»Mit den Stimmen der Regierungsfraktionen hat der Bundestag eine Novelle des Infektionsschutzgesetzes und damit auch nächtliche Ausgangssperren ab einer Inzidenz von 100 beschlossen. Ihre Wirksamkeit werde durch wissenschaftliche Studien gestützt, heißt es in der Gesetzesbegründung. MONITOR-Recherchen zeigen nun: Eine der für die Regierungsfraktionen zentralen Studien von der Universität Oxford lässt sich nicht eins zu eins auf die aktuelle Situation in Deutschland übertragen. Darauf weisen die Studienautoren selbst hin und betonen eine „große Unsicherheitsmarge“.«
So heißt es in einer Pressemitteilung vom 29.4. auf wdr.de. Lauterbach habe da wohl Bahnhof verstanden.
»Die sog. „Oxford-Studie“ gehört zu den zentralen Stützen der Argumentation der Regierungsfraktionen für die Einführung nächtlicher Ausgangssperren im Zuge der Novelle des Infektionsschutzgesetzes. Sie käme zu dem Schluss, dass die Ausgangssperren geeignet seien, den R‑Wert „um 13 Prozent zu senken“, heißt es etwa auf der Homepage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Auch der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach begründet die Notwendigkeit von Ausgangssperren in Deutschland immer wieder mit Hinweisen auf die Studie. Sie zeige, dass Ausgangssperren einen Effekt „von etwa 15 Prozent Senkung der Reproduktionsrate“ haben würden. Für Sören Mindermann, einen der Studienautoren, sind solche Aussagen „Fehlinterpretationen“. Er betont, dass die Studie große Unsicherheitsmargen habe und nicht einfach auf die derzeitige Situation in Deutschland übertragbar sei.
Die Studie leitet die Effektivität von nächtlichen Ausgangssperren aus Daten aus verschiedenen europäischen Ländern ab. Die jeweils untersuchten Ausgangssperren hätten aber zu unterschiedlichen Tageszeiten eingesetzt und entsprechend unterschiedlich lange gedauert, stellen die Studienautoren klar. Außerdem hätten die untersuchten Ausgangssperren immer mit anderen Maßnahmen interagiert. Daher könne man kaum unmittelbare Rückschlüsse auf ihre Wirkung als einzelne Maßnahme und für einzelne Länder ziehen. Zentral sei auch, dass die Studie mit Daten aus der zweiten Corona-Welle arbeite. Veränderte Infektionsbedingungen durch die „britische“ Mutante B.1.1.7 seien deshalb nicht einbezogen. Man könne die Ergebnisse „nicht einfach so auf die dritte Welle übertragen“, betont Mindermann.
Insgesamt sind die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Wirksamkeit von nächtlichen Ausgangssperren uneinheitlich. Eine Untersuchung der Universität Gießen und der Mines ParisTech hat zum Beispiel verglichen, wie sich die Inzidenzen während der zweiten Welle in hessischen Landkreisen mit und ohne Ausgangssperren entwickelt haben. Man habe dabei „keinen statistisch signifikanten Unterschied in der Inzidenz-Entwicklung in den Kreisen mit und ohne nächtliche Ausgangssperre“ gefunden, sagt Prof. Georg Götz, einer der Studienautoren, gegenüber MONITOR.
Warum die Große Koalition die Oxford-Studie zur Begründung der Ausgangssperren herangezogen hat – dazu wollten die Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und SPD auf Anfrage keine Stellung nehmen.
Auch vor dem Hintergrund ihrer unklaren Wirksamkeit hält die Verfassungsrechtlerin Prof. Anna Katharina Mangold die Ausgangsbeschränkungen in der beschlossenen Form für verfassungswidrig. Der gesetzte Zweck, die Einschränkung der Pandemie, könne damit nicht erreicht werden. Außerdem dürften Ausgangssperren „nur als ultima ratio, als letztes Mittel angeordnet werden“, so Mangold gegenüber MONITOR. Diese Bedingung sei im aktuellen Gesetz nicht erfüllt.«
Was nützt die Aufhebung der Ausgangssperre, wenn man nirgendwo hingehen kann, um sich mit MENSCHEN zu treffen?
Glaubt tatsächlich irgendjemand, mit dem Fall des Stubenarrests würden andere Maßnahmen auch kippen?
Die gewollte Diskussion darüber ist ein Ablenkungsmanöver und wenn sie aus dem Hause eine PR-Firma stammt, dann würde das niemanden wundern.
Lassen sie sich doch nicht für dumm verkaufen!
@ Zapata Gang
Ja, die Gefahr des Empörungsmanagements ist gegeben.
Aber tragen wir dazu nicht selbst aktiv bei? Wir beschäftigen uns mit jedem noch so kleinen Phänomen das eine Auswirkung der Maßnahmen ist/ sein könnte und verschwenden dabei massiv Zeit und Energie.
Statt uns einzugestehen, dass unsere bisheriige Gesellschafts-ordnung, in der ein Großteil der Bevölkerung glaubte angenehm leben zu können, versagt hat weil sie den heutigen Zustand ermöglichte.
Und sich aktiv mit der Frage zu beschäftigen, welche Art demokratischer Grundordnung wir jetzt brauchen, um den Karren aus dem Dreck zu ziehen und ein stabileres Fundament für unser zukünftiges Zusammenleben zu haben.
Und nein, ich rede hier nicht von neuen Parteien innerhalb des alten Systems ("neuer Wein in alten Schläuchen"). Da ist es wie mit dem Lockdown: Hat nicht funktioniert? Dann machen wir noch mehr von dem, was nicht funktioniert hat.
Ich spreche von wirklich neuen demokratischen Ideen, die hier und da durchs Internet irrlichtern, teilweise sogar wissenschaftlich ausgearbeitet sind und im Schwall der vielen kleinen "Katastrophenmeldungen" komplett untergehen.
Was leider eine Abwärtsspirale in Gang gesetzt hat, weil nicht wenige durch die erdrückende Vielzahl der Maßnahmenmeldungen ihre Zuversicht und die Kraft für die Beteiligung an etwas wirklich Neuem verlieren und wie das Kaninchen vor der Schlange nur noch auf diese Nachrichten schauen. Und noch rat- und hilfloser werden, und noch entsetzter auf die negativen Meldungen starren. usw. usf.
@Kirsten: Ein wichtiger Gedanke, bei dem ich mich auch an meine Nase packe.
Ja, auch ich trage fleicher Nasen Zier.
Aber ich gebe eines zu bedenken: dass es soweit gekommen ist wie es gekommen ist, liegt am Faktor Mensch, nicht an der Grundstruktur unserer Ordnung. Die Kontrollinstrumente und ‑möglichkeiten waren da, haben sich aber selbst aus dem Spiel genommen (z.B. das Parlament) bzw. wurden in ihrer Kontrollwirksamkeit überschätzt (z.B. die Gerichte). Ermöglicht wurde dies dadurch, dass Menschen beteiligt waren, und diese sind in jeder für mich denkbaren Ordnung, in der man noch einigermaßen vernünftig zusammenleben kann, immer beeinflussbar.
Man kann daraus den Schluss ziehen, die Strukturen verändern zu müssen, wird aber an einem gewissen Punkt immer an das "Wer bewacht die Wächter?" stoßen. Deshalb lege ich mehr Hoffnung auf das Beeinflussen innerhalb der bestehenden Strukturen, und das heißt, sich in die Detailkämpfe zu begeben. Aber das ist meine rein persönliche Ansicht.
@ Rocku o'Roll
"(…) Die Kontrollinstrumente und ‑möglichkeiten waren da, haben sich aber selbst aus dem Spiel genommen (z.B. das Parlament) bzw. wurden in ihrer Kontrollwirksamkeit überschätzt (z.B. die Gerichte). (…)"
Da ist meine Einschätzung anders. Wenn ich bedenke, dass im gegenwärtigen System die Bestechung von Abgeordneten legal (!!!) ist und die Staatsanwälte ihrem Vorgesetzten, dem Justizminister, gegenüber weisungsgebunden sind, von diesem also z.B. die strafrechtliche Ermittlung gegenüber Abgeordneten untersagt werden kann, und der Präsidentenstuhl des Bundesverfassungsgerichtes nach Parteienproporz besetzt wird, dann kann ich leider keine wirksame Kontrollinstanz erkennen.
Passender Weise werden diese Umstände nie öffentlich diskutiert, weshalb es so viele Menschen gibt, die in völliger Unkenntnis der Lage noch/ wieder auf eine "Gerechtigkeit durch die Justiz" hoffen.
@Kirsten "Wer , wenn nicht wir?" ein Buch von Sven Böttcher. Solange dieses Volk sich überwiegend im Angstmodus befindet, ist wohl nichts zu machen. Man muss auch riskieren können, dass man als nicht stromlinienförmige Person geächtet oder als maskenbefreiter Mensch des "Supermarktes" verwiesen wird, wie es mir kürzlich passierte. Aber solange die "ewig Guten", diese Angsthasen, sich nicht trauen, was soll man erwarten? Ich habe heute bei der Lektüre Thomas Mann´s (Mario und der Zauberer) gelernt, dass "befehlen" und "gehorchen" 2 Seiten einer Medaille sind.
Die Devise unserer Regierung: wir setzen am besten das ganze Haus unter Wasser, dann können wir sicher sein, dass es nicht brennt.