Mit dieser Frage beschäftigt sich auf telepolis.de Wolf Wetzel. Er führt u.a. aus:
»Stellen Sie sich vor, die ganz Bösen, also die Autonomen (für die Älteren), die Antifa (für die Jüngeren) und die RAF 3.0 (für alle zusammen) hätten zum Sturm auf den Reichstag aufgerufen. Dafür hätte es ganz viele Likes und blutrünstige Zustimmung im Internet gegeben und eine entsprechende Mobilisierung wäre ebenfalls zu erkennen gewesen. Und natürlich hätte es auch zahlreiche Warnungen aus allerlei "Sicherheitskreisen" gegeben, die vor gewalttätigen Ausschreitungen gewarnt hätten, um alle "Unbeteiligten" auf die ganze Härte des Rechtstaates vorzubereiten und die Einsatzpläne entsprechend zu schärfen.
Stellen Sie sich dieses Untergangs- und Schreckensszenario einmal vor, um dann das Folgende für absolut normal und realistisch zu halten:
Zuerst wird dieser teuflischen Allianz ohne Probleme eine Kundgebung zu Füßen des Reichstages genehmigt. Sie ist ausdrücklich von den Verbotsanträgen ausgenommen, die andere Demonstrationen mit ähnlichem Anliegen untersagen sollen. An besagtem Kundgebungsort wird rechtzeitig fast alles abgezogen, was man an diesem Tag an Polizeikräften zusammengezogen hat. Ohne alles zu verraten: An diesem Tag sind mindestens 3.000 Polizisten im Einsatz, also das, was man offiziell "kommuniziert". 2.997 Polizeibeamte sind im entscheidenden Augenblick woanders, unter anderem, wie schrecklich und passend, vor der russischen Botschaft. Alleine die Erwähnung der "russischen Botschaft", also etwas Russisches, sollte ausreichen, um zu erklären, dass man einfach nichts mehr zum Schutz des Reichtages übrighat, das Parlamentsgebäude einfach blank bleiben musste.
In Folge passiert exakt das, wovor die einen gewarnt, worauf die anderen sehnlichst hin gefiebert haben: Ein paar Hundert überwinden spielerisch die Absperrgitter, die man einfach nur hingestellt hat, um zu zeigen, dass man zu allem bereit ist und dass man gerade von den ganz Gewaltbereiten erwarten darf, dass sie sich an das halten, wofür ein Absperrgitter dem Namen nach sorgen soll. Völlig unerwartet und ohne sich zu verausgaben rennen diese paar Hundert in Richtung Reichstag und steigen die Treppen zum Olymp hinauf. Dort werden sie genau von drei Polizisten erwartet, die von den[3].000 zurückgelassen wurden.
Die drei Polizisten haben keine Chance und nutzen sie. Sie erklären den Treppenstürmern, dass das jetzt und so nicht geht. Die Drei geben alles, sind für ein paar gute Augenblicke Opfer und wenig später (und nicht viel später für immer) Helden, die die Demokratie in einem entscheidenden Moment gerettet, also verteidigt haben. Nachdem alles im Kasten ist, die drei unerschrockenen Polizisten, ein paar Reichsfahnen, die nicht sofort und schon gar nicht zwingend, sondern erst später für das Gegenteil stehen sollen.
Nachdem alle (Seiten) hatten, was sie wollten, kam ganz schnell das, was man vorher partout nicht auf Lager hatte: Polizeibeamte in genügender Zahl, um den Reichstag zurückzuerobern, also die Treppe.
Dass all dies so nicht passiert wäre, wenn "Linke" einen solchen Sturm angekündigt hätten, ist hoffentlich nicht schwer nachzuvollziehen…
Anstatt die Polizeiführung damit zu konfrontieren, was sie bewogen hat, so vorsätzlich ohnmächtig zu agieren, anstatt die Polizeiführung in Schutz zu nehmen, indem man allen Ernstes von einer falschen Einsatzlageeinschätzung faselt, steigern einige Politiker diese Farce, indem sie todernst davon reden, dass jetzt der Verfassungsschutz noch mehr gefordert sei, dass man noch mehr Verfassungsschutz brauche, um das richtig einzuschätzen, was der Verfassungsschutz seit Jahrzehnten leugnet, kleinredet, fördert und beschützt: Neonazistische und rassistische Strukturen, die einen neonazistischen Untergrund herausgebildet haben, von dem der Verfassungsschutz elf Jahre absolut nichts gewusst haben will und der nach der Selbstbekanntmachung des NSU 2011 alles unternimmt, um eine Aufklärung zu sabotieren.
Mit der Reichsflagge gegen die Diktatur?
Nun zur anderen Seite, auf die Seite derer, die mit der Reichsflagge sichtbar demonstrieren, dass sie mit autoritären, imperialistischen und faschismusbereiten Systemen gar kein Problem haben. Und zu denen, die keine Reichsfahne schwenken, aber sich darin einig sind, dass sie gegen eine Hygiene-Merkel-Gesundheits-Diktatur kämpfen. Kann es sein, dass die "Querdenker" sich selbst der größte Feind, der größtmögliche innere Widersinn sind?…
In der Tat und das ist wirklich niederschmetternd, sind alle alles, nur nicht system-oppositionell: Die parlamentarische LINKE wetteifert um die Corona-Krone, hält alles ein, was not-verordnet wird und ist in großen Teilen ganz damit beschäftigt, sich als Regierungspartei anzubieten. Und die außerparlamentarische Linke? Viele Antifa-Gruppen haben vor allem die "Corona-Leugner" und "Covidioten" im Visier. Fast marginal sind jene linke Gruppen und Initiativen, die die "Corona-Krise" als soziale, antagonistische Frage begreifen und sehr wohl darum wissen, dass jeder noch so begründete Ausnahmestand (Deutscher Herbst 1976/77, 9/11 im Jahr 2001) nicht mehr, sondern weniger Freiheitsrechte und noch größere Ungerechtigkeiten zurücklässt…
Solange die Linke nur auf den (richtigen) Abstand achtet, und nicht alles dafür tut, das Gemeinsame stark und bezaubernd zu machen, wird sie als Linienrichter bald in einem leeren Stadion auf die Einhaltung der Regeln achten.
Anstatt viel Kraft und viel zu viel Zeit darauf zu verwenden, sich zu ereifern, was alles bei den gegenwärtigen Querdenker-Protesten fehlt oder falsch ist, ginge es doch darum, einen Protest zu organisieren und eine Plattform zu schaffen, die eine rechte Vereinnahmung ausschließt…«
21.2.21, "… Nun stellt sich heraus: Die Berliner Polizei hat den Rechtsextremisten die Bühne auf den Treppen des Reichstags erst eröffnet“, so der Tagesspiegel in einem Bericht vom 19. September 2020.
Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums teilte dem Blatt mit, dass für die Demo vor dem Reichstag „keine Ausnahmegenehmigung“ vorlag. „Diese Genehmigung wäre nach dem Gesetz aber nötig gewesen, da die Kundgebung im sogenannten befriedeten Bezirk um den Bundestag abgehalten wurde. Nicht gemeint ist damit die große Corona-Demo auf der Straße des 17. Juni, die am selben Tag stattfand. Obwohl diese Ausnahmegenehmigung des Bundesinnenministeriums nicht vorlag, ließ die Polizei die Kundgebung zu“, so das Blatt.
Doch es wird noch seltsamer: „Die Versammlungsbehörde der Berliner Polizei hat die fehlende Genehmigung durch das Bundesinnenministerium für das Verbot offenbar nicht beachtet. Es handelt sich um ein sogenanntes Spezialgesetz. Demnach sind Demonstrationen im befriedeten Bereich von Bundestag, Bundesrat und Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich verboten.“ …"
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