Corona: Wirtschaft immer dreister

Auf faz​.net ist heu­te zu erfah­ren, daß die Profitgier der Wirtschaft kein Maß kennt. Das ist für sich genom­men wenig über­ra­schend. Angesichts des Überlebenskampfes auch vie­ler Soloselbständiger kann die Offenheit der Formulierungen den­noch sprach­los machen.

»Recht auf Homeoffice, Unternehmensstrafrecht, Haftung für Verfehlungen bei Zulieferern in aller Welt – trotz Corona-Krise trei­ben vie­le Ministerien unbe­irrt ihre alten Lieblingsprojekte vor­an und machen damit Unternehmen das Wirtschaften schwe­rer und teu­rer. Die Hoffnung auf Entlastungen etwa durch eine Steuerreform oder auch nur auf sta­bi­le Sozialabgaben waren ange­sichts stark stei­ge­ner [so im Original, AA] öffent­li­cher Ausgaben ohne­hin schon geschwun­den. Der immer dicker wer­den­de Katalog neu­er Regulierungspläne kommt nun aber noch hinzu.«

Wie sol­len sich Wirtschaftsverbände auch für ein Unternehmensstrafrecht erwär­men ange­sichts die­ser unvoll­stän­di­gen Aufzählung eines FAZ-Artikels vom 30.9. "Was macht der Knast mit Managern?":

»Braun, Stadler, Schlecker, Bayern-Patriarch Uli Hoeneß, der Hamburger Unternehmer Alexander Falk, der frü­he­re Banker Gerhard Gribkowsky, der exzen­tri­sche Karstadt-Totengräber Thomas Middelhoff – alles bekann­te Manager, hin­ter denen sich in den ver­gan­ge­nen Jahren die Tür einer Gefängniszelle schloss.«

Weitere Schlagzeilen der FAZ aus den letz­ten Tagen: "Früherer Audi-Chef:
Mit der S‑Klasse zum Gericht", "Vorwürfe gegen Ex-Audi-Chef: 'Die Frage ist: Wer wuss­te nicht Bescheid?'“, "Dieselbetrug: Staatsanwaltschaft klagt wei­te­re Mitarbeiter von Volkswagen an", "Bilanzskandal Wirecard:
Markus Braun wehrt sich mit Haftbeschwerde gegen Vorwürfe"…

»"Was soll der Bürokratie-Tsunami?", fragt Uwe Mazura, Hauptgeschäftsführer beim Gesamtverband der deut­schen Textil- und Modeindustrie, stell­ver­tre­tend für vie­le betrof­fe­ne Unternehmen. „Mitten in einer Pandemie mit dra­ma­ti­schen wirt­schaft­li­chen Folgen kommt der Gesetzgeber mit einer sinn­lo­sen Regelungsflut um die Ecke." Leidtragende sei­en vor allem Mittelständler, "die sich jeden Tag aufs Neue fra­gen, wie sie die Corona-Krise über­ste­hen sollen".«

"Entwicklungsländer deutlich stärker gewachsen"

Es geht natür­lich um das nur zäh in Gang kom­men­de "Lieferkettengesetz", das den "Unternehmen das Wirtschaften schwe­rer und teu­rer" macht. Ein sub­ver­si­ver Bildredakteur (oder eine Redakteurin) hat das Gejammer mit die­sem Foto illustriert:

Wie viel Verantwortung tra­gen deut­sche Unternehmen für die Zustände in Zulieferbetrieben, wie hier in Bangladesh? Bild: AFP

»Auch Industriepräsident Dieter Kempf ver­folgt den Arbeitseifer der Regierung auf­merk­sam – und kann Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sei­ne Haltung dazu an die­sem Dienstag an pro­mi­nen­ter Stelle vor­tra­gen. Beide tref­fen am "Tag der Industrie" auf­ein­an­der, Kempf als Gastgeber.«

Was zwangs­läu­fig Sprachfiguren asso­zi­ie­ren läßt wie die von Koch und Kellner oder dem Herrn und dem Gescherr. Es geht um

»… ein Gesetz, das grö­ße­re Unternehmen für die Zustände bei ihren Lieferanten und deren Lieferanten haf­ten las­sen soll. Die Verbände lau­fen Sturm dage­gen, ihre Mitglieder befürch­ten, für etwas haf­ten zu müs­sen, das sie ange­sichts der kom­ple­xen welt­wei­ten Wertschöpfungs­ketten nicht kon­trol­lie­ren können…

Auch Maschinenbau-Präsident Carl Martin Welcker platz­te der Kragen. In einem offe­nen Brief beschwer­te er sich, dass [Entwicklungsminister] Müller ein Bild von Ausbeutung, Sklaverei und Bereicherung zu Lasten der Ärmsten zeich­ne und die enor­me Fortschritte durch den glo­ba­len Handel igno­rie­re. Tatsächlich sei­en die Entwicklungsländer in den ver­gan­ge­nen Jahrzehnten deut­lich stär­ker gewach­sen [so im Original, AA] als die Industrieländer (670 Prozent gegen­über 280 Prozent), die Zahl der in extre­mer Armut leben­den Menschen sei durch Freihandel und Globalisierung stark gesunken.«

Schutz vor Selbstausbeutung – steht nicht im Koalitionsvertrag!

Kaum blinkt Hubertus Heil ver­hal­ten links, nach­dem das Regierungsfahrzeug bis­her einen stramm wirt­schafts­freund­lich-rech­ten Kurs hielt, stößt er beim Thema Homeoffice auf Empörung:

»Heil [will] Beschäftigte, die dies für sich durch­set­zen, vor Selbstausbeutung schüt­zen. Dazu plant er eine neue Pflicht zur Arbeitzeiterfassung; außer­dem soll der Arbeitgeber Verantwortung für den Arbeitsschutz am hei­mi­schen Küchentisch über­neh­men. Zu Beginn der Pandemie hat­te die Koalition die Leitlinie beschlos­sen, Belastungen der Wirtschaft "durch Gesetze und ande­re Regelungen mög­lichst zu ver­mei­den". Heils Plan aber ste­he "in kla­rem Widerspruch dazu", warnt etwa die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft.«

Dumm für Heil: Sie haben Recht.

Frauen – nein danke!

»Die 2016 ein­ge­führ­ten Vorschriften für mehr Frauen in Führungspositionen von Unternehmen sind der Koalition zu lasch…

Bisher müs­sen sie hier nur soge­nann­te frei­wil­li­ge Zielgrößen ver­öf­fent­li­chen; die­se fal­len der Regierung aber oft zu nied­rig aus. Die bis­her manch­mal zuläs­si­ge "Zielgröße null" will sie daher ver­bie­ten. Giffeys Entwurf mit festen Mindestquoten für Vorstände geht klar über den Koalitionsvertrag hin­aus, was eine Einigung erschwert. «

(Hervorhebungen nicht in den Originalen.)

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