Corona-Maßnahmen, ein Marathonlauf und kolossale Unfähigkeit der Behörden bei den letzten Wahlen in Berlin werden wohl zu einer kompletten Neuwahl führen. Auf welt.de ist dazu am 28.9. zu lesen (Bezahlschranke):
»Mit einer derart deutlichen Stellungnahme des Gerichts hatten die wenigsten Beobachter gerechnet: Der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin hält nach einer vorläufigen Einschätzung eine vollständige Wiederholung der Wahl zum Abgeordnetenhaus der Hauptstadt für erforderlich. Es habe bei der Wahl am 26. September 2021 eine derartige Vielzahl von mandatsrelevanten Wahlfehlern gegeben, dass nur eine vollständige Wiederholung einen verfassungskonformen Zustand herbeiführen könne, sagte Gerichtspräsidentin Ludgera Selting am Mittwoch in der mündlichen Verhandlung zur Überprüfung mehrerer Einsprüche gegen die Gültigkeit der Wahl. Gleiches gilt für die Wahlen zu den Berliner Bezirksverordnetenversammlungen.
Das Gericht war in einem Hörsaal der Freien Universität zusammengekommen, da neben den Beschwerdeführern auch alle gewählten Abgeordneten und nicht gewählten Bewerber die Möglichkeit hatten, teilzunehmen. „Es handelt sich um die bislang größte Gerichtsverhandlung dieser Art in Berlin“, sagte eine Gerichtssprecherin.
Die Präsidentin trug dann schwerwiegende Wahlfehler vor. Insgesamt hätten Tausende Wähler ihre Stimme nicht, nicht wirksam, nicht unbeeinflusst oder nicht unter zumutbaren Bedingungen abgeben können. Dies stelle eine Beeinträchtigung der Freiheit und Gleichheit der Wahl dar. So seien 1066 von 2256 Wahllokalen nach 18 Uhr geöffnet gewesen, insgesamt 350 zusätzliche Stunden. Wegen fehlender Stimmzettel seien Wahllokale insgesamt länger als 83 Stunden geschlossen gewesen, wodurch in dieser Zeit keine Stimmabgabe möglich war…
„Das Vertrauen in die Demokratie würde dauerhaft und schwer beschädigt werden, sollten diese nicht korrigiert werden“, sagte Gerichtspräsidentin Selting. Anzulasten seien die Versäumnisse der Landeswahlleitung. Die unzureichende Vorbereitung stelle bereits selbst einen Wahlfehler dar. So sei nicht sichergestellt worden, dass für jeden Wahlberechtigten ein Zugang unter zumutbaren Bedingungen zu einer Präsenzwahl bestehe. Die Wahlleitung habe die notwendige Anzahl von Wahlkabinen nicht oder fehlerhaft ermittelt, so das Gericht…
Die Senatsinnenverwaltung wies die vorläufige Rechtsauffassung des Gerichtshofs deutlich zurück. Diese weiche von den Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts und der anderen Landesverfassungsgerichte ab, sagte Rechtsanwalt Ulrich Karpenstein. Vorbereitungsmängel könnten im Wahlprüfungsverfahren nur dann relevant sein, wenn es um nachgewiesene Wahlfehler geht…«
Über die Anfechtung der Bundestagswahl durch den Bundeswahlleiter wird erst noch entschieden.
Auszug:
Was wäre der Worst Case?
Dass wir in halb Europa mal drei Monate ohne Strom sind—und das mitten im Winter. Dann haben wir auch keine Gasheizung, weil die ja auch Strom braucht. Dann sitzt man wirklich da und friert. Viele würden erfrieren.
Gelten Gesetze noch, wenn Menschen um ihr Leben fürchten müssen?
Mit sozialen Unruhen und Plünderungen muss man rechnen. Wir können uns nicht vorstellen, was passiert, wenn die Städte nachts dunkel sind. Wissenschaftler prophezeien, dass dann zwar keine Einbrüche stattfinden, weil jeder weiß, dass die Menschen zu Hause sind. Aber Überfälle werden zunehmen, weil dann keine Alarmanlage mehr funktioniert.
In welchem Bereich fürchten Sie die größten Probleme?
Bei der Wasserversorgung. Berlin hat zwar eine Reihe von Notbrunnen, und das THW kann Wasser aus der Spree aufbereiten. Aber das Trinkwasser wird knapp werden: Und dann bleibt die Frage, was passiert, wenn die Klospülungen nicht mehr funktionieren. Es wird sehr bald stinken.
Was macht man dann?
Zum Pullern müssen Sie in den Garten gehen. Oder das Zeug im Eimer auffangen und nach unten bringen. Es ist dann wie im Mittelalter.
Sie selbst haben einmal gesagt, Sie hätten auch Vorräte an Whisky und Wodka angelegt.
Damit kann man alles besser überstehen.
https://www.t‑online.de/region/berlin/id_100054844/blackout-gefahr-in-berlin-thw-praesident-mit-unruhen-und-pluenderungen-rechnen-.html
Normalerweise hätte ich behauptet, dass sich das Ergebnis nicht ändern würde.
Allerdings gehe ich in der derzeitigen Situation davon aus, dass einige Scheine anders ausgefüllt werden würden, wenn es denn zu einer Wiederholung kommen sollte.
Von daher gehe ich von einer diplomatischen Entscheidung des Wahlleiters aus.
Damit ist die derzeitige, amtierende Berliner Regierung illegitim. Da sie von einem Abgeordnetenhaus bestimmt wurde, das nicht ordnungsgemäß gewählt wurde.
Was bedeutet dies nun für die von ihr verabschiedeten und angeordneten Verordnungen und Maßnahmen? Können zum Beispiel auf dieser Grundlage verhängte Bußgelder angegriffen oder schlicht ignoriert werden?
Aber bevor die Hauptstadt noch führungslos dastehst, lässt man diese illegitime Regierung natürlich bis zu den möglichen Neuwahlen einfach weiter wurschteln. Und wer das kritisiert, der ist bestimmt wieder ein Verfassungsfeind, der den Staat delegitimiert. So geht Demokratie heute.
@King Nothing: Da vollständiges Zitieren rechtlich immer eine heikle Sache ist, mußte ich kürzen (was immer auch problematisch ist). Dabei ist diese Passage weggefallen:
»Das Gericht erklärte in der vorläufigen Einschätzung, dass alle Rechtsakte des Abgeordnetenhauses seit der Wahl wirksam bleiben. Das Parlament sei zur „Sicherstellung der Kontinuität staatlichen Handelns“ weiter berechtigt, seine Aufgaben wahrzunehmen.«
@aa: Danke für den Nachtrag. Pragmatismus schlägt Demokratie. Es war ja auch nicht anders zu erwarten.
@aa: "Das Gericht" meint also ein illegitim zustandegekommenes Parlament kann legitime Entscheidungen fällen. Warum werden dann die Wahlen noch mal wiederholt wenn doch die "Sicherstellung der Kontinuität staatlichen Handelns" so oder so sichergestellt ist? Legal-illegal‑S***egal oder wie?
Ohne Jura studiert zu haben, aber bei der "Sicherstellung der Kontinuität staatlichen Handelns" geht es darum das ein Parlament oder eine Regierung die abgewählt worden sind, oder zurückgetreten ist, solange weitermacht, bis eine neues Parlament, Regierung gewählt worden ist. Man nennt das auch "Geschäftsführend im Amt".
Diese Vorschrift zu mißbrauchen um ein illegitmen Parlament Legitimität zu verleihen kommt in meinen Augen schon einen Rechtsbruch gleich und legitimiert nachträglich Fälschungen. Mit entsprechenden Konsequenzen, denn warum soll es korrekte Wahlen geben wenn es auch nichtkorrekt geht.
Nach EINEM Jahr kommt man zu diesem vorläufigen Ergebnis.
Perfektion triumphiert über Geschwindigkeit.
In der Politik ist es genau anders herum.
Oder geht es um die perfekte Verzögerung?
Das finde ich ja großartig, dass wir unsere Wahlgesetzgebeung so diplomatisch auslegen können! – Was unterscheidet dann die "Neuwahl" eigentlich von einer großangelten INSA-Umfrage, die den Regierenden die Möglichkeit der zwischenzeitlichen Not-Anpassung ihres Handelns an die augenblickiche Stimmung von potenziellen Wählern gibt?
Danke, dass sie es humorvoll Scheinreferendum genannt haben