedanken, wenn man ihm zuhört, aber vielleicht nicht auf die, die er gern hätte…
Er hat schon recht, doch bloß in den flachsten Gefilden.«
In höheren Sphären wandelnd bringt er Solches dar:
»Ideologie deformiert immer, und dass sie das tut, ist kein Unfall. Die Funktion der Medien liegt gerade nicht darin, Information zu vermitteln. Medien sind Einrichtungen, durch die die Gesellschaft sich mit sich selbst unterhält, in denen sie sich selbst gegenüber ausdrückt, was sie von sich hält. Die Nachrichten, also die Informationen, spielen hierbei bloß das Mittel, sie sind nicht der Zweck. Spannender als die naive Annahme, dass Medien ihren Job nicht tun, solange sie Unzutreffendes verbreiten, wäre die Frage, ob die verbreiteten Unzulänglichkeiten jenem Selbstverständnis entsprechen. Ideologie ist an der Lüge das Wahre.«
Wenn "junge Welt"-LeserInnen das nicht schnallen, liegt es nicht an ihnen.
Es kommt noch doller:
»Kann man vom Selbstverständnis einer Gesellschaft auf das Verständnis der Gesellschaft kommen? Man kann. Wenn man kann. Jedes Selbstverständnis einer Gesellschaft ist partikular. Es gibt nicht das eine herrschende Bewusstsein, auch nicht das eine Bewusstsein der Herrschenden. Ideologien machen stets ein synchrones System, ein Ensemble von Antworten auf die Fragen einer Zeit.
Jede dieser Antworten ist unzulänglich, weil sie nicht über die Borniertheit der Epoche hinausweist, vielmehr an den blinden Flecken und Irrtümern der Gesellschaft teilhat, durch die sie hervorgebracht wurde.«
Was bislang sich intellektuell gebendes Geschwurbel war, wird schließlich offen reaktionär:
»Der Liberalismus schlägt vor, das Glücksversprechen des Kapitalismus allein am Geschick des siegenden Einzelnen zu messen. Der Konservatismus will die ökonomische Wucht, die alles planiert, das nicht mehr funktioniert, durch kulturelle Beständigkeit lindern. Die grüne Ideologie verwechselt die Humanisierung der Produktion mit der Rückbesinnung auf die Natur. Die Sozialdemokratie folgt dem rührenden Ansatz, inmitten der Profitproduktion soziale Gerechtigkeit herzustellen, durch Versöhnung von Kapital und Arbeit. Der Faschismus stellt in der "Volksgemeinschaft" diese Idee der Sozialpartnerschaft auf biologischen Boden, erweist sich also als missvergnügte Spielart der Sozialdemokratie. Der Anarchismus glaubt, in der Wiederherstellung einfacher Warenproduktion den Kapitalismus rücküberwinden zu können.
Jede – wie gesagt: jede – dieser Antworten ist unzulänglich, weil sie sich sämtlich innerhalb des Nexus bewegen, den die bürgerliche Gesellschaft mit ihrer Produktionsweise und ihren politischen Verkehrsformen ausbildet. Doch selbst wenn man sie alle übereinander legte, pluralistisch annehmend, dass der Streit zwischen diesen Teilantworten Höheres hervorbringen müsse, wäre das, was daraus hervorginge, nicht die Wahrheit über die bürgerliche Gesellschaft. Es wäre allenfalls eine Art Gesamtselbsttäuschung.«
Dann gibt er sich doch irgendwie links: Um aus dieser "Gesamtselbsttäuschung" "etwas zu gewinnen"
»…bedarf es eines Griffs von außen oder, wenn der nicht möglich ist, wenigstens eines Griffs nach außen: einer Realität des Sozialismus (die wir schon hatten) oder wenigstens einer utopischen Idee dahin (denn ein Vorbegriff ist besser als gar keiner). Auch der Sozialismus bringt Irrtümer hervor. Aber nur über sich selbst. Über den Kapitalismus irrt er nicht. Wissen, wissen wir durch Hegel, ist Nacht. Und im Sozialismus ist der Kapitalismus schon Nacht.«
Da wir somit im philosophischen Hauptseminar angelangt sind, wird auch noch dies serviert:
»Sophistik ersetzt ein stimmiges Kalkül. Doppelte Standards werden zum Standard, klassische Fehlschlüsse (petitio principii, hysteron proteron, non sequitur, tertium non datur) zu gewöhnlichen Verfahren, die Borniertheit durch den eigenen Standpunkt zum Leitsatz jeglicher politischer Irrationalität: "Weil ich eins bin, sind auch meine Feinde eins."«
Der Beitrag endet mit dem wegweisenden Fazit
»Aus der Information, wer während welcher Unruhen zuerst geschossen hat, wer hinter jenem Anschlag steckt, wer während dieser Konferenz mit wem im Hinterzimmer verschwunden ist, folgt gar nichts. Die Wer-wann-was-Ebene bleibt, selbst wenn sie nicht der Überprüfung entzogen wäre, arbiträr. Aus ihr etwas Relevantes abzuleiten gleicht dem Versuch, aus dem Duden die Grammatik der deutschen Sprache zu ermitteln. Es hat schon zu tun damit, doch man kommt nie auf die syntaktischen Beziehungen. Am Ende kennt man jedes Wort und kann doch nicht sprechen.«
Jemand, der etwas zu sagen hat und verstanden werden will, hätte wenigstens das Wort "arbiträr" übersetzt. Es bedeutet "willkürlich" und ist eine gar nicht so schlechte Beschreibung des Beitrags.
(Hervorhebungen nicht im Original.)
das wort vom "linksgrünen faschismus" widerspricht der behauptung, der faschismus brauche einen "biologischen Boden".
der faschismus ist eine solidaritätsform, eine hierarchische solidarität, eine sozialpartnerschaft im sinne des "höheren Ganzen" und das ist die nation und zur nation können alle staatsbürger gehören, ohne biologische familienähnlichkeit.
die "volksgemeinschaft" ist eine "schicksalsgemeinschaft" im angesicht der untergangs, des abendlandes, der welt, in form von russischem angriffskrieg, klimawandel, pandemie, wettbewerbsfähigkeit.
der faschismus ist ein nationalismus, die nation muß nicht biologisch bestimmt sein, sie muß aber auch nicht auf einen einzelnen staat begrenzt sein, es kann europa sein, die westlichen werte.
kurzum: faschismus ist nicht abhängig von der rassenhygiene.
der faschismus ist ein autoritärer staat.
der staat bildet eine totalität, eine Zusammengehörigkeit und ein außen.
der faschismus ist ein absoluter staat, in dem alles politisiert ist, alles ist für oder wider den staat, delegitimierung oder affirmation.
die corona-zeit war eine konjunktur des autoritären.