Dies ist die Antwort des SWR auf die Zuschrift eines Vaters, der sich wegen des Spiels "Corona World" sorgte (s.a. Hochansteckende Kinder platt machen) – der ARD-Sender spricht von "Ironie":
»Sehr geehrte*r …,
vielen Dank für Ihre Mail. Gerne setzen wir uns mit Ihrer Kritik auseinander, denn durch konstruktive Anregung von außen können wir unser Angebot stetig optimieren. Das Browser Ballett ist ein Satire-Kanal, der die Ereignisse des Zeitgeschehens mit den Mitteln der Ironie, der Satire und der Komik aufbereitet. Dabei werden bekannte Muster mittels satirischer Überspitzung mehr oder weniger ad absurdum geführt.
Das von Ihnen kritisierte Spiel greift die Auseinandersetzung mit der aktuellen Corona-Pandemie auf eine satirische Art und Weise auf. Den Macher*innen vom Browser Ballett geht es hierbei in keinster Weise darum, Menschen oder eine bestimmte Menschengruppe zu diffamieren. Es ist uns durchaus bewusst, dass eine polarisierende Form der Darstellung gewählt wurde, die nicht immer den Geschmack aller trifft. Das liegt jedoch im Kern von Satire und der Ironie.
Das Computerspiel "Corona World" des Satireformats "Browser Ballett" setzt sich auf satirische Weise mit der aktuellen Corona-Pandemie auseinander. Die Intention war es, Krankenpfleger*innen ein eigenes Spiel als Helden der Krise zu widmen. Das Spielprinzip orientiert sich am Spieleklassiker "Super Mario World", bei dem es verschiedene Gegnertypen gibt, die dadurch besiegt werden können, dass man auf sie springt. Wir halten diese Form der Gewaltdarstellung gemessen an aktuellen Videospielen für vertretbar und doch entschuldigen wir uns gleichzeitig bei allen, die dadurch irritiert wurden.
Das Spiel wurde so konzipiert, dass man es selbst dann gewinnen kann, wenn man allen anderen Charakteren ausweicht. Lediglich das personifizierte Coronavirus muss am Ende besiegt werden. Aber das sollte schließlich im Sinne aller sein. Grundsätzlich arbeiten alle Inhalte des Browser Balletts mit unterschiedlichen satirischen Stilmitteln von Übertreibung bis Ironie, das heißt: Nichts, was wir präsentieren stellt eine Handlungsempfehlung oder ernst gemeinte Empfindung dar.
Wir nehmen Ihre Kritik gerne als Anreiz, uns wie bisher bei der Betreuung unserer Formate gewissenhaft und genau an unsere Programmgrundsätze zu halten und würden uns freuen, wenn Sie funk – gerne auch kritisch – weiterhin verfolgen.
Beste Grüße
Das funk Team«
Was darf die Satire?
"Üblicherweise ist Satire eine Kritik von unten (Bürgerempfinden) gegen oben (Repräsentanz der Macht)" weiß nicht nur Wikipedia. Das berühmte Wort von Kurt Tucholsky "Was darf die Satire? Alles." ist 1919 bei ihm eingebettet in diese Bemerkungen:
»Satire scheint eine durchaus negative Sache. Sie sagt: "Nein!" Eine Satire, die zur Zeichnung einer Kriegsanleihe auffordert, ist keine. Die Satire beißt, lacht, pfeift und trommelt die große, bunte Landsknechtstrommel gegen alles, was stockt und träge ist.
Satire ist eine durchaus positive Sache. Nirgends verrät sich der Charakterlose schneller als hier, nirgends zeigt sich fixer, was ein gewissenloser Hanswurst ist, einer, der heute den angreift und morgen den.«
Die MacherInnen im Auftrag der ARD haben den Begriff gründlich mißverstanden. Sie treten nach unten und bejubeln oben. Das ist eher Tradition des "Stürmers", der vermutlich seine antisemitischen Karikaturen auch für satirisch hielt. Gelogen ist angesichts der Bewerbung des Spiels die Behauptung, man wolle damit keine "Handlungsempfehlung" aussprechen.
Dies ist der Text der Anfrage des Vaters:
»Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren,
mit diesem Aufruf in Ihrem aktuell angepriesenem Computerspiel "www.playcoronaworld.com" sind Sie eindeutig eine Menge Schritte zu weit gegangen. Sie rufen allen Ernstes dazu auf, einzelne Bevölkerungsgruppen / Minderheiten zu verfolgen und zu töten? Und sei es nur virtuell?
"Kämpfe dich durch eine Armee von Vollidioten und Virenschleudern (Jogger, Prepper, Partypeople und HOCHINFEKTIÖSE (KLEINE KINDER)! Mach sie platt!"
Das ist widerliche Manipulation unserer Kleinsten, die noch keine Ahnung haben, was Satire überhaupt ist. Außerdem kennt auch Satire ihre Grenzen – Sie aber offensichtlich nicht. Das ist erschreckend und erinnert sehr stark an die Gehirnmanipulationen aus früheren Tagen, als man ebenfalls auf allen Kanälen und in dem einzigen Jugendverband dazu aufrief, bestimmte Bevölkerungsgruppen auszugrenzen und radikal zu diffamieren – und mehr.
Hätten Sie zu irgendeinem Moment darüber nachgedacht, ein solches Spiel im Auftrag und dem üppigen Zuteilungstopf der Bundesregierung zu lancieren, wenn es dort z. B. um Schwarze oder Juden oder Homosexuelle, etc. gegangen wäre? Ich hoffe nein. Aber hier tun Sie es ohne jegliche Anzeichen von Achtung, Einfühlungsvermögen, Ehrfurcht und Feingefühl.
Bitte denken Sie noch einmal darüber nach, was Sie hier getan haben – vor welch widerlichen Karren Sie sich haben spannen lassen und löschen Sie das Spiel so schnell Sie können.
Tun Sie das Richtige!
Motivieren Sie die Kinder und auch ihre Eltern, die Erwachsenen dazu, in den Dialog zu treten, Dinge zu klären, aufzuklären, sich selbst anhand der immer besser verfügbaren Informationen (auch diese Informationen, die man nicht sofort findet, die aber wesentlich sind, um sich selbst ein mehrdimensionales Bild der aktuellen Situation zu machen), anstatt öffentlich und auf niedrigste Weise zur Beseitigung Andersdenkender zu werben!!«
(Hervorhebungen nicht in den Originalen.)
> Das Spiel wurde so konzipiert, dass man es selbst dann gewinnen kann, wenn man allen anderen Charakteren ausweicht.
Aus Fallout 1 mussten für die europäische Version die Kinder entfernt werden, obwohl man fürs Kindertöten sogar penalized wurde.
Gutes Tucholsky-Zitat!