Abgesagte Ruhetage: Welche Rolle spielte der Autogipfel?

Zu ver­kürzt habe ich in einem frü­he­ren Bei­trag davon gespro­chen, daß die Ein­zel­han­dels­frak­ti­on des Kapi­tals zu Mer­kels Wider­ruf der "Oster­ru­he" geführt hät­te. Mit obi­ger Über­schrift ist am 24.3. auf t‑online.de über Est­rich und die "Waag­schla­ge" zu lesen:

»Eine Rol­le gespielt haben dürf­ten jedoch neben den juris­ti­schen Fra­gen auch der Druck der Wirt­schaft. Als Reak­ti­on auf den Beschluss von Bund und Län­dern waren zahl­rei­che Wirt­schafts­ver­bän­de Sturm gelau­fen gegen die Idee zwei­er kurz­fris­tig anbe­raum­ter Ruhetage.

War der Auto­gip­fel ausschlaggebend?
So wies am Diens­tag unter ande­rem der Deut­sche Indus­trie- und Han­dels­kam­mer­tag in einem Posi­ti­ons­pa­pier, das in Ber­lin kur­sier­te und t‑online vor­liegt, auf zahl­rei­che Pro­ble­me hin. "Pro­duk­ti­ons­un­ter­neh­men arbei­ten viel­fach im Ver­bund und ein Abschal­ten der Pro­duk­ti­on in der Indus­trie ist so kurz­fris­tig ist nicht mög­lich", heißt es dar­in. "Auch Bau­stel­len­be­trei­ber, die z.B. ihren Est­rich bestellt haben, und der gelie­fert wird, kön­nen ihn nicht plan­mä­ßig ver­wen­den, was zusätz­li­che Kos­ten auslöst."

Mehr gemun­kelt als laut aus­ge­spro­chen wird in die­sem Zuge auch, dass die für Deutsch­lands Wirt­schaft wich­ti­ge Auto­in­dus­trie ihr Gewicht in die Waag­schla­ge [sic] gewor­fen haben könn­te: Am Diens­tag­abend tausch­ten sich die Chefs der gro­ßen Her­stel­ler mit Kanz­le­rin Mer­kel regu­lär beim soge­nann­ten Auto­gip­fel aus…

"Plötz­li­che Betriebs­still­le­gun­gen sind für eine inter­na­tio­nal ver­netz­te Wirt­schaft nicht dar­stell­bar", sag­te die Prä­si­den­tin des Ver­bands der Deut­schen Auto­mo­bil­in­dus­trie, Hil­de­gard Mül­ler, am Diens­tag nach dem Gipfel.

Ent­spre­chend posi­tiv äußer­te sie sich am Mitt­woch. "Einen Feh­ler ein­zu­räu­men, zeugt von Grö­ße", so Mül­ler.«

Frau Müller sagt Merkel, wo es lang geht

So haben sich offen­bar die Macht­ver­hält­nis­se umge­kehrt. Frau Mül­ler war lan­ge Zeit als Staats­mi­nis­te­rin enge Ver­trau­te von Ange­la Mer­kel (und in die­ser Funk­ti­on z.B. an den Ver­hand­lun­gen zur Gesund­heits­re­form (!) beteiligt).

Zu Hil­de­gard Mül­ler gibt es Nähe­res in Kein Irr­sinn, son­dern Metho­de.

19 Antworten auf „Abgesagte Ruhetage: Welche Rolle spielte der Autogipfel?“

  1. Genau so habe ich mir das vor­ge­stellt. Anders hät­te es auch nicht sein kön­nen. Als ob es um etwas ande­res gegan­gen wäre als Kon­zern­in­ter­es­sen. Kapi­ta­lis­mus ist eine Gesell­schafts­ord­nung . Dem­entspre­chend regiert das Kapital.

  2. Mir ist das so ziem­lich egal, wer da die Absa­ge ver­an­lasst hat. Frau Mül­ler oder Herr Mai­er, erst­mal ist mir wich­tig das die­ser Mist abge­sagt ist. Und ich hof­fe mir mehr von die­sen Absagen.
    Trotz­dem ist der Hin­weis auf Frau Mül­lers Hin­ter­grund wich­tig. Dan­ke dafür.

    1. Ich erhof­fe mir v.a. eine Absa­ge für Rei­se­ver­bo­te für Deut­sche ins Aus­land das kom­plet­te Jahr 2021, wie es Mer­kel kürz­lich in einer PK sagte!!!

  3. 29.11.2019 ◦ Der Tagesspiegel 

    Hil­de­gard Mül­ler wird Che­fin der Auto­lob­by

    Nach lan­ger Suche besetzt die Auto­bran­che die Spit­ze ihres Lob­by­ver­ban­des VDA neu. Hil­de­gard Mül­ler gilt als gut ver­netzt in der Poli­tik und bei Verbänden. 

    (…) Die 52 Jah­re alte Mül­ler war bis Okto­ber Netz­che­fin des Ener­gie­kon­zerns Inno­gy, eines der größ­ten Betrei­ber von Lade­säu­len für Elek­tro­au­tos in Deutsch­land. Davor war sie knapp acht Jah­re lang Vor­sit­zen­de der Haupt­ge­schäfts­füh­rung des Bun­des­ver­bands der Ener­gie- und Was­ser­wirt­schaft (BDEW).

    (…) Von 1998 bis 2002 führ­te sie – als bis­lang ein­zi­ge Frau – die Jun­ge Uni­on. Von 2005 an war sie Staats­mi­nis­te­rin im Bun­des­kanz­ler­amt und als sol­che zustän­dig unter ande­rem für die Bund-Län­der-Bezie­hun­gen. (…)

    https://​www​.tages​spie​gel​.de/​w​i​r​t​s​c​h​a​f​t​/​f​r​u​e​h​e​r​e​-​c​d​u​-​p​o​l​i​t​i​k​e​r​i​n​-​h​i​l​d​e​g​a​r​d​-​m​u​e​l​l​e​r​-​w​i​r​d​-​c​h​e​f​i​n​-​d​e​r​-​a​u​t​o​l​o​b​b​y​/​2​5​2​8​5​4​1​0​.​h​tml

    25.03.2021 ◦ DVZ ◦ Deut­sche Ver­kehrs-Zei­tung ("Die DVZ infor­miert markt­nah über die aktu­el­len Ent­wick­lun­gen der Trans­port- und Logistikbranche") 

    Ange­sichts geplan­ter Grenz­kon­trol­len war­nen die Auto- und Güter­trans­port­bran­che vor unter­bro­che­nen Lie­fer­ket­ten in der Pro­duk­ti­on sowie vor Eng­päs­sen im Han­del. Vie­le Auto­tei­le wür­den aus Öster­reich und Tsche­chi­en direkt ans Mon­ta­ge­band deut­scher Stand­or­te gelie­fert, sag­te Hil­de­gard Mül­ler, Prä­si­den­tin des Ver­ban­des der Auto­mo­bil­in­dus­trie (VDA)

    (…) Der Bun­des­ver­band Güter­ver­kehr, Logis­tik und Ent­sor­gung (BGL) for­der­te eine prak­ti­ka­ble Test­stra­te­gie. „Wer ohne Aus­nah­me für den Güter­ver­kehr nega­ti­ve Coro­na-Tests vor der Ein­rei­se for­dert, muss auch dazu sagen, wo man die­se Tests machen kann“, monier­te Vor­stands­spre­cher Dirk Engel­hardt. Nötig sei­en rasch Test­zen­tren an den Gren­zen. Zudem soll­ten Schnell­tests von Lkw-Fah­rern ohne ärzt­li­che Beschei­ni­gung akzep­tiert wer­den. Sonst blie­ben vie­le Super­markt-Rega­le leer, weil Lkw-Fah­rer fehl­ten, warn­te Engelhardt. 

    https://www.dvz.de/dossiers/coronavirus/detail/news/coronavirus-news-update‑1.html

  4. Was natür­lich der Ver­schwö­rungs­theo­rie Nah­rung gibt, dass der Coro­na-Lock­down zur erfor­der­li­chen Umstruk­tu­rie­rung der deut­schen Export-Indus­trie gedacht ist.
    https://www.sueddeutsche.de/politik/autogipfel-corona-krise-corona-hilfen-autoindustrie-altmaier‑1.5118881
    Vom November:
    "Wie gefähr­lich die kom­men­den Mona­te für Deutsch­lands größ­te Indus­trie wer­den? Eine Pres­se­kon­fe­renz vor dem Auto­gip­fel am Diens­tag­abend lie­fert tie­fe Ein­bli­cke. Dies sei kein Gip­fel wie jeder ande­re, sagt Wirt­schafts­mi­nis­ter Peter Alt­mai­er (CDU). Meh­re­re Mil­lio­nen Jobs hin­gen in Deutsch­land vom Flo­rie­ren die­ser Spar­te ab. Nun ste­he sie vor der größ­ten Her­aus­for­de­rung ihrer Geschich­te, sagt Alt­mai­er. Denn die Coro­na-Kri­se tref­fe auf einen radi­ka­len Wan­del der Antriebs­tech­no­lo­gien, auf Digi­ta­li­sie­rung und Auto­ma­ti­sie­rung. "Wir müs­sen hel­fen", sagt der Minister."

    Wird alles nichts hel­fen, wenn die Kon­su­men­ten nicht in Urlaub fah­ren, mit Kurz­ar­bei­ter­geld oder gar kei­nem Geld aus­kom­men müs­sen. Und sich der Digi­ta­li­sie­rung ver­wei­gern, weil sie die Nase voll haben.

    1. @B.M.Bürger: Das ist eben einer der uralten Wider­sprü­che des Kapi­ta­lis­mus. Schon Ford wuß­te: "Autos kau­fen kei­ne Autos". Des­halb wur­den in frü­he­ren Pha­sen die Arbei­ten­den so gut bezahlt, daß sie als Kon­su­men­tIn­nen agie­ren konn­ten, vor allem aber das Maul hiel­ten. Auch mit Hil­fe der "Künst­li­chen Intel­li­genz", die seit Jah­ren eine wach­sen­de Rol­le gera­de in der Auto­mo­bil­in­dus­trie spielt, soll aber immer weni­ger leben­di­ge Arbeits­kraft in die Pro­duk­ti­on ein­ge­hen. Eine Fol­ge ist das Schwin­den der Zahl der Kon­su­men­tIn­nen. Nach Schwab sol­len die mit einem Grund­ein­kom­men ruhig gestellt wer­den, damit die Pro­fit­ma­schi­ne wei­ter läuft. Gut wäre also zu fra­gen, was wol­len wir wirk­lich pro­du­zie­ren und wie soll ver­teilt wer­den? Das hie­ße schlu­ßend­lich, den Kapi­ta­lis­mus abzulösen.

      1. :-)) Des­halb die Rück­kehr zum Feu­da­lis­mus. Vie­le Dienst­skla­ven arbei­ten für die Aris­to­kra­tie und wer­den digi­tal über­wacht. Böse Zun­gen behaup­ten, dafür wür­de dann der größ­te Teil der Mensch­heit nicht benö­tigt. Sie müs­sen uns nur noch das Gehirn wegimp­fen, dann machen wir es mit.

        Im rea­len Leben jen­seits der Super­rei­chen wur­de jetzt das hier erreicht:
        https://​www​.faz​.net/​a​k​t​u​e​l​l​/​w​i​r​t​s​c​h​a​f​t​/​e​u​-​a​u​f​b​a​u​f​o​n​d​s​-​s​c​h​r​i​t​t​-​i​n​-​d​i​e​-​f​i​s​k​a​l​u​n​i​o​n​-​1​7​2​6​3​2​8​0​.​h​tml
        Mei­ne Mei­nung dazu: Es war über­fäl­lig, die "schwä­bi­sche Haus­frau" in den Ruhe­stand zu schi­cken. Die CDU ist jetzt wohl damit her­aus­ge­rückt, solan­ge noch ein biss­chen Covid-Angst da ist und bevor sie end­gül­tig unter 20 Pro­zent sind. Wahr­schein­lich den­ken sie, sie könn­ten dann nach dem Ver­lust eines Groß­teils ihrer Anhän­ger wie­der auf Kos­ten der SPD berg­auf schreiten.
        Mei­ne Mei­nung: eher nicht. Wir wer­den fünf cir­ca 20 Pro­zent Par­tei­en haben minus viel­leicht ein paar neue.

  5. Eine freie Gesell­schaft braucht eine freie Wirt­schaft. Auch Marx dach­te nie an eine Plan­wirt­schaft, Ver­ge­sell­schaf­tung des Kapi­tals meint etwas anderes. 

    Mer­kel aber hat die DDR im Kopf und meint, Wirt­schaft pla­nen zu kön­nen. Dabei hat die Phy­si­ke­rin von der Real­wirt­schaft offen­sicht­lich nicht die gerings­te Ahnung. Eigent­lich hät­te Alt­mai­er hier ein­grei­fen sol­len, bei der grund­ge­setz­wid­ri­gen Minis­ter­prä­si­den­ten­kon­fe­renz ist er aber nicht dabei. Ohne­hin scheint er als Coro­na­pa­ni­ker oder auch als Gre­at Reset­ter unter­wegs zu sein, auf jeden Fall nicht als Schirm­herr des Mittelstandes. 

    Hier zeigt sich das gan­ze, bru­ta­le Ver­sa­gen sämt­li­cher Regie­ren­den: Seit Ste­phan Kohns Papier hät­te jeder Minis­ter und jeder Minis­ter­prä­si­dent wis­sen /müssen/, dass hier ein ums ande­re Mal schwie­ri­ge Abwä­gun­gen vor­zu­neh­men wären. Kohns Papier ist immer noch aktu­ell. Durch des­sen Nicht­be­ach­tung laden die Ver­ant­wort­li­chen Tag für Tag mehr Schuld auf sich.

    1. Die Chi­ne­sen pla­nen erfolg­reich. Des­we­gen ja die neue Aus­rich­tung an dem Vorbild.
      Wobei da unse­re Poli­ti­ker ver­mut­lich auch ein biss­chen chi­ne­si­scher Pro­pa­gan­da auf­ge­ses­sen sind.

      1. @B.M.Bürger: "Die Chi­ne­sen pla­nen erfolg­reich". Gemeint ist ver­mut­lich: Die chi­ne­si­sche herr­schen­de Klas­se plant erfolg­reich für sich. Was das für die chi­ne­si­schen Bür­ge­rin­nen und Bür­ger (so weit man die Beherrsch­ten so nen­nen darf) heißt, ist jeden Tag in den Epoch Times nachzulesen.

  6. Noch Umbau der Auto­in­dus­trie – wenn die Groß­in­dus­trie glaubt, sie könn­te gegen einen selbst­be­wuss­ten Mit­tel­stand gewin­nen, haben sie sich geschnit­ten. So ein Elek­tro­au­to ist nicht viel mehr als Bat­te­rie, Com­pu­ter, ein biss­chen Gum­mi und Blech. Und das kann jeder.
    https://www.businessinsider.de/tech/ein-professor-aus-aachen-hat-ein-e-auto-fuer-unter-16000-euro-gebaut-2019–2/
    Mir hat übri­gens auch ein Archi­tekt erzählt, dass er Häu­ser für jeden Preis bau­en kann, das Pro­blem wäre der Inves­tor, der Geld ver­die­nen möchte.

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