"Big Brother wurde in der Corona-Zeit ein Freund und Partner"

Heri­bert Prantl wird es auch um PR für sein neu­es Buch gehen. Und es wird auch dies­mal Kom­men­ta­re geben, die (zu Recht) kri­ti­sie­ren, daß er in sei­ner Kri­tik nicht weit genug geht. Den­noch sei hier aus­zugs­wei­se dar­ge­stellt, was er auf welt​.de schreibt:

»Coro­na hat geschafft, was die Welt­krie­ge nicht geschafft haben

Wir haben erlebt, dass der Staat sehr detail­lier­te und klein­tei­li­ge Regeln erlas­sen hat, um die Bür­ge­rin­nen und Bür­ger vor Coro­na und vor sich selbst zu schüt­zen. Auf sehr klein­ka­rier­tem Papier, auf Mil­li­me­ter-Papier qua­si, war ein­ge­zeich­net, was die Bür­ge­rin­nen und Bür­ger gera­de dür­fen und was nicht. Das Leben der Men­schen wur­de, wie man das sonst mit Geschen­ken und Geschenk­pa­pier macht, in die­ses Mil­li­me­ter­pa­pier eingewickelt.

Noch nie in der Geschich­te der Bun­des­re­pu­blik ist das Leben der Men­schen außer­halb von Gefäng­nis­sen so strikt regu­liert wor­den wie in der Coro­na-Zeit. Jede ein­zel­ne der vie­len Ver­bots- und Kon­troll­re­geln hät­te in ande­ren Zei­ten zu Auf­stän­den geführt. In der Coro­na-Zeit wur­den sie über­wie­gend akzep­tiert, begrüßt, ja es wur­den sogar noch Ver­schär­fun­gen gefor­dert, weil man sich davon Sicher­heit und Gesund­heit versprach.

Die Sicher­heits­ge­set­ze, die zur Zeit des Ter­ro­ris­mus ver­hängt wur­den, fan­den in der Coro­na-Zeit nicht nur ihre begrüß­te Fort­set­zung, son­dern ihre will­kom­me­ne Poten­zie­rung. Der israe­li­sche His­to­ri­ker Yuval Noah Hara­ri meint daher: In fünf­zig Jah­ren wer­den sich die Men­schen gar nicht so sehr an die­se Epi­de­mie erin­nern; statt­des­sen wer­den sie im schlimms­ten Fall sagen, dass im Jahr 2020 mit­hil­fe der Digi­ta­li­sie­rung die all­ge­gen­wär­ti­ge Über­wa­chung durch den Staat begann…

Der Big Brot­her, also der Prä­ven­ti­ons­staat, der sich zuvor mit Video- und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­über­wa­chung, Vor­rats­da­ten­spei­che­rung und Gen-Datei­en bei vie­len ver­däch­tig gemacht hat­te, wur­de in der Coro­na-Zeit ein Freund und Part­ner. Und nicht weni­ge schau­ten mit sehn­süch­ti­gen Augen nach Fern­ost, wo der Big Brot­her, zur Prä­ven­ti­on und Repres­si­on von Coro­na, noch viel big­ger ist als in Europa…

Coro­na, die Angst davor und die Maß­nah­men zum Schutz vor Covid-19 haben geschafft, was die Welt­krie­ge nicht geschafft haben: Selbst die Kir­chen wur­den geschlos­sen, Hoch­zei­ten und Tau­fen fie­len aus, Fir­mun­gen wur­den abge­sagt und Kon­fir­ma­tio­nen; Beer­di­gun­gen durf­ten nur noch im kleins­ten Kreis statt­fin­den. Der Aus­nah­me­zu­stand lug­te nicht mehr nur um die Ecke, er war da. Und es herrsch­te eine all­ge­mei­ne Stil­le, auch darüber.

Vor dem Lock­down des wirt­schaft­li­chen und gesell­schaft­li­chen Lebens im Früh­jahr kam der poli­ti­sche Selbst-Lock­down des Par­la­ments. Der Bun­des­tag hat es ermög­licht, dass von der Exe­ku­ti­ve Rechts­ver­ord­nun­gen erlas­sen wer­den kön­nen, die von den Geset­zen abwei­chen. Auf die­se Wei­se ist in den Coro­na-Mona­ten eine unter­ge­setz­li­che Par­al­lel­rechts­ord­nung ent­stan­den. Das hat ungu­te Aus­wir­kun­gen; zu die­sen Aus­wir­kun­gen gehö­ren auch die zum Teil völ­lig irra­tio­na­len Pro­tes­te gegen die staat­li­che Pandemiebekämpfung…

Der Bun­des­tag hat es bil­li­gend in Kauf genom­men, dass mit klei­nem unter­ge­setz­li­chem Recht gro­ße fun­da­men­ta­le Ent­schei­dun­gen getrof­fen wur­den. Mit begrün­dungs­lo­sen Ver­ord­nun­gen hat die Ver­wal­tung die Ver­samm­lungs- und Reli­gi­ons­frei­heit auf­ge­ho­ben, die Frei­zü­gig­keit abge­schal­tet, gewerb­li­che Tätig­kei­ten mas­siv beein­träch­tigt, das Recht auf Bil­dung und Erzie­hung ver­dünnt; alte und behin­der­te Men­schen wur­den nur noch unzu­rei­chend versorgt…

Die Mensch­heit steht ängst­lich und ver­wirrt da, und es gibt kei­nen Reset-Knopf. Die alten Kri­sen wer­den nicht bewäl­tigt sein, wenn Coro­na bewäl­tigt ist. Die Gewalt der Coro­na-Wel­len besteht auch dar­in, dass sie lebens- und über­le­bens­wich­ti­ge imma­te­ri­el­le Güter fort­spü­len, näm­lich das Ver­trau­en und die Hoff­nung. Müdig­keit, Pes­si­mis­mus und Ver­zweif­lung grassieren…

Coro­na hat Kon­flik­te ver­schärft. Die Fra­ge nach dem Stel­len­wert des Rechts auf Leben – sie war schon durch das Ster­ben der Flücht­lin­ge im Mit­tel­meer drän­gend. Die Fra­gen nach der Not­wen­dig­keit mas­si­ver staat­li­cher Ein­grif­fe und nach der Rol­le des Par­la­ments dabei – sie waren schon in der Ban­ken­kri­se drän­gend und sie wer­den es erst recht in der Kli­ma­kri­se sein. Die Fra­ge nach der Samm­lung und der Nut­zung von Daten – sie war schon nach den Ent­hül­lun­gen von Edward Snow­den drän­gend. So kann man die Fra­gen wei­ter auf­zäh­len, und es ist müh­sam, furcht­bar müh­sam, Ant­wor­ten zu finden.

Aber eines ist durch Coro­na auch deut­lich gewor­den: Wel­che Ant­wor­ten auch immer gesucht und gefun­den wer­den, das Suchen und Fin­den darf kein auto­ri­tä­res wer­den, es muss ein demo­kra­ti­sches Suchen und Fin­den blei­ben bezie­hungs­wei­se ein demo­kra­ti­sches Suchen und Fin­den wer­den. Es muss mit dem Wis­sen ein­her­ge­hen, dass es immer eine Viel­heit von Stim­men und Alter­na­ti­ven, dass es den müh­sa­men Weg des Hörens, Ver­ste­hens und Aus­han­delns gibt – der nicht dadurch ersetzt wer­den kann, dass man sich auf „das Volk“ oder „die Wis­sen­schaft“ beruft, auf „die Ver­nunft“ auf „die Gesund­heit“ oder auf die „Alter­na­tiv­lo­sig­keit“…

Blei­ben Sie gesund! Was ist eigent­lich Gesund­heit? Der Wunsch wird einem ja ent­bo­ten und hin­ter­her­ge­ru­fen, egal ob man kern­ge­sund ist, egal, ob man an Dia­be­tes, Depres­si­on, Band­schei­ben­vor­fall lei­det oder man gera­de zwi­schen sei­nen Che­mo­the­ra­pien steckt – als bestün­de Gesund­heit schon dar­in, frei vom Virus zu sein. Ist Gesund­heit die Abwe­sen­heit von Krank­heit? Oder die Immu­ni­tät gegen sie? So ein asep­ti­sches Ver­ständ­nis von Gesund­heit kann krank machen, es kann das Lei­den derer ver­grö­ßern, die nicht geheilt wer­den können…

Das Pri­va­ti­sie­ren und Spa­ren im Pfle­ge- und Gesund­heits­we­sen war eine Ver­ir­rung und gehört zur erwähn­ten Poli­tik der angeb­li­chen Alter­na­tiv­lo­sig­keit. Die Coro­na-Wel­len haben die­sen Dreck sicht­bar gemacht. Aber not­wen­dig im Sin­ne von Not wen­dend ist auch ein gewis­ses Maß an Akzep­tanz, dass das Leben sterb­lich ist, und die Kraft der Hoff­nung – also ein gesun­der Opti­mis­mus, der Bedro­hung zum Trotz…«

5 Antworten auf „"Big Brother wurde in der Corona-Zeit ein Freund und Partner"“

  1. Vie­le Lin­ke soll­ten sich lang­sam mal fra­gen, ob sie wirk­lich irgend­wann als Letz­te an der Sei­te die­ser Regie­rungs­li­nie ste­hen wol­len, oder ob das nicht eine Belei­di­gung ihrer eige­nen Wer­te und Vor­stel­lun­gen dar­stellt. Auch der »Feind« kann mal Recht haben … Das schei­nen vie­le heu­te nicht mehr wis­sen zu wol­len. Frei nach dem Mot­to: Wenn Kon­ser­va­ti­ve und Libe­ra­le gegen etwas sind, sind wir auto­ma­tisch dafür. So geht das alles nicht.

    1. @ Felix
      "Wenn Kon­ser­va­ti­ve und Libe­ra­le gegen etwas sind, sind wir auto­ma­tisch dafür." Dar­auf will ich mit Hes­se antworten:
      "Es kann einer in jeder Par­tei unter jedem Dog­ma der Welt ein
      guter oder schlech­ter Mensch sein, das war immer so, und ist ja
      eigent­lich eine Bin­sen­wahr­heit. Dies eine , glau­be ich , wer­den Sie
      in den jet­zi­gen Zwei­feln für immer ler­nen kön­nen: daß Per­son und Pro­gramm nicht das­sel­be sind, und daß man an Geg­nern, ja an erklär­ten Fein­den mehr Freu­de haben kann, als an
      Gesin­nungs­ge­nos­sen.“ Hesse
      Ich habe in frü­hes­ter Jugend (Jahr­gang 1937( ver­mit­telt bekom­men, vor­sich­tig mit Vor­ur­tei­len zu sein.
      Heu­te ist es so, wenn man sei­ne eige­ne Mei­nung ver­tritt und die nicht über­ein­stim­mend ist mit links , grün schwarz oder rot ein Rechts­ra­di­ka­ler oder ein Nazi ist.
      Ich habe das Gefühl, dass die­se Men­schen gar nicht mehr die Bedeu­tung die­ses Wor­tes ken­nen und dar­um so leich­fer­tig damit her­um­wer­fen. Es ver­liert dar­um an Bedeutung.
      Den­ken Sie an Bos­bach , ein kon­ser­va­ti­ver Poli­ti­ker, der ganz schnell zum rechts­ra­di­ka­len Mutan­ten erkärt wurde.

  2. "Es muß ein demo­kra­ti­sches Suchen und Fin­den blei­ben- bzw. ein demo­kr­ti­sches Suchen und Fin­den werden."
    Was haben Sie sich bei die­sem from­men Spruch gedacht ?

    Das demo­kra­ti­sche Suchen und fin­den hat seit lan­gem aus­ge­dient. Und nicht erst seit Coronazeiten. 

    Irgend­wo haben Sie geschrie­ben, dass Sie ans Grund­ge­setz glau­ben bzw. das Grund­ge­setzt für Sie maß­ge­bend ist. 

    Aber das Grund­ge­setzt ist doch längst außer Kraft gesetzt wor­den aa und zwar durch eine Frau, die seit Jah­ren das Grund­ge­setzt mit Füs­sen tritt.
    Der Coro­na-Lock­down wur­de von Anfang an mit Gleich­ge­sinn­ten im dunk­len Käm­mer­lein bequatscht.
    Exis­ten­ten­zen gehen täg­lich den Bach runter.
    Wen inter­es­siert das ?
    Etwa die Lin­ken oder die Grü­nen ? Von den ande­ren Eta­blier­ten gar nicht zu reden. Wer ist bereit zu tei­len, wenn er trotzz Coro­na ein gutes Gehalt z. B. wie unse­re Kri­mi­nel­len oder eine eine gute Ren­te bekommt? Ich kann nur noch kotzen.
    Und dies von jedem Idio­ten hin­ter­her­ge­ru­fe­ne "Blei­ben sie gesund" – ich erle­be das auch – grenzt schon an Per­ver­si­tät. Denen ist doch scheiß­egal, wie es mir geht.
    Und war­ten Sie mal ab es kommt wird noch dicker.…..
    denn die Aas­gei­er haben Blut gelockt…

    1. Bit­te um Ent­schul­di­gung. Berich­ti­gung der bei­den let­zen Sätze:
      "Und war­ten Sie mal ab, es wird noch dicker kom­men, denn die Aas­gei­er haben Blut geleckt.…"

  3. Stand der Dis­kus­si­on über Social Cre­dit Sys­te­me 03/20: Doris Fischer: Es gibt in der Öffent­lich­keit ein gro­ßes Inter­es­se am Sozi­al­kre­dit­sys­tem und einen Bedarf, es zu ver­ste­hen. Vie­le ahnen, dass es nicht auf Chi­na beschränkt ist, son­dern das The­ma auch auf unse­re Gesell­schaft zukom­men wird. https://​www​.bidt​.digi​tal/​s​o​z​i​a​l​p​u​n​k​t​e​s​y​s​t​em/

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