Die Gewalt

Im Herbst des letz­ten Jahr­hun­derts schrieb Erich Fried:

»Die Gewalt fängt nicht an,
wenn einer einen erwürgt.
Sie fängt an, wenn einer sagt:
„Ich lie­be dich:
du gehörst mir!“

Die Gewalt fängt nicht an,
wenn Kran­ke getö­tet werden.
Sie fängt an, wenn einer sagt:
„Du bist krank:
Du musst tun, was ich sage!“


Die Gewalt fängt an,
wenn Eltern
ihre folg­sa­men Kin­der beherrschen,
und wenn Päps­te und Leh­rer und Eltern
Selbst­be­herr­schung verlangen.

Die Gewalt herrscht dort wo der Staat sagt:
„Um die Gewalt zu bekämpfen
darf es kei­ne Gewalt mehr geben
außer mei­ner Gewalt!“

Die Gewalt herrscht
wo irgend­wer oder irgend etwas
zu hoch ist oder zu heilig,
um noch kri­ti­siert zu

Oder wo die Kri­tik nichts tun darf,
son­dern nur reden,
und die Hei­li­gen und die Hohen
mehr tun dür­fen als reden.

Die Gewalt herrscht dort wo es heißt:
„Du darfst Gewalt anwenden!“
Aber auch dort wo es heißt:
„Du darfst kei­ne Gewalt anwenden!“

Die Gewalt herrscht dort,
wo sie ihre Geg­ner einsperrt
und sie verleumdet
als Anstif­ter zur Gewalt.

Das Grund­ge­setz der Gewalt
lau­tet: „Recht ist, was wir tun.
Und was die ande­ren tun,
das ist Gewalt!“.

Die Gewalt kann man viel­leicht nie
mit Gewalt überwinden,
aber auch nicht immer
ohne Gewalt.«

Zitiert nach deut​sche​ly​rik​.de. Dort gibt es auch eine Audio-Version

8 Antworten auf „Die Gewalt“

  1. Oh, tat­säch­lich Erich Fried, dann mag ich aber auch Erich Fried posten:

    Erich Fried
    Die Maßnahmen

    Die Fau­len wer­den geschlachtet,
    die Welt wird fleißig.

    Die Häß­li­chen wer­den geschlachtet,
    die Welt wird schön.

    Die Nar­ren wer­den geschlachtet.
    die Welt wird weise.

    Die Kran­ken wer­den geschlachtet,
    die Welt wird gesund.

    Die Alten wer­den geschlachtet,
    die Welt wird jung.

    Die Trau­ri­gen wer­den geschlachtet,
    die Welt wird lustig.

    Die Fein­de wer­den geschlachtet,
    die Welt wird freundlich.

    Die Bösen wer­den geschlachtet,
    die Welt wird gut.

    Und die­ses Gedicht wollt ich auch schon die letz­ten Wochen hier pos­ten, da ging es irgend­wie um, weiss nicht mehr, den Schutz des Lebens und die Mass­nah­men oder so…aber ich hat­te dann dar­auf verzichtet; 

    also die­ses Gedicht wid­me ich hier Frau Dr. Mer­kel, Frau von der Ley­en und Gre­ta Thunberg…aber nicht per­sön­lich neh­men bitte…erst Recht nicht was mei­ne Per­son betrifft…

    Was ist Leben?

    Leben
    das ist die Wärme
    des Was­sers in mei­nem Bad.

    Leben
    das ist mein Mund
    an dei­nem offe­nen Schoß.

    Leben
    das ist der Zorn
    auf das Unrecht in unse­ren Ländern.

    Die Wär­me des Wassers
    genügt nicht
    ich muss auch dar­in Plätschern.

    Mein Mund an dei­nem Schoß
    genügt nicht
    auch muss ihn auch küssen.

    Der Zorn auf das Unrecht
    genügt nicht
    Wir müs­sen es auch ergründen

    und etwas
    gegen es tun.
    Das ist Leben!

    …..
    Gar­d­asil ist auch ne Impfung…Also Erich…Jemand soll auch gesagt haben, das sei­en mehr Gedach­te als Gedich­te von dem Erich Fried…meine Lieb­lings­ge­dich­te von ihm sind die nach Hölderlin.

      1. @aa: Ohne die­sen Rah­men gäbe es auch vie­le gute Bei­trä­ge hier nicht – also trotz­dem herz­li­chen Dank!!!

        Erich Fried, Lie­bes­ge­dich­te (stark gekürz­ter Aus­zug aus:)
        Inschrift in David Coo­pers Buch "Die Spra­che der Verrücktheit"
        .….…..
        Frei­heit ist Frei­heit für mich und für dich
        und für ihn und für sie und für es
        und für uns und für euch und für sie.
        Frei­heit ist unteilbar.
        Frei­heit, die nicht auch dei­ne Frei­heit ist,
        ist kei­ne Freiheit.

  2. Ja, Fried. Das Pro­blem mit so wah­ren Wor­ten in Gedicht­form ist, dass, gera­ten sie zu lang, ihrer Trag­wei­te das Gedach­te zum Ver­häng­nis wird. Umso schö­ner, wenn es sich aus gege­be­nem Anlass – gera­de jetzt und hier – wie­der anfin­det. Weil es sich ange­staut hat in dem ein oder ande­ren Gedächt­nis. Auch ohne Gesang, der der Lyrik eigen ist, mit dem sie das Gedäch­te nach­drück­lich prägt…

    Also Frei­heit.

    "Drei Satz Frei­heit zu beschreiben//Die Frei­heit liegt im lich­ten Maß/der Mauern./Genau auf dem Grenz­strei­fen ist sie/Grenzen los./Freiheit ist immer nur Randerscheinung.//

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