In Sachen BMGS traut Rundfunk sich selbst nicht

Nach und nach scheint es so, als ob die "seriö­sen" Medien wenig­stens hin und wie­der kri­ti­sche Positionen zum Corona-Krisenmanagement ver­mel­den kön­nen, ohne panisch rela­ti­vie­rend die offi­zi­el­le Meinung von RKI und Drosten dane­ben ver­mer­ken müssen.

Das gelingt nicht immer. Ein schö­nes Beispiel ist eine Sendung des SWR vom 22.1.2019, also lan­ge vor Corona. Sie hat­te den Titel "Die WHO am Bettelstab: Was gesund ist, bestimmt Bill Gates". Auf sei­ner Webseite kann der Sender die­sen Beitrag nicht unkom­men­tiert las­sen und fügt gleich drei Warnhinweise bei:

SWR warnt vor Fakten 1

SWR warnt vor Fakten 2

SWR warnt vor Fakten 3

Interessant ist das Muster des Faktenchecks. Unsinnige Behauptungen, die kein ernst­zu­neh­men­der Mensch ver­tritt, wer­den wider­legt. Oder ist auf einer ein­zi­gen der "Hygiene-Demos" jemand mit einem Schild gesich­tet wor­den "Bill Gates kauft Charité"?

Was wird Schlimmes in der Sendung behaup­tet? Hier die Zusammenfassung des Senders:

»Reiche Privatspender mani­pu­lie­ren die Politik der WHO, vor allem seit die USA ihren Beitrag zusam­men­strei­chen. Das scha­det Entwicklungsländern – und vie­len armen Kranken.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO wird mitt­ler­wei­le zu 80 Prozent von pri­va­ten Geldgebern und Stiftungen finan­ziert. Größter pri­va­ter Geldgeber ist die Bill und Melinda Gates Stiftung. Seit der Jahrtausendwende hat die Gates-Stiftung der WHO ins­ge­samt 2,5 Milliarden Dollar gespen­det – 1,6 Milliarden davon für die Ausrottung von Polio, Kinderlähmung. Insgesamt gibt die Stiftung jähr­lich vier Milliarden Dollar aus. Das Geld fließt in einen Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria, in die medi­zi­ni­sche Forschung und in Impfpartnerschaften mit Pharmakonzernen.

Die gro­ßen Verdienste der Gates Stiftung sind unbe­strit­ten. Problematisch ist, dass Bill Gates durch sei­ne Stiftungen sei­ne Vorstellung von Gesundheitsförderung durch­setzt. So inve­stiert die Gates Stiftung vor allem in tech­ni­sche Maßnahmen gegen Infektionskrankheiten, zum Beispiel in Impfkampagnen und die Verteilung von Medikamenten. Gesundheitsexperten wie Thomas Gebauer von der Hilfsorganisation Medico International kri­ti­sie­ren, dass dadurch ande­re wich­ti­ge Aufgaben ver­nach­läs­sigt wür­den – der Aufbau funk­tio­nie­ren­der Gesundheitssysteme in armen Ländern zum Beispiel.

Der Kampf gegen sozia­le Ursachen von Krankheit bleibt auf der Strecke

Gesundheit wird nur zu einem gerin­gen Teil durch ärzt­li­ches Handeln beein­flusst. Viel wich­ti­ger sei­en, so Gebauer, die Lebensverhältnisse des Einzelnen. Der Gesundheitsexperte ist über­zeugt: Menschen, die ihre Kindheit in Elendsvierteln ver­brin­gen, haben eine weit gerin­ge­re Lebenserwartung als die­je­ni­gen, die in wohl­ha­ben­den Vierteln auf­wach­sen. Eine Expertenkommission der WHO kam schon in den 80er-Jahren zu dem Ergebnis, dass die mei­sten Todesfälle nicht durch Viren oder Krankheiten ver­ur­sacht wer­den, son­dern durch sozia­le Ungleichheit.

Zweckgebundene Spenden an die WHO füh­ren dazu, dass der Kampf gegen sozia­le Ursachen von Krankheit auf der Strecke blei­ben, kri­ti­siert Thomas Gebauer. Als Geschäftsführer der Menschenrechtsorganisation Medico International beschäf­tigt er sich seit Jahren mit den Strategien glo­ba­ler Gesundheitspolitik.

An der Schweinegrippen-Panik ver­dien­te nur die Pharmaindustrie

Als 2009 die Schweinegrippe aus­brach und ein klei­nes Gremium inner­halb der WHO den glo­ba­len Notstand aus­rief, pro­du­zier­ten die Pharmariesen im Hintergrund schon ihre Impfstoffe. Mit ihren Warnungen vor der Pandemie löste die WHO eine welt­wei­te Panik aus. Dadurch wur­den wie­der­rum die Regierungen unter Druck gesetzt, ihre Lager rasch mit Impfstoffen und Medikamenten gegen die Schweinegrippe zu fül­len. Allein die Bundesregierung kauf­te damals Impfstoffe und Grippemittel im Wert von 450 Millionen Euro. Als die Pandemie aus­blieb, muss­ten die Medikamente ver­nich­tet wer­den. Big Pharma aber hat­te Milliarden ver­dient – auch wenn eine Untersuchungskommission zu dem Schluss kam, die Pharmaindustrie habe die WHO-Entscheidungen zur Schweinegrippe nicht beeinflusst.

Geschäftsgewinne aus Big Food und Big Pharma finan­zie­ren die WHO

Bill Gates erwirt­schaf­tet sei­ne Milliarden durch Kapitalanlagen in bestimm­ten Industriezweigen. Kritiker bemän­geln, dass die­se Branchen alle­samt etwas mit krank­ma­chen­den Bedingungen zu tun haben. So hält die Gates Stiftung Aktien von Coca Cola im Wert von 500 Millionen Dollar und Aktien des welt­größ­ten Supermarktkonzerns Walmart im Wert von einer Milliarde Dollar. Hinzu kom­men Beteiligungen an den Nahrungsmittelkonzernen Pepsi Co, Unilever, Kraft-Heinz, Mondelez und Tyson Foods; an den Alkoholkonzernen Anheuser-Busch und Pernod; an den Pharmakonzernen Glaxo Smith Kline, Novartis, Roche, Sanofi, Gilead und Pfizer.

Die Stiftung hält außer­dem Anteile im Wert von fast zwölf Milliarden Dollar am Berkshire Hathaway Trust des Investors Warren Buffett. Der Trust wie­der­um besitzt Aktien von Coca Cola im Wert von 17 Milliarden Dollar und von Kraft-Heinz im Wert von 29 Milliarden Dollar.

Für die Gates Stiftung bedeu­tet das: Je mehr Profite die genann­ten Konzerne machen, desto mehr Geld kann sie für die WHO aus­ge­ben. Für die WHO heißt das wie­der­rum: Mit jeder Maßnahme gegen gesund­heits­schäd­li­che Aktivitäten der Süßgetränke‑, Alkohol- und Pharmaindustrie wür­de die WHO die Gates Stiftung dar­an hin­dern, Spenden für die WHO zu erwirt­schaf­ten. Kurz, die Weltgesundheitsorganisation steckt in einem klas­si­schen Interessenkonflikt, der sie in ihren Handlungsmöglichkeiten ein­schränkt und der ange­sichts ihrer finan­zi­el­len Abhängigkeit von der Gates Stiftung kaum auf­zu­lö­sen ist.

Aggressives Marketing von zucker‑, fett- und salz­rei­chem Junkfood hat dazu geführt, dass heu­te zwei Milliarden Menschen über­ge­wich­tig sind; 2016 star­ben allei­ne in China 1,3 Millionen Menschen an Diabetes. Vom Einfluss der Nahrungsmittelindustrie auf die WHO und der welt­wei­ten Pandemien Fettleibigkeit und Diabetes pro­fi­tiert der­weil auch Big Pharma. Besonders gewinn­träch­tig sind, unter ande­rem, Medikamente gegen Folgeerkrankungen fal­scher Ernährung. Der welt­wei­te Umsatz mit Diabetes-Medikamenten lag 2017 bei rund 55 Milliarden US-Dollar.

Gesundheitsexperte Thomas Gebauer spricht von einer fast schon per­ver­sen Arbeitsteilung: Die Konzerne ver­die­nen dop­pelt: zum einen mit der Verursachung und zum zwei­tens mit der Behandlung des Problems.

WHO will künf­tig wenig­stens sicht­bar machen, wer Einfluss nimmt

Gaudenz Silberschmidt, WHO-Direktor in Genf, will sich künf­tig für mehr Transparenz ein­set­zen. Er for­dert neue Bestimmungen für das Engagement nicht­staat­li­cher Akteure: Jeder, der mit der WHO zu tun hat, soll in Zukunft sei­ne Karten offen auf den Tisch legen. Damit wäre die WHO die erste UN-Organisation, die von allen Akteuren, mit denen sie zusam­men­ar­bei­tet, den gesam­ten Vorstand, die gesam­te Finanzierungsstruktur und deren Aktivität im Internet publiziert.«

Da der Beitrag über ein Jahr alt ist, müß­ten eini­ge Daten heu­te aktua­li­siert wer­den. Das Gewicht der BMGS an inter­na­tio­na­len Gesundheits­organisationen ist eher grö­ßer; von eini­gen Geschäftsbeteiligungen hat sich die Stiftung getrennt. Wo aber gibt es eine ein­zi­ge Falschdarstellung, vor der der Sender meint, die BesucherInnen der Seite schüt­zen zu müssen?

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