Unter diesem Titel ist am 26.11. auf nordbayern.de zu lesen, daß die nationale Notlage eine soziale ist und keine medizinische:
»Trotz der angespannten Corona-Lage verfügt Bayern in diesem Winter über weniger Intensivbetten als noch vor einem Jahr. Waren im Freistaat am 25. November 2020 noch 641 Plätze für potenzielle Intensivpatienten frei, sind es zum gleichen Stichtag ein Jahr später lediglich 293. Und das bei einer vergleichbaren Bettenbelegung (2948 im Jahr 2020, 2919 im Jahr 2021).
Der Rückgang der verfügbaren Kapazitäten ist nur schwer nachvollziehbar, hatte Bayerns Ministerpräsident Söder zu Beginn der Pandemie, im Mai 2020, auf einer Pressekonferenz doch versprochen: "Wir haben den totalen Ernstfall geprobt. Wir haben für die nächsten Jahre oder für die denkbare zweite Welle, wenn sie denn käme…von Krankenhäusern, Notfallkrankenhäusern, Verlegungsplänen… komplett alles in der Tasche."
Den neuerlichen Rückgang der Betten – bereits im August 2020 fielen durch die Einführung einer Personaluntergrenze (PUG) von 2,5 Patienten pro Pfleger zahlreiche Intensivbetten weg – begründet eine Sprecherin des Bayerischen Gesundheitsministeriums zum einen mit einer Nachfassung der PUG von 2,5 auf 2 Patienten im Februar 2021. Zusätzlich gebe es aber noch einen weiteren wichtigen Faktor: Das fehlende medizinische Fachpersonal. "Vor allem die Ermüdung und Überlastung des Krankenhauspersonals im personalintensiven Bereich der Intensivstationen trug bislang zu einem Rückgang der gemeldeten Kapazitäten bei."
Doch warum hat die Politik es in fast zwei Jahren Pandemie nicht geschafft, entsprechende Anreize und Entlastungen zu schaffen, um zumindest bereits vorhandene Intensivpfleger in ihrem Job zu halten? Der Gesundheitsökonom Reinhard Busse von der TU Berlin, der auch Fakultätsmitglied der Charité ist, sieht das Problem vor allem in einer bundesweit falsch ausgelegten Krankenhaus-Finanzierung begründet. "Es war nicht durchdacht, dass man Krankenhäusern in der Pandemie viel Geld gegeben hat, ohne Konditionen daran zu knüpfen. Die Gelder wurden für freistehende Betten gezahlt – nicht etwa solche, die auch wirklich betriebsbereit waren."
Heißt: Nicht für tatsächlich verfügbare Betten floss Geld, sondern lediglich für gemeldete. "Man hätte damals stattdessen sagen müssen: Wir bezahlen freie und betreibbare Betten. Also solche, die auch wirklich durch Pflegepersonal gedeckt sind." Stattdessen, so Busse, hätten gerade Krankenhäuser, die besonders wenige Covid-Patienten aufgenommen hätten, am meisten Zuwendungen erhalten. "Das Geld ist nicht unbedingt da hin geflossen, wo es am nötigsten gebraucht wurde. Viele private Konzerne haben die Zahlungen einfach als Gewinn entnommen." Diese Praxis sei nicht illegal und daher auch nicht sanktionierbar. "Die Krankenhäuser mussten nicht angeben, wofür sie das Geld verwenden."…
Bereits Anfang November 2020 verringerten sich die verfügbaren Intensivbettenkapazitäten in Nürnberg von einem Tag auf den anderen schlagartig von 287 auf 200, ein Rückgang um fast ein Drittel. Laut Pressestelle der Stadt wurden damals betreibbare Intensivbetten umdefiniert und nur noch solche gemeldet, die auch tatsächlich mit Personal "hinterlegt" waren. Zeitgleich trat damals ein Rettungsschirm in Kraft, der Zahlungen an Krankenhäuser vorsah, wenn die Intensivstationen einer Stadt insgesamt zu mindestens 75 Prozent ausgelastet waren. Durch die nachträgliche Anpassung stieg die Auslastung in Nürnberg vom ersten auf den zweiten November zunächst von 57 auf 73 Prozent, drei Tage später lag sie dann bei über 75 Prozent…
Flucht der Intensivpflegekräfte
Wie hoch der Anteil des Abgewanderten Intensivpflege-Personals tatsächlich ist, kann indes nicht beziffert werden, denn es mangelt an belastbaren Daten. "Wir haben keine konkreten Zahlen zum Rückgang der Pflegekräfte”, sagt Prof. Gernot Marx, Präsident der DIVI (Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin). Viele Einbuße rührten daher, so Marx, dass Arbeitskräfte ihre Stunden reduziert oder der Intensivpflege ganz den Rücken gekehrt hätten. Bei einer Abfrage des Registers in 899 Kliniken, die eingeschränkten oder teilweise eingeschränkten Betrieb gemeldet hätten, hätten Kliniken 753 "Personal" als Grund angegeben.«
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Bilder vom letzten Wochenende aus Wien und anderen Städten Europas.
Solange der Staat das Reduzieren von Krankenhausbetten auch noch belohnt, wird sich daran nichts ändern. Sehr lesenswert bei Reitschuster aktuell der offene Brief des Bürgermeisters Uwe Scheler (Neuhaus/Thüringen), der unter anderem Zahlen nennt:
"Wir müssen zuallererst aufhören, den Abbau von Krankenhausbetten zu fördern. Sie glauben das nicht? Tatsächlich ist es so. Wenn Krankenhausbetten reduziert werden, gibt es Förderung dafür, aus dem Krankenhausstrukturfonds. In der Verordnung heißt es:
'Des Weiteren wird nunmehr der Abbau von krankenhaus-planerisch festgesetzten Betten nach Anzahl der Verminderung pauschal gefördert. Ausgehend von einer Bagatellgrenze von bis zu 10 Betten stellen sich die Förderungen wie folgt dar:
11 bis 30 Betten: 4.500 € je Bett
31 bis 60 Betten: 6.000 € je Bett
61 bis 90 Betten: 8.500 € je Bett
Mehr als 90 Betten: 12.000 € je Bett'
Im Gesundheitswesen geht es an vielen Stellen nur noch betriebswirtschaftlich orientiert und unternehmerisch denkend zu. Krankenhäuser müssen sich 'rechnen'. Ich finde, das ist der eigentliche Notstand und den haben wir in unserem Land selbst geschaffen. "
https://reitschuster.de/post/ziehen-wir-in-erwaegung-dass-der-andere-eventuell-auch-recht-haben-koennte/