Die Sache mit der "sinnlosen Gewalt"

Am 19.3. liest man auf hes​sen​schau​.de unter der Über­schrift "Jugend­li­che wüten in Bens­heim – was ist da los?":

»Bren­nen­de Autos, Zer­stö­rungs­wut und ein Bau­con­tai­ner in Flam­men: Das idyl­lisch an der Berg­stra­ße gele­ge­ne Städt­chen Bens­heim ist der­zeit Schau­platz einer unge­wöhn­li­chen Serie von Straf­ta­ten – und die Ver­däch­ti­gen sind stets Jugend­li­che. Die Ver­ant­wort­li­chen der Stadt füh­ren die kri­mi­nel­len Aus­brü­che auf die Ein­schrän­kun­gen durch die Coro­na-Pan­de­mie zurück, Lösun­gen haben sie aber noch nicht.

[Die Poli­zeit hat] eigens für die Vor­fäl­le in Bens­heim eine Arbeits­grup­pe mit dem Namen "Nibe­lun­gen" gegründet…

Sozi­al­ar­bei­ter: Jugend­li­chen fehlt es an Beschäftigungsmöglichkeiten
Was sich der­zeit abspie­le, sei schon "krass" und "außer­ge­wöhn­lich", beschreibt Bens­heims Stadt­spre­cher Mat­thi­as Schai­der die Situation.

Nor­ma­ler­wei­se trä­fen sich Jugend­li­che erst an den bekann­ten Punk­ten, wenn es wär­mer wer­de. In die­sem Jahr sei das aber bereits im Win­ter bei kal­ten Tem­pe­ra­tu­ren der Fall.

Doch woher kom­men die gestie­ge­ne Aggres­si­vi­tät und die Lust am Zer­stö­ren bei den Her­an­wach­sen­den? Wie in so vie­len Berei­chen spielt auch hier das Coro­na­vi­rus eine Rol­le. Armin Zeiß­ler, Team­lei­ter des städ­ti­schen Jugend­treffs, führt die ange­spann­te Lage auf die Beschrän­kun­gen in der Pan­de­mie zurück. Den Jugend­li­chen feh­le es schlicht an Anlauf­stel­len und Beschäf­ti­gungs­mög­lich­kei­ten. Durch die Schlie­ßung der Schu­len sei zudem für vie­le die Struk­tur im Tages­ab­lauf ver­lo­ren gegangen.

Auch der Jugend­treff ist in Coro­na­zei­ten geschlos­sen – und den Sozi­al­ar­bei­tern und Sozi­al­ar­bei­te­rin­nen der Stadt somit der Zugriff auf die Jugend­li­chen genom­men. "Wir sind abge­kap­selt", klagt eine Mit­ar­bei­te­rin des Treffs. Durch den feh­len­den Kon­takt zu den Her­an­wach­sen­den sei es der­zeit schwie­rig, den Über­blick über die Jugend-Sze­ne zu behal­ten und an Insi­der­infor­ma­tio­nen zu kom­men, um auf­kei­men­de Pro­ble­me viel­leicht schon im Vor­feld erken­nen und lösen zu können.

Lan­ge­wei­le, Ori­en­tie­rungs­lo­sig­keit und feh­len­de sozia­le Kontrolle
Zu nor­ma­len Zei­ten kämen laut Zeiß­ler vor allem Kin­der und Jugend­li­che aus sozi­al schwa­chen Eltern­häu­sern in den Treff. "Bei uns fin­den sie, was sie Zuhau­se nicht bekom­men", sagt Zeiß­ler. Im Treff könn­ten sie ins Inter­net, bekä­men Hil­fe bei All­tags­the­men und per­sön­li­chen Pro­ble­men. Der­zeit sei­en die Jugend­li­chen aber sich selbst über­las­sen. "Da fehlt die sozia­le Kontrolle."«

Da ist sehr schön zusam­men­ge­faßt, wel­che Auf­ga­be sozia­ler Arbeit zuge­dacht ist. Hilf­lo­sig­keit macht sich breit, wo man die Ursa­chen nicht behe­ben will:

»Die Stadt weiß um die Pro­ble­me und will sich ihnen auch stel­len. Im Gespräch sei­en Maß­nah­men wie etwa Street­work-Pro­jek­te, erklärt Stadt­spre­cher Schai­der. Man wol­le mit den Jugend­li­chen ins Gespräch kom­men, Alter­na­ti­ven auf­zei­gen. In den Oster­fe­ri­en will der Jugend­treff wenn irgend­mög­lich eini­ge Aktio­nen im Frei­en anbie­ten. Und wenn Coro­na im Griff sei, hofft Schai­der, kön­ne man ein paar bekann­te Pro­blem­fäl­le wie­der einfangen.

Aber die Pan­de­mie ist nicht unter Kon­trol­le, und auch die ande­ren Maß­nah­men set­zen zumin­dest eine gehö­ri­ge Locke­rung der gel­ten­den Coro­na-Beschrän­kun­gen vor­aus. Die sind ange­sichts der drit­ten Wel­le aber vor­erst nicht in Sicht – eben­so wenig wie krea­ti­ve Lösun­gen…«

7 Antworten auf „Die Sache mit der "sinnlosen Gewalt"“

  1. Haha, unse­re hilf­lo­sen Helfer!
    Wäre uns das Hel­fen und Unter­stüt­zen und die Ursa­chen­be­kämp­fung ein wirk­li­ches und wahr­haf­ti­ges Anlie­gen wäre Coro­na kein Hin­der­nis, im Gegenteil.

    1. Ja Mar­le­ne , der Ansicht bin ich auch.
      Die­se jun­gen Menschn wer­den seit Mona­ten in Qua­ran­tä­ne gehalten.
      Ich wun­de­re mich, dass sie bis­her so "zurück­hal­tend " waren.
      Und daß man im Guten nichts erreicht, haben sie inzwi­schen längst begrif­fen und grei­fen nun zur Gewalt.
      Wun­dert das wirk­lich jemanden?
      Die­se jun­gen Men­schen haben doch kei­ner­lei Vor­bil­der mehr.

  2. Viel­leicht soll­ten sie sich bes­ser in Ber­lin abreagieren.…die Stadt hat ein­fach mehr Objekt-Aus­wahl. Sie fol­gen bestimmt der alten Weis­heit: Macht kaput was Euch kaput macht. Ultra simpel.

    1. @Jörn:
      "Macht kaputt, was Euch kaputt macht"

      - Wenn sich bloß ein pas­sen­des Ziel der Wut anbie­ten wür­de … dein Nach­bar, Otto/Frieda ‑Mas­ken­bür­ger, kann es ja wohl nicht sein?! Die "Schuld" am Gesche­hen ist sehr breit verteilt.

      Soll­te ich aller­dings einen der fan­cy Daten­zau­be­rer und Wel­len­pro­phe­ten mal auf der Stra­ße tref­fen, kann es schon sein, dass ich mich spon­tan ent­schlie­ße, ihn gehö­rig zu modellieren.

      1. @ Boris Büche

        "(…) Soll­te ich aller­dings einen der fan­cy Daten­zau­be­rer und Wel­len­pro­phe­ten mal auf der Stra­ße tref­fen, kann es schon sein, dass ich mich spon­tan ent­schlie­ße, ihn gehö­rig zu modellieren."

        Super klas­se, sowohl die "fan­cy Daten­zau­be­rer" als auch das "model­lie­ren"! *lach*

  3. Ran­da­lie­ren­de Jugend­li­che gabs da auch schon vor Coro­na. An Sil­ves­ter vor zwei drei Jah­ren wur­de da auch schon ran­da­liert und z.B. Stei­ne in fah­ren­de Autos gewor­fen und Leu­te mit Feu­er­werk beworfen.
    .
    Ich konn­te das teils von mei­nem Bal­kon beob­ach­ten, wie unsag­bar unfä­hig die Poli­zei bei uns ist. Abso­lut lächerlich.
    .
    Erst als mein Nach­bar mit Sturm­hau­be und Zaun­pfahl auf die Stra­ße kam war Ruhe.

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