Corona: Fußnägel wachsen ein

Das hört sich flap­sig an, ist aber ein erns­tes Pro­blem in Pfle­ge­hei­men, wie dem Arti­kel »FUSSPFLEGE – "Gefahr in Ver­zug" im Alten­heim"« vom 27.1. auf volks​stim​me​.de zu ent­neh­men ist:

»…„Die Fuß­pfle­ge ist in den Alten­pfle­ge­hei­men nicht die Auf­ga­be der Mit­ar­bei­te­rin­nen“, erklärt Andre­as Cos­mar, geschäfts­füh­ren­der Vor­stand des Dia­ko­nie­ver­eins Bis­mark, des Trä­gers der evan­ge­li­schen Alten­pfle­ge­hei­me „Neue Hei­mat“ und „Haus der Sin­ne“. „Die­se Leis­tung wird extern ver­ge­ben.“ So küm­mer­ten sich vor Coro­na in den bei­den Bis­mar­ker Alten­pfle­ge­hei­men ins­ge­samt drei Kos­me­ti­ke­rin­nen um die Fuß­pfle­ge. Alle drei dür­fen aber der­zeit die not­wen­di­ge Behand­lung der Bewoh­ner nicht vornehmen.

Fuß­nä­gel wach­sen ein
Wegen der feh­len­den Fuß­pfle­ge „sei­ner Bewoh­ner“ sieht Andre­as Cos­mar eine „Gefahr in Ver­zug“. Die Fuß­nä­gel wach­sen ein, die Füße der Bewoh­ner wer­den nicht mehr kon­trol­liert und Krank­hei­ten nicht mehr recht­zei­tig fest­ge­stellt. Die Bewoh­ner haben ver­mehrt Schmer­zen, wenn sie sich bewe­gen möch­ten. Die Podo­lo­gen-Rege­lung in der Ein­däm­mungs­ver­ord­nung sieht Cos­mar nicht nach­voll­zieh­bar und als falsch an.

„Ich bin kei­ne Fuß­pfle­ge­rin, die nur die Nägel lackiert“, stellt Ste­pha­nie Voigt­län­der fest. Zu ihrer Berufs­aus­bil­dung gehör­te auch die medi­zi­ni­sche Fuß­pfle­ge. Vor Coro­na sorg­te sie alle 14 Tage im Bis­mar­ker Alten­pfle­ge­heim „Haus der Sin­ne“ für die Fuß­pfle­ge von jeweils fünf Bewoh­nern. „Wenn es not­wen­dig war, kam die Podo­lo­gin auf Rezept“, erklärt Voigtländer.

Bei der Nagel­pfle­ge der Bewoh­ner geht es laut Ste­pha­nie Voigt­län­der vor allem um Vor­beu­gung. „Den älte­ren Leu­ten fehlt die Beweg­lich­keit“, erläu­tert Voigt­län­der. „Sie kom­men allein nicht mehr an ihre Füße.“ Des­halb wer­den die Füße begut­ach­tet, dem Ein­wach­sen der Zehen­nä­gel wird vor­ge­beugt und bei Bedarf gibt es dann die ent­spre­chen­den Hin­wei­se zur Wei­ter­be­hand­lung durch Podo­lo­gen oder Ärzte.

Podo­lo­gen über­neh­men Fußpflege
Die Arbeit der Fuß­pfle­ge­rin­nen soll nun laut gel­ten­der Eindämmungs­verordnung von den Podo­lo­gen über­nom­men wer­den. Nur sie dür­fen noch in den Alten­pfle­ge­hei­men wegen ihrer Berufs­be­zeich­nung an die Füße der Bewoh­ner. In der Regi­on der Ein­heits­ge­mein­de Bis­mark gibt es nur eine Podo­lo­gin. Da der­zeit die Füße der Bewoh­ner nicht gepflegt wer­den, besteht „drin­gen­der Hand­lungs­be­darf“. Da haben Ste­pha­nie Voigt­län­der und Andre­as Cos­mar eine Meinung.…

Der Dia­ko­nie Mit­tel­deutsch­lands ist das Pro­blem bekannt, laut Andre­as Cos­mar auch dem zustän­di­gen Minis­te­ri­um. „Man will aber aktu­ell nicht an den §7 der gel­ten­den Ein­däm­mungs­ver­ord­nung ran“, so Cos­mar. In der nächs­ten Ver­ord­nung, die Mit­te Febru­ar erwar­tet wird, sol­len dann auch Ände­run­gen bei der Fuß­pfle­ge ein The­ma sein.

Fuß­pfle­ge: geht nicht, gibt es nicht
Mit dem Blick auf das Dilem­ma rund um die Fuß­pfle­ge in Alten­pfle­ge­hei­men hat Ste­pha­nie Voigt­län­der in den ver­gan­ge­nen Tagen ganz viel tele­fo­niert. Sie schil­der­te die Pro­ble­ma­tik unter ande­rem den Ord­nungs- und Gesund­heits­äm­tern, dem Pan­de­mie-Stab des Land­krei­ses Stend­al und dem Wirt­schafts­mi­nis­te­ri­um in Mag­de­burg. Die Ant­wor­ten ähnel­ten sich: Geht nicht, gibt es nicht, inter­es­siert nicht. „Eine Fuß­pfle­ge wird nur auf Rezept erlaubt“, so Voigt­län­der. Und auf Rezept dür­fen nur Podo­lo­gen arbei­ten…«

10 Antworten auf „Corona: Fußnägel wachsen ein“

  1. Unsäg­lich, wie gedan­ken-und herz­los die­se "Gesund­heits­po­li­tik" sich geriert.
    Schwer vor­er­krank­te Men­schen koen­nen auch an einer unbe­han­del­ten Nagel­bett-Ent­zuen­dung versterben.

    1. So eine "Gesund­heits­po­li­tik" ist nur mög­lich mit Men­schen, die ihr Mensch­sein ver­lo­re­nen haben, die es sich abneh­men lie­ßen vor län­ge­rer Zeit schon, auf der einen, wie auf der ande­ren Seite.

  2. Wie kann es sein, dass dies in Alten­hei­men erst nach einem Jahr The­ma ist?

    Ich weiß davon seit dem ers­ten Lock­down, als eine geplan­te Fuß­pfle­ge abge­sagt wur­de bei Bekann­ten um die 80, die selb­stän­dig im eige­nen Haus­halt leben, sie mit Hal­lux, er Dia­be­ti­ker – danach war Groß­alarm und meh­re­re Arzt­be­su­che ange­sagt, als die Fuß­pfle­ge­rin mit ein paar Wochen Ver­spä­tung wie­der an den Füßen war. Und es war sofort klar, dass es kei­nen Lock­down mehr ohne Fuß­pfle­ge­rin gibt und die Ter­mi­ne ohne Aus­nah­me ein­zu­hal­ten sind.

    Mich wür­de die Sta­tis­tik der ver­schrie­be­nen Seda­ti­va in Hei­men interessieren.

    1. Mel­pe­ron für bei­na­he alle, ist mei­ne Erfah­rung aus der Zeit der Altenheim-Belieferung.
      Anders ist das Elend wohl für kei­ne Sei­te zu ertragen

      1. Oh doch. Es gibt noch Hal­dol, Pipam­pe­ron, Ris­pe­ri­don, Fen­ta­nyl, Oxy­c­o­don – jede Men­ge Alter­na­ti­ven. Oder ganz alt­mo­disch Eier­li­kör. Vor allem wenn die Heim­lei­tung auch Phy­sio­the­ra­peu­ten und Logo­pä­den aus Infek­ti­ons­schutz­grün­den aus­schließt – trotz ver­füg­ba­rer Schnell­tes­tung. Oder Kran­ken­haus­ein­wei­sun­gen aus­schließt, "weil dort die neue Muta­ti­on aus­ge­bro­chen ist". Ich bin Alten­pfle­ger, und glau­ben Sie mir – die Rea­li­tät ist noch weit zyn­scher und erbar­mungs­lo­ser als die meis­ten sich vor­stel­len können.

        Ich habe schon vor einem Jahr pro­tes­tiert, weil ich genau wuss­te, was pas­sie­ren wür­de. Die Ant­wort war: "Ja was wol­len Sie denn sonst machen?" Auf die Idee, erst mal nach­zu­den­ken, was die Fol­gen sind, anstatt blind in Panik zu ver­fal­len, kam die­se Heim­lei­tung nicht. Sie fuhr damals schon die "Zero COVID" – Linie. Der Lacher? Vor einem Monat hat es sie erwischt. Als ein­zi­ge im gan­zen Heim bis­her. Kei­ner weiß warum.

        Mir zum Bei­spiel bleibt nur, soviel Zwei­fel wie mög­lich am offi­zi­el­len Nar­ra­tiv zu säen, die Ange­hö­ri­gen und The­ra­peu­ten auf­zu­wie­geln und ver­su­chen, den Heim­be­woh­nern das an Nähe zu erset­zen, was Poli­tik und blin­de Angst ihnen vorenthalten.

  3. Zuneh­men­de Ver­wahr­lo­sung dürf­te ins­ge­samt eine gigan­ti­sches Pro­blem in den Pfle­ge­hei­men sein – sobald dort "Covid" aus­bricht, wer­den Qua­ran­tä­nen ver­ord­net die gewohn­te Arbei­ten unmög­lich machen. Dass Kör­per­pfle­ge da neben der See­le eine gewal­ti­ge Rol­le spielt, ist klar. Es gibt ja immer wie­der die­se Berich­te, wie Wodarg sie ver­linkt hat:
    https://​www​.op​-mar​burg​.de/​M​a​r​b​u​r​g​/​S​o​-​l​i​e​f​-​d​i​e​-​R​e​t​t​u​n​g​-​v​o​n​-​H​a​u​s​-​W​a​l​d​b​l​i​c​k​-​i​n​-​M​o​i​s​cht

  4. Ein ein­ge­wach­se­ner Zehen­na­gel kann ins­be­son­de­re im Alter (bspw. bei Dia­be­tes, den damit ver­bun­de­nen Ner­ven­schä­den und der schlech­ten Durch­blu­tung wegen der kaput­ten Kapil­lar­ge­fä­ße) zu einer OP oder im schlimms­ten Fall zur Ampu­ta­ti­on eines Zehs oder auch eines Bei­nes füh­ren. Das ist immer noch ein sehr viel rea­lis­ti­sche­res Sze­na­rio als die Bedro­hung der Mensch­heit durch Corona.

  5. Bei alten Leu­ten, die zwar nicht mehr an ihre Füße her­an­kom­men, aber sonst noch so fit sind, dass sie allein leben kön­nen, dürf­te das Pro­blem noch grö­ßer sein. Als ob die durch Iso­la­ti­on nicht schon genug gestraft wären!
    Es sind kei­nes­wegs nur Kin­der, die von der Kanz­le­rin angeb­lich nicht gequält wer­den. Die­se Igno­ranz schreit zum Himmel. :-((

  6. Ein ähn­li­ches Pro­blem: Vie­le älte­re Men­schen trau­en sich allein zu Hau­se nicht mehr, die Haa­re zu waschen. Sie gehen des­halb ein­mal die Woche zum Fri­seur und las­sen sich die Haa­re waschen. Mei­ne Fri­seu­rin erzähl­te mir nach dem ers­ten Lock­down, dass mache sich die gan­ze Zeit nicht die Har­re waschen konn­ten. Inter­es­siert aber auch keinen.

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