Heute gab das RKI Zahlen zur Übersterblichkeit bekannt. Das ist die Kennziffer, die vermittelt, wie viel mehr Todesfälle es zur Zeit gibt als statistisch zu erwarten.
In den Medien werden die dort mitgeteilten Zahlen reißerisch entstellt. Beim Boulevardblatt MoPo mag das nicht verwundern. Hier heißt es:
"Erschreckende Zahlen: Vermutlich sind in Europa deutlich mehr Menschen an Corona verstorben als bisher angenommen. Darauf deutet die „Übersterblichkeit“ hin: Es sind viel mehr Tote zu beklagen, als statistisch zu erwarten gewesen wären. Aber nur ein Teil des Zuwachses ist offiziell durch Corona begründet…
Bezogen auf alle Altersgruppen in ganz Europa lag die Sterberate in der Woche vor Ostern (Kalenderwoche 15) um fast 35 Prozent höher als normal. Die Kurven zur Sterblichkeit in den europäischen Ländern sind auf der Seite euromomo.eu wochenaktuell aufgeführt. Hier ist auch zu sehen, dass die Sterberate in Schweden „sehr stark" angestiegen ist, während die Nachbarländer Norwegen und Finnland überhaupt keinen Anstieg verzeichnen." Link
Das ist nicht falsch. Interessant ist, daß hier der einzige Zeitpunkt der Kurve herausgepickt wird, der fast den Stand von 2017 erreicht. Ignoriert wird, daß die Kurve danach wieder absackt. Verschwiegen wird auch, daß der Anstieg in Schweden für heute als "niedrig" dargestellt wird. Link
Aber auch die Tagesschau wartet mit dieser Fehlinformation auf:
"In Europa sind innerhalb von vier Wochen Zehntausende Menschen mehr gestorben als im gleichen Zeitraum der Vorjahre."
Der Grafik (Link) ist dagegen zu entnehmen, daß sich die Sterblichkeit bislang in genau den gleichen jahreszeitlichen Wellen wie in den Vorjahren verteilt. Immerhin ist hier der Zusatz zu finden:
"Für Deutschland ist aber bislang keine Übersterblichkeit festzustellen…
Auch in der Altersgruppe der Menschen über 65 Jahre ist EuroMomo zufolge bis Mitte April in Deutschland bislang keine außergewöhnliche Übersterblichkeit festzustellen. Genauso sieht es in Dänemark, Estland, Finnland, Griechenland, Irland, Luxemburg, Malta, Norwegen, Österreich sowie Ungarn aus." Link
Zu ergänzen ist, daß die zuständige Stelle euromomo für die aktuelle Woche ausschließlich für Großbritannien und die Niederlande einen "hohen" oder "extrem hohen" Anstieg verzeichnet. Link
Die taz nimmt das einzige Land in Europa mit "extrem hohem" Anstieg zum Anlaß, unter Ignorierung aller anderen Kennziffern zu richten:
"Damit könnte auch das bisher vielfach von Kritikern der Lockdown-Maßnahmen genannte Argument hinfällig sein: die Behauptung, dass durch das neue Coronavirus auch nicht mehr Menschen ums Leben kommen als durch eine übliche Grippe." Link
Was das RKI tatsächlich mitteilte, läßt sich hier ansehen.
Natürlich haben Hygienemaßnahmen und Abstandsregeln zu der bislang moderaten Entwicklung beigetragen. Sie haben sogar dazu geführt, daß die Fälle der normalen (vielfach tödlichen) Grippe zurückgegangen sind, also Ziele erreicht wurden, die bislang keinen Menschen und erst recht nicht die Bundesregierung interessiert haben.
Selbstverständlich ist es zu früh, Entwarnung zu geben. Was jedoch die Zahlen überhaupt nicht begründen können, ist die massive Einschränkung des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung. Demonstrationen mit je nach Bundesland unterschiedlich gestatteten 20, 30, 50 Teilnehmenden sind ein Hohn auf das Grundgesetz.