Wie schnell man sich in Zeiten von Corona vom Gedanken der Aufklärung und der wissenschaftlichen Welterkenntnis entfernen kann, zeigt uns in der Zeitung "Neues Deutschland" ein Daniel Schwerd.
"Wir werden als nackte, dumme Affen geboren. Innerhalb unserer Lebensspanne lernen wir in Jahrtausenden gesammeltes Wissen und gewachsene Kultur durch Beobachtung der Umwelt, durch permanentes Zusammensetzen und In-Zusammenhang-Setzen von Informationen. Eine einfachere, aber stärkere Erklärung ziehen wir dabei einer vagen, komplizierten oder schwerer nachvollziehbaren vor. Und das ist zugleich auch eine Schwäche: Der Mensch bemüht sich, Muster im Chaos zu erkennen, wo keines ist. Er versucht, Informationen in Zusammenhang zu setzen, die keinen erkennbaren Zusammenhang haben. Er ist auf der Suche nach Gründen, wo er keine finden kann. So entstehen Mythen…
Der Mensch hat verinnerlicht, dass alles, was geschieht, ihn unmittelbar betrifft. Und so hält er sich für den Mittelpunkt des Universums, für das Ziel allen Geschehens. Aber die Welt schert sich eigentlich nicht um ihn. Die Tatsache, dass manche Dinge einfach passieren, dass er lediglich das Pech hat, in der Mitte des Sturms zu stehen, kann er nicht glauben."
Und Corona ist nun mal so ein Pech, da hilft nicht, "Informationen in Zusammenhang zu setzen".
"So entstehen Verschwörungstheorien: Seuchen sind kein Zufall, es muss einen Grund dafür geben. Sie wirken für den Menschen wie ein persönlicher Angriff. Wenn er sich schon nicht gegen eine unsichtbare Gefahr wehren kann, will er doch wenigstens jemanden dafür verantwortlich machen…
Verschwörungstheorien sind der Kern rassistischen Denkens: Zuschreibungen von Stereotypen, von Eigenschaften beispielsweise anhand der Herkunft, der Hautfarbe, des Glaubens. Jede Verschwörungstheorie bedient diese Muster und beinhaltet diese Gefahr.
Und der Prototyp der sinisteren Mächte hinter Seuchen und Katastrophen sind antisemitische Stereotype: Die Brunnenvergifter, die Blutsäufer, die »Weisen von Zion«. In diesem Licht schwingt in der Corona-Verschwörungstheorie, auch wenn Juden namentlich nicht genannt werden, ein antisemitisches Stereotyp mit – von Judenhassern dankbar aufgenommen. Es ist kein Zufall, dass gerade auch Israel als potenzielle Quelle des Virus genannt wird." Link
Der Artikel bezieht sich auf die "unerlaubte Demonstration auf dem Rosa-Luxemburg-Platz". Da muß niemand benannt werden, der jemandem wegen seiner "Herkunft, der Hautfarbe, des Glaubens" das Virus in die Schuhe schiebt oder gar Israel benannt wird.
Auf dem Bild zum Artikel ist ein Mensch zu sehen, der ein Plakat mit dem Slogan "Impfterrorismus" hält. Das muß man nicht für agitatorisch gelungen halten. Man darf auch kritisieren, daß der Vorwurf an Bill Gates, er werbe beständig für Impfungen und investiere in Firmen, die Impfstoffe produzieren, zu kurz ist, um das gegenwärtige Weltgeschehen zu erklären. Man darf das Plakat aber auch sehen als den Versuch, "Informationen in Zusammenhang zu setzen".
Was der Autor hier macht, ist die Neuauflage der Springer-Hetze gegen die langhaarigen Studenten in den 60er Jahren.